Die Zukunft des Journalismus reloaded

22. September 2016 • Ausbildung, Digitales • von

Medienberater Christian Jakubetz beschreibt in seinem neuen Buch „Universalcode 2020“, wie der Journalismus von morgen aussehen wird und gibt viele handwerkliche Tipps.

universalcode-2020Mal wieder ein Werk über die Zukunft des Journalismus, mal wieder ein Werk, das in seinem Titel die scheinbar magische Jahreszahl „2020“ enthält. Vor ein paar Monaten hat die Deutsche Gesellschaft Qualitätsjournalismus den Almanach „Journalismus 2020. Die Macht der Medien von morgen“ herausgegeben (die EJO-Rezension findet sich hier). Die Zukunft und Perspektiven der Medienbranche waren auch Thema bei der Diskussion „2020 – Die Zeitungsdebatte“ von Spiegel Online (2013), bei der Umfrage „Journalismus 2020“ des Berliner Think Tanks „Stiftung neue Verantwortung“ und des Beratungsunternehmens IFOK (2011) sowie bei der Konferenz „Journalism 2020“ vom Medienhaus Wien (2010). Um nur einige zu nennen.

Nun ist also im Jahr 2016 „Universalcode 2020“ von Christian Jakubetz erschienen. Es gebe gute Gründe, warum es diesen Titel trage, schreibt der Medienberater: „Weil es unsinnig ist zu glauben, man könne ernsthaft Prognosen abgeben, die über einen Zeitraum weniger Jahre hinausgehen.“

2008 hat Jakubetz das Buch „Crossmedia“ herausgegeben, 2011 in Zusammenarbeit mit Ulrike Langer und Ralf Hohlfeld „Universalcode“ (ohne 2020). Beide Bücher beleuchteten den Journalismus im digitalen Zeitalter, den Wandel des Berufsbilds, crossmediales Arbeiten und multimediales Geschichtenerzählen. Seitdem habe sich so viel getan, dass es mit einem Update der Bücher nicht getan sei, schreibt Jakubetz in seinem Blog. So sei vor acht Jahren „die Spezies der Online-Journalisten“ immer noch eine gewesen, „der der Ruch anhing, irgendwie nicht vollwertig zu sein“. Wer aber heute mit digitalem Handwerkszeug nicht umgehen könne, der könne auch seinen Beruf nicht wirklich ausüben.

„Universalcode 2020“ besteht aus zwei Teilen. Zum einen werden die wichtigsten Trends und Entwicklungen zusammengefasst und analysiert, zum anderen werden viele sehr praxisnahe Tipps für Journalisten im digitalen Zeitalter gegeben. In einem Kapitel beschreibt Jakubetz, was beachtet werden müsse, wenn fürs Lesen, Hören sowie fürs Sehen und Hören getextet werden sollte, denn „Journalisten müssen mittlerweile wissen, auf welchem Kanal sie texten“. In weiteren Kapiteln gibt er Tipps, wie man Videos dreht, Audios erstellt und gute Fotos macht, inklusive Ratschlägen zu technischem Equipment und Software. Weiterhin geht Jakubetz im praktischen Teil auf Usability, Messgrößen, Arbeitsabläufe und Distribution ein.

In einigen Kapiteln sind Sätze in Textmarker-Optik hervorgehoben, die den eiligen Leser wohl auf Prägnantes aufmerksam machen sollen. Dies ist einerseits sehr praktisch, andererseits lässt es die Frage aufkommen, ob in den Kapiteln, in denen nicht mit diesem Stilmittel gearbeitet wird, nichts Prägnantes steht – beziehungsweise, ob der markierte Text wirklich so eine prägnante Stelle ist. So ist die Feststellung „Wer einfach nach draußen geht [als digitaler Journalist], einen Rucksack voller Equipment, aber keine Idee, kein Konzept für seine Geschichte in der Tasche hat, wird zuverlässig scheitern“ nicht neu.

Nach den praktischen Tipps folgt auf etwa 30 Seiten der Ausblick ins Jahr 2020 – der zu Teilen allerdings eher den Status Quo des Jahres 2016 beleuchtet und sich inhaltlich stellenweise mit der Einführung des Buches deckt. Nachdem Jakubetz mehr oder weniger den Ist-Zustand von Blogs, sozialen Netzwerken und Datenjournalismus beleuchtet, führt er die drei wichtigsten Veränderungen auf, die seiner Ansicht nach bis 2020 eintreffen werden. Erstens werde die Bedeutung linearer Programme bzw. linear strukturierter Medien zunehmend sinken. Immer mehr Konsumenten würden sich ihre Programme und Inhalte selbst zusammenstellen, sei es im Fernsehen, bei Online-Medien oder in den sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter.

