Erstveröffentlichung: Neue Zürcher Zeitung
Zeitungen galten lange als die Schule des Journalismus schlechthin.
Berufsanfänger lernen präzises, verständliches und lesbares Schreiben wohl noch immer besonders gründlich in der Redaktion eines Pressetitels. Jungen Leuten, die mit der Mattscheibe als Babysitter und später mit Natel, Internet und iPod aufgewachsen sind, mögen Tageszeitungen heute zwar als Dinosaurier der Medienwelt erscheinen. Doch wer genauer beobachtet, wird merken, wie sehr sich die Zeitungen in den letzten Jahren verjüngt und verändert haben.
Weil sie in der Konkurrenz um Aktualität weder mit dem Internet noch mit Radio und Fernsehen mithalten können, sind sie dabei einem anderen erfolgreichen Medium immer ähnlicher geworden, das sie in puncto Schnelligkeit ausstechen können: der Zeitschrift. Schon deshalb ist es nachvollziehbar, wenn der Mainzer Journalistik-Professor und vormalige Chefredaktor der «Wirtschaftswoche», Volker Wolff, sein Lehrbuch dem Zeitungs- und Zeitschriftenjournalismus widmet.
Der Bogen ist damit allerdings sehr weit gespannt: vom Gratis- und vom Boulevardblatt, wie sie für jedermann gemacht werden, bis hin zur Fachzeitschrift, die sich in einem Spezialbereich an Profis wendet. Überdehnt ist dennoch nichts – eben weil Zeitungen immer magazinähnlicher geworden sind und sich dies nicht nur «auf die Entdeckung der Grafiken durch die Zeitungsredaktionen erstreckt», sondern auch «Darstellungsformen, Farbeinsatz, Überschriften, Bildauswahl, Seitengestaltung und Servicethemen betrifft».
Wolff legt den Schwerpunkt aufs Handwerk: Konzentrieren sich die meisten Journalismus- Einführungen auf die vier Grund-Textgattungen Nachricht, Reportage, Kommentar und Interview, so differenziert er die Genres weiter und befasst sich zudem ausführlich mit Illustrationsformen und Layout.
Im Gegensatz zu manch drögen Autoren, die im Universitätsbetrieb beheimatet sind, ist Wolff mit Leib und Seele Journalist geblieben. Positiv macht sich das beim Schreibstil bemerkbar. Nicht ganz so erfreulich ist die Bilanz, wenn man sich fragt, was zu kurz kommt oder gänzlich fehlt: Nachrichtenauswahl, Recherche, Berufsethik werden nur angerissen, Fragen des Redaktionsmanagements, des redaktionellen Marketings, des Medienrechts bleiben ebenso unbesprochen wie Einblicke in verschiedene Ressorts und Arbeitssituationen.
Da immer mehr Presse- und Internet-Redaktionen verschmolzen werden, wäre wohl auch ein Kapitel über die Online-Auftritte der Presse nützlich gewesen. Und: Von einem Lehrstuhlinhaber wünscht man sich, dass er wissenschaftliche Erkenntnisse stärker ins Buch einfliessen lässt, statt sie überwiegend in Form von Literaturhinweisen zu referieren. Gleichwohl: Wolffs Text und Tipps sind didaktisch gut aufbereitet und mit vielen einleuchtenden Beispielen unterlegt. Wer für Pressetitel schreiben und illustrieren lernen will, ist in Wolffs Obhut gut aufgehoben.
Volker Wolff: Abc des Zeitungs- und Zeitschriftenjournalismus. UVK, Konstanz 2006.
Schlagwörter:Journalismusausbildung