“EJO goes East” und heißt seine neuen rumänischen Kollegen herzlich willkommen. Die rumänische EJO-Redakteurin Alina Vasiliu gibt einen Einblick in die rumänische Medienlandschaft.
Das Jahr 1989 brachte die Wende: Die kommunistischen Medieninstitutionen wurden durch demokratische ersetzt. Fast alle rumänischen Medienunternehmen änderten ihre Namen und nahmen das Wort „frei“ in ihre Titel auf, so auch Freie Jugend (überregionale Zeitung), Freies rumänisches Fernsehen (öffentlich-rechtlicher Sender), Freies Leben (Zeitung in Galati) und Freie Gedanken (Zeitung in Constanta). Aus der Zeitung Der Funke wurde Die Wahrheit. Die einzige Zeitung, die ihren Namen nicht ändern musste, war România Liberă („Freies Rumänien”), wobei das Beiwort im Dezember 1989 eine ganz neue Bedeutung bekam.
Zwar änderten sich die Namen der Medieninstitutionen, die Belegschaft aber blieb dieselbe. Mussten die Journalisten vor der Revolution noch so schreiben, wie es ihnen die Zensur befahl, ließen sie nach der Revolution ihren Aggressionen auf dem Papier freien Lauf. Während der kurzen Transition zur Demokratie verletzten viele Journalisten ethische Regeln, sie schrieben, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.
Diejenigen, die 1989 leitende Redakteure wurden, waren keinesfalls Vorzeige-Journalisten. Die Ansichten, die ihnen der Kommunismus anerzogen hatte, konnten sie nicht von einem auf den anderen Tag ablegen.
Die Studie “Media Self-Regulation in Romania” (Medienselbstregulierung in Rumänien), die 2009 vom Meinungsforschungsinstitut IMAS durchgeführt wurde, enthüllte viele journalistische Missstände in Rumänien.
Der Großteil der befragten Journalisten war der Ansicht, professionelle Standards würden im rumänischen Journalismus nicht erfüllt. 60 Prozent gaben als Grund dafür politischen Druck an. Als andere Gründe wurden eine unzureichende Ausbildung der Journalisten, der Einfluss der Arbeitgeber, wirtschaftlicher Druck und die Intransparenz staatlicher Einrichtungen genannt. 43 Prozent gaben an, es sei schwierig, für ihre Berichterstattung an verschiedene, voneinander unabhängige Quellen zu kommen.
Die Hälfte der befragten Journalisten war sich keines Ethikkodex bewusst, und 17 Prozent gaben an, dass bestimmte Themen in ihrer Redaktion tabu seien.
Die Mehrheit meinte, dass Fehler in den Medien so gut wie nie berichtigt würden.
„Die Medien sind nicht nur ökonomisch, sondern auch ethisch schwach“, erklärte Alexandru Lăzescu, Präsident und CEO des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders TVR, auf einer Konferenz des rumänischen Journalistenverbandes 2011 in Bukarest. Die Frage sei, ob ein Journalist auch wirklich ein Journalist und nicht vielmehr eine Waffe sei. Wenn sich jemand Journalist nenne, heiße das nicht automatisch, dass er auch Journalismus ausübe. Lăzescu spielte damit auf ein Phänomen an, das in Rumänien seit knapp zehn Jahren existiere und für ein massives Glaubwürdigkeitsproblem der Medien sorge: Erpressung von Seiten der Journalisten.
In diesen Fällen decken Journalisten negative Fakten aus dem Leben einer Persönlichkeit des öffentlichen Lebens auf und bieten ihr dann an, diese Informationen niemals preiszugeben, wenn sie ihnen Geld gibt oder in der Zeitung Anzeigen schaltet.
Die Erpressung habe sich mittlerweile zu einem ausgeklügelten System entwickelt, so Lăzescu.
Trotz aller journalistischen Missstände sind Nichtregierungsorganisationen und Presseverbände der Ansicht, dass Journalisten nicht von Gesetzen reguliert werden sollten, da diese die Pressefreiheit einschränken würden.
Mit der Pressefreiheit ist es aber ohnehin nicht weit her in Rumänien. Das Land belegte 2010 im Pressefreiheitsindex der Reporter ohne Grenzen nur Platz 52. Dem Index zufolge hat sich in Rumänien die Pressefreiheit seit drei Jahren stetig verschlechtert. (2007: 42. Platz; 2008: 47. Platz; 2009: 50. Platz) Zwar wird die Pressefreiheit in Rumänien nicht durch Gesetze beschnitten, aber stark von den Medienunternehmen eingeschränkt.
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