Zweitens würden sich die Position von Journalisten sowie das Verhältnis von Journalisten und Konsumenten zueinander radikal verändern, schreibt Jakubetz im Futur, geht dann aber auch hier wieder auf den Ist-Zustand ein: Um zu wissen, was geschehen ist, müsse man am nächsten Tag nicht mehr die Zeitung lesen. Wenn es andere „besser, relevanter, schneller oder was auch immer“ machen, bekämen sie diese Aufmerksamkeit.

Und drittens: „Wir werden immer mobiler“. Es sei keine gewagte Prognose, dass die Mediennutzung via mobiles Endgerät der Standard und alle anderen Nutzungen 2020 eher der Nische angehören würden, schreibt Jakubetz. Wie diese mobilen Endgeräte aussehen würden, wisse man noch nicht, dass es aber bei den bisher gängigen Smartphones bleiben und die Menschen weitgehend lesend vor ihrem Endgerät sitzen würden, dürfe man bezweifeln. Zudem werden seiner Ansicht nach Themen wie Sprachsteuerung, Personalisierung und lernende Software immer bedeutender. Hier scheint Jakubetz dann doch für einen größeren Zeitraum eine Prognose zu treffen, denn plötzlich ist nicht mehr von 2020 die Rede, sondern von den „nächsten zehn Jahren“.

Sehr unvermittelt folgt ein Kapitel externer Autoren. Thomas Hinrichs, Christian Dauber und Silvia Renauer von der Informationsdirektion des Bayerischen Rundfunks schildern, wie sich der Sender der Herausforderung des digitalen Wandels in einem „mehrstufigen, medienübergreifend ausgerichteten Veränderungsprozess“ stellt. Dazu gehören die Präsenz auf sozialen Netzwerken, Transparenz, neue nicht-lineare Video-Plattformen und anspruchsvolle Recherche, die vor allem von den neuen Einheiten „BR Recherche und BR Data“ umgesetzt werden soll. Viele Details geben die Autoren leider nicht preis. Und es bleibt offen, warum gerade der BR zu Jakubetz‘ Buch beigetragen hat und es keine Fallbeispiele anderer Medienunternehmen enthält.

Im Anhang formuliert Jakubetz auf knapp einer Seite Ansprüche an eine gute Journalistenausbildung. Dass die digitale Ausrichtung für ihn ein „gewichtiges Kriterium“ darstellt, ist keine große Überraschung.  Als „eher unerfreulich“ bezeichnet er deshalb auch die Perspektiven in Sachen Ausbildung beim Volontariat in der Tageszeitung, das jahrzehntelang den klassischen Weg in den Journalismus darstellte. In vielen Online-Redaktionen von Tageszeitungen sei es, so Jakubetz „immer noch die wichtigste Aufgabe via Copy & Paste ein CMS zum Durchlauferhitzer für Agenturmeldungen zu machen“. Er gebe zu, dass in den vergangenen Jahren manches besser geworden sei, trotzdem sei „vieles immer noch nicht so, wie es angesichts der Bedeutung des Themas sein müsste“ – dies treffe auch „sehr häufig“ für die Medien-Studiengänge an deutschen Universitäten und Hochschulen zu.

Diese klammert er dann auf den folgenden Seiten auch aus und führt nur Journalistenschulen und Akademien als Ausbildungsstätten auf. Ein Blick von Jakubetz in die Lehrpläne des ein oder anderen Journalistik- oder Medienstudiengangs an Universitäten oder Hochschulen, in denen durchaus digitaler Journalismus und datenjournalistische Projekte auf dem Stundenplan stehen, hätte nicht geschadet.

Vor allem vom praktischen Teil des Buchs werden aber mit Sicherheit viele Journalisten profitieren – nicht jene, die den digitalen Wandel des Journalismus seit Jahren mitgestalten, aber die, die neu in den Beruf einsteigen und die, die schon lange im Beruf sind und noch Berührungsängste mit dem Digitalen haben.

Das Buch „Universalcode 2020″ wurde dem EJO vom UVK-Verlag zur Rezension zur Verfügung gestellt.

Bildquelle: UVK-Verlag

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