Neue Zürcher Zeitung, 7. Dezember 2007
US-Zeitungen im Web 2.0
Amerikanische Tageszeitungen nutzen in atemberaubendem Tempo die neuen technischen Möglichkeiten, um ihr Internet-Angebot multimedial und interaktiv zu gestalten. Das ist das Ergebnis einer Studie, die kürzlich von der Bivings Group, einer Internet-Consulting-Firma in Washington D. C., vorgelegt wurde.
Die Forschungsarbeit analysiert, wie und mit welchem Erfolg die 100 grössten US-Tageszeitungen sich ans Web 2.0 anpassen.
Laut der Studie offerieren inzwischen 92 Prozent der Zeitungen Videos, und 49 Prozent bieten Podcasts auf ihrer Website an, also Radiobeiträge auf Abruf. 95 Prozent der Blätter haben Blogs – so etwas wie Online-Tagebücher einzelner Journalisten –, und 93 Prozent der Redaktionen laden ihre Nutzer dazu ein, diese Blogs zu kommentieren. Ein Drittel der Zeitungen gestaltet inzwischen das gesamte Online-Informationsangebot interaktiv und ermöglicht es den Nutzern, alle Beiträge mit Statements zu versehen. 96 Prozent der Zeitungen haben sogenannte RSS-Feeds, die es Interessenten erlauben, mit ihren Lieblings-Websites in ständigem Kontakt zu bleiben und neue Inhalte automatisch herunterzuladen. 44 Prozent der Zeitungen ermöglichen es, Bookmarks zu setzen.
Hohe Zuwachsraten
Fast noch erstaunlicher sind die Zuwachsraten: Bei den Videoangeboten sind es im Jahr 2007 plus 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr, bei den Podcasts plus 58 Prozent. 74 Prozent mehr als im Vorjahr bemühen sich um mehr Interaktivität, indem sie ihre Inhalte zur Kommentierung freigeben. Bei den Bookmarks hat sich die Zahl der Zeitungen, die diesen Service anbieten, innerhalb eines Jahres sogar mehr als versechsfacht.
Ein knappes Drittel der Blätter (29 Prozent) zwingt die Nutzer, sich zu registrieren. Nur noch drei Prozent der Zeitungen machen dagegen den Versuch, sich ihr Online-Angebot von den Nutzern bezahlen zu lassen. Die Bivings-Group gelangt in ihrer Studie zum Schluss, das Internet sei zwar ein wichtiger Wettbewerber, aber nicht zwingend eine Bedrohung für die Tageszeitung. Die neuen Online-Offerten würden vielmehr das gedruckte Angebot sinnvoll ergänzen. Die Zeiten, wo Online-Offerten nur eine Art Repositorium der gedruckten Zeitung gewesen seien, seien allerdings endgültig vorbei.