Unwiderstehlich?! Frauen und der Journalistenberuf

18. September 2013 • Ausbildung • von

Seit den 1990ern liegt der Frauenanteil bei Bewerbungen um journalistische Ausbildungsplätze in Hochschulen, Journalistenschulen und um Volontariate in Medienunternehmen vielerorts über dem der Männer.

Die Ausbildungsmöglichkeiten für Journalisten und Journalistinnen werden immer zahlreicher: neue Studiengänge, studienbegleitende Förderprogramme oder Journalistenschulen sind in den letzten Jahrzehnten vielerorts gegründet worden. Vor allem Frauen bewerben sich dafür. Doch worin besteht die Anziehungskraft des Journalistenberufs auf junge Frauen? Welche gesellschaftlichen Veränderungen haben dazu beigetragen, die einstige Männerdomäne für Frauen zu öffnen? Und wie unterscheiden sich heute die Berufswahlmotive von Frauen und Männern? Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede? Welche Rolle spielen Vereinbarkeit von Beruf und Familie, monetäre Anreize, Prestige oder der Wunsch, Einfluss zu nehmen, bei der Berufswahl und inwiefern ist das journalistische Selbstverständnis hierbei von Bedeutung?

Diesen Fragen ging Katalin Valeš in ihrer Diplomarbeit im Studiengang Journalistik am Institut für Journalistik an der Technischen Universität Dortmund nach. Angeregt und gefördert wurde diese Studie von der Aus- und Fortbildungsredaktion des Westdeutschen Rundfunks (WDR), wo sich seit Jahren doppelt soviele Frauen wie Männer um einen Volontariatsplatz bewerben.

Immer mehr Frauen streben in den Journalismus

Lange war der Journalismus eine Domäne der Männer. Wer als Frau in diesem Beruf arbeiten wollte, tat dies in der Bundesrepublik der Nachkriegszeit mitunter unter männlichem Pseudonym. Frauen in Redaktionen galten hier als Exotinnen – im Gegensatz zu ihren Geschlechtsgenossinnen, die in der DDR in diesem Berufsfeld tätig waren Erst im Zuge der Frauenbewegung der 1970er Jahre,  strukturellen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, die mit einem veränderten Verständnis von Frauenerwerbstätigkeit und der Ausdifferenzierung des Mediensystems in Deutschland einhergingen, kamen mehr und mehr Frauen in die Redaktionen der Bundesrepublik.

Heute sind Journalistinnen in Deutschland eine Selbstverständlichkeit und ihre Eignung und Qualifikation werden nicht mehr in Frage gestellt – weder von Kollegen noch von Rezipienten. Dennoch zeigen einschlägige Studien, dass Frauen selbst heute noch sowohl horizontal als auch vertikal benachteiligt werden – etwa wenn es um Führungspositionen, Bezahlung oder Vereinbarkeit mit Beruf und Familie geht. Angehende Journalistinnen schreckt dies jedoch nicht ab.

Die wichtigsten Berufswahlmotive angehender Journalistinnen

Ein zentrales Hauptergebnis der Untersuchung besteht darin, dass angehende Journalistinnen bei ihrer Berufswahl vor allem intrinsisch motiviert, ‚ich-orientiert‘ und erlebnisorientiert sind. Selbstverwirklichung, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sowie Neugier und der Wunsch nach Abwechslung stehen in Verbindung mit der Aussicht, journalistische Tätigkeiten ausführen zu können, an oberster Stelle der Berufswahlmotive. 100 Prozent der angehenden Journalistinnen versprechen sich zudem von ihrer Berufswahl, interessante Menschen kennenzulernen, Spaß zu haben und Erfüllung zu finden.

99 Prozent möchten sich mit immer neuen Themen beschäftigen. 98 Prozent wählten diesen Beruf, um eigene Texte zu verfassen, ein Leben lang dazuzulernen, Einblicke in andere Lebenswelten zu bekommen und mehrere Interessengebiete miteinander zu verknüpfen. Die Konzepte des journalistischen Selbstverständnisses sowie Berufsethos sind bei der Berufswahl nur bedingt von Bedeutung, wenn es um Macht und Einfluss geht, jedoch stark ausgeprägt, wenn es um die Rezipienten geht. So spielen Leserschaft und Rezipienten in den freien Antworten nach ihren Berufswahlmotiven bei vielen eine wichtige Rolle und werden explizit benannt.

Grafik_Berufswahlmotive

Für eine größere Darstellung bitte auf die Grafik klicken.
Quelle: Katalin Valeš

In den vorgegebenen Antwortmöglichkeiten stimmen fast alle der Befragten dem Berufswahlmotiv zu, verschiedene Perspektiven aufzeigen zu wollen. Ebenso wichtig ist der Wunsch, komplexe Sachverhalte zu vermitteln – 91 Prozent Zustimmung fand dieser Aspekt bei den befragten Frauen und Männern. Fast genauso wichtig für die Berufswahl ist der Wunsch über Missstände und Skandale zu informieren und aufzuklären.

Allerdings scheinen die rezipientenorientierten Beweggründe nicht zielgerichtet zu sein. Nur zehn Prozent gaben an, dass es bei der Berufswahl darum ging, politische Entscheidungsträger kontrollieren zu können.  Finanzielle Anreize, feministische Beweggründe sowie der Wunsch, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren, haben eher keinen Einfluss auf die Berufswahl angehender Journalistinnen.

Unterschiedliche Berufswahlmotive von Frauen und Männern

Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Studie ist die Tatsache, dass keine wesentlichen geschlechtsspezifischen Unterschiede bei den Motiven der Berufswahlentscheidung nachweisbar sind. Das Antwortverhalten von Frauen und Männern  war nahezu identisch. Völlig konträr laufende Motive entlang der Geschlechterlinienkonnten nicht ermittelt werden. Dort, wo Unterschiede dennoch dokumentiert wurden, bewegen sich diese im Bereich extrinsischer Motive. Diese sind bei Frauen weniger stark ausgeprägt als bei Männern. Zudem fällt auf: Generell ist die Berufstätigkeit für Frauen etwas wichtiger als für Männer – während 68 Prozent der Frauen angeben, dass ihnen Berufstätigkeit sehr wichtig ist, sind es bei den Männern mit 58 Prozent zehn Prozent weniger.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Frauen scheinbar ein anderes Verständnis von „Karriere“ haben. So gaben 12 Prozent mehr Frauen als Männer an, dass die Aussicht „Karriere machen zu wollen“ Einfluss auf ihre Berufswahl hatte. Allerdings waren in der direkten Befragung nach der späteren Wunschposition Frauen etwas seltener als Männer tatsächlich an hierarchischen Führungspositionen interessiert.

Knapp ein Drittel der Frauen gab an, dass das Bedürfnis im Mittelpunkt zu stehen, Einfluss auf die Berufswahl hatte – bei den Männern war es dagegen fast die Hälfte. Auch der Wunsch, den eigenen Namen in der Zeitung zu lesen, die eigene Stimme im Radio zu hören oder im Fernsehen zu sehen zu sein, spielte für deutlich weniger Frauen als Männer eine Rolle. Für Frauen ist es auch nicht so wichtig, was andere von ihnen denken. Bei der Wahl des Journalistenberufs war es nur halb so vielen Frauen wie Männern wichtig, von anderen für intelligent gehalten zu werden. Ebenfalls kam es zu unterschiedlichen Antwortverhalten beim Thema „Macht und Einfluss“: Während nur 44 Prozent der Frauen sich für den Beruf entschieden, um ihre eigenen Ansichten und Meinungen vertreten zu können, war dies bei zwei Drittel der Männer der Fall.

Unrealistische Vorstellungen bei Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Junge Frauen starten mit viel Enthusiasmus in den Beruf. Allerdings gibt es einen Zeitpunkt, der wie ein Nadelöhr wirkt und ab dem Journalistinnen wenige Jahre nach Berufseintritt  für immer verschwinden. 76 Prozent wünschen sich später Kinder. Gleichzeitig sind nur fünf Prozