Cross-Border-Journalismus: Arbeiten in internationalen Teams

18. Januar 2018 • Ausbildung, Internationales • von

„Wenn Politik, Wirtschaft und Kriminalität über Grenzen hinweg agieren, müssen Journalisten das auch tun“, sagt die Journalistin Brigitte Alfter. In ihrem kürzlich erschienenen Handbuch zum Cross-Border-Journalismus gibt sie wertvolle Tipps, wie es Journalisten gelingen kann, über Ländergrenzen hinweg zusammenzuarbeiten.

Die Panama Papers waren der journalistische Scoop des Jahres 2016. Insgesamt 2,6 Terabyte Datenmaterial hatten Journalisten der Süddeutschen Zeitung gemeinsam mit dem International Consortium for Investigative Journalists (ICIJ) rund ein Jahr lang ausgewertet und damit die Machenschaften dubioser Briefkastenfirmen und ihrer Kunden aufgedeckt. An den Recherchen waren rund 400 Journalisten von mehr als 100 Medienorganisationen in etwa 80 Ländern beteiligt. Darunter waren zum Beispiel Teams des Guardian und der BBC in England, der Le Monde in Frankreich und der La Nación in Argentinien. In Deutschland arbeiteten neben der SZ auch der NDR und WDR mit, in der Schweiz die Sonntagszeitung, in Österreich das Wochenmagazin Falter und der ORF.

Die Panama Papers waren ein Musterbeispiel für Cross-Border-Journalismus, der über Ländergrenzen hinweg komplexe Themen recherchiert und öffentlichkeitswirksam publiziert. Wie aber nimmt man solch eine Recherche in Angriff? Wie kommt man von der Idee zur Veröffentlichung? Wie findet man Kollegen? Auf was muss man bei der Zusammenarbeit in internationalen Teams achten? Diese Fragen beantwortet Brigitte Alfter ausführlich in ihrem im Dezember 2017 erschienen Handbuch zum grenzüberschreitenden Journalismus. In den Theoriekapiteln geht sie aufeinander aufbauend vor. Nachdem sie Cross-Border-Journalismus erst einmal verständlich definiert – „Journalisten aus verschiedenen Ländern recherchieren gemeinsam ein Thema, das in all ihren Ländern Aktualität hat. Sie sammeln und teilen Informationen und Dokumentation, die sie gegenseitig kontrollieren und ergänzen, um die Ergebnisse ihrer jeweiligen regionalen oder nationalen sowie vielleicht internationalen Zielgruppe zu vermitteln.“ – beschreibt sie die Anfänge und Entwicklung des Cross-Border-Journalismus. Sie gibt eine Einführung ins Netzwerken und Tipps zur Ideenfindung. Sie beleuchtet Aspekte der interkulturellen Kommunikation, die bei der Arbeit in internationalen Teams eine große Rolle spielt, skizziert die ersten Schritte eines internationalen Rechercheteams, beleuchtet Recherchetechniken und gibt schließlich auch Tipps zur Veröffentlichung.

Zwischen der sehr praxisorientierten Theorie bringt sie Fallbeispiele (Alfter nennt sie Fallstudien; dieser Begriff mag für Leser aus der Wissenschaft zu hoch gegriffen sein), darunter die Lux-Leaks, die dokumentierten, wie Luxemburg Konzernen erlaubt, enorme Summen aus Europa herauszuschleusen, Tobacco Underground, das globalen Tabakschmuggel aufdeckte, und die Migrants‘ Files, die zeigten, wie viele Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa wirklich sterben, nämlich etwa 50 Prozent mehr als offizielle Quellen besagen.

Die Journalisten, die Alfter für ihre Beschreibung der Fallbeispiele interviewt hat, geben basierend auf ihrer Erfahrung jeweils abschließend Ratschläge zum grenzüberschreitenden Journalismus. So betont Marina Walker vom ICIJ, die das Lux-Leaks-Team koordinierte, wie wichtig es in internationalen Teams sei, einander Vertrauen entgegenzubringen. Vertrauen ist ein Punkt, auf den im Handbuch immer wieder verwiesen wird. Ohne Vertrauen könne grenzüberschreitender Journalismus nicht funktionieren, so Alfter. Konkurrenzdenken sei zudem fehl am Platz: „Unabdingbar in konkurrierenden Nachrichtenmedien, kontraproduktiv bei Cross-Border-Recherchen.“ Alfter zitiert in diesem Zusammenhang auch David Leigh, der jahrelang die Recherche-Redaktion des britischen Guardian leitete: „Die Denkweise ist wichtig, man muss sich daran gewöhnen, gemeinsam zu denken, muss sich erinnern, dass man nicht konkurriert. Vertrauen aufbauen, der Zusammenarbeit Aufmerksamkeit widmen und wissen, dass auch die Zusammenarbeit schiefgehen kann. Das sind wichtige Überlegungen.“

Auf die Panama Papers, die weltweit für Furore gesorgt hatten, geht Brigitte Alfter in ihrem Handbuch gar nicht explizit ein. Sie erwähnt lediglich, dass das Lux-Leaks-Projekt ein Vorläufer der Panama Papers war. Dies ist wohl der Tatsache geschuldet, dass ihr Buch erstmals 2015, also schon ein Jahr vor der Veröffentlichung der Panama Papers, erschien und zwar in dänischer Sprache. Dass sie in dem Buch fehlen, ist aber kein Manko. Es ist spannend, mehr über die anderen Cross-Border-Recherchen zu erfahren und dabei auch einige neue kennenzulernen, die nicht im Fokus der Öffentlichkeit standen.

Schade ist, dass im Handbuch nicht auf den ersten Blick ersichtlich wird, wer die Autorin eigentlich ist. Erst in der Mitte des Buches zeigt das Fallbeispiel des Farmsubsidy-Netzwerks, dass Brigitte Alfter selbst zu den Pionieren des grenzüberschreitenden Journalismus in Europa zählt. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Nils Mulvad hatte sie 2005 das investigativ arbeitende europaweite Journalisten-Netzwerk gegründet, dessen Recherchen aufdeckten, dass von EU-Agrarsubventionen keineswegs nur kleine Bauern, sondern vor allem große Konzerne profitierten. Die Journalistin, die in Deutschland aufgewachsen ist und seit ihrem 19. Lebensjahr vorwiegend in Dänemark lebt, hat auch eine Förderorganisation für europäischen Journalismus, den Journalismfund.eu, aufgebaut, wo sie die redaktionelle Arbeit leitet. Das verrät die Website des Herbert von Halem-Verlags, in dem ihr Buch erschienen ist. Die große Praxiserfahrung der Autorin ist dem Band aber auch so deutlich anzumerken.

Brigitte Alfter (2017): Grenzüberschreitender Journalismus. Handbuch zum Cross-Border-Journalismus. Köln: Herbert von Halem-Verlag.

 

Bildquelle: pixabay.com

 

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