Wie bei Facebook über Politik diskutiert wird

4. Juni 2012 • Digitales • von

Erstmals haben Wissenschaftler am Beispiel Schweizer Minarett-Initiative den Einfluss von Facebook auf den politischen Diskurs analysiert.

Im November 2009 hat das Schweizer Volk der Minarett-Initiative überraschend deutlich zugestimmt. Es war ein Lehrstück, wie weit der öffentliche Diskurs in den Medien von der Meinung in der Bevölkerung abweichen kann. Hätten Politiker und Journalisten die vielen zustimmenden Lesermeinungen in Online-Medien ernster genommen, wäre das Ja zur Initiative nicht eine derart große Überraschung gewesen. Und weil der virtuelle Raum immer zentraler wird für den politischen Diskurs, wird er jetzt endlich auch Gegenstand von wissenschaftlichen Untersuchungen.

Auch in der Social-Media-Plattform Facebook war die Initiative in den Wochen vor der Abstimmung ein zentrales Thema. Die Kommunikationswissenschaftlerin Lotte Nordhus hat für eine Sonderausgabe der Fachpublikation kommunikation@gesellschaft am Beispiel der Minarett-Initiative jetzt erstmals den Einfluss von Facebook auf den politischen Diskurs untersucht. Ihr Hauptfazit: Zwar findet “durch die Diskussionen in den Gruppen auf Facebook ein Austausch zwischen Gegnern und Befürwortern der Minarett-Initiative statt, dieser führt jedoch nicht zu einer Annäherung, sondern zu einer Verhärtung der Fronten”.

Gleich und gleich gesellt sich gern

Damit bestätigt Nordhus erstmals an einem Beispiel aus der Schweizer Politik, was Kommunikationswissenschaftler seit langem befürchten: Social Media führen zu regelrechten Meinungsblasen, in denen sich Gleichgesinnte in ihrer Meinung bestätigen. Abweichende Äußerungen werden von der Masse niedergewalzt. “Der Fall des Minarett-Streits zeigt, dass sich bei Facebook Gleichgesinnte treffen, die über ein Thema diskutieren wollen und die sich wieder mit Gleichen mobilisieren”, so die Wissenschaftlerin, die zwei Facebook-Gruppen untersucht hat: die Gruppe Gruppe “Schweiz ohne Minarett”, die zum Untersuchungszeitpunkt 9078 Mitglieder hatte, und die Gruppe “Nein zur Minarett-Initiative/Non a L‘Initiative Anti-Minarets” mit 7416 Mitgliedern.

Ein besonders Augenmerk richtete Nordhus in ihrer Studie auf den Angst-Aspekt der Initiative, die sich gegen Fremdes richtete. In der analogen Wirklichkeit stimmten Regionen mit einem hohen Anteil Muslime gegen die Initiative. “Diese Tatsache legt nahe, dass bei einer besseren Kenntnis des Fremden die damit verbundenen Ängste und Bedrohungsgefühle zurückgehen”, sagt Nordhus. Anders jedoch im Internet: Die Online-Diskussionen dienten vor allem der Bildung von Vorurteilen. “Die Initiative ist auf Facebook von Teilen der Mehrheitsgesellschaft zum Anlass genommen worden, um sich als Wir-Gruppe zu definieren und auf ein Islambild zu verständigen. Auf die als störend empfundenen Symbole bewusster Fremdheit folgt eine Interpretation der Fremden, die durch subjektive Vorbehalte und stereotype Vorstellungen geprägt ist”, lautet eine zentrale Konklusion der Studie.

Das Ergebnis lässt das zugespitzte Fazit zu, dass Social Media-Plattformen dem demokratischen Prozess nicht nur gute Dienste leisten, sondern diesen Prozess in Meinungs-Bubbles auch verflachen können.

Erstveröffentlichung: Infosperber vom 21. Mai 2012

http://www.infosperber.ch/Medien/Wie-bei-Facebook-uber-Politik-diskutiert-wird

Weiterführende Informationen

Die Studie von Lotte Nordhus als PDF

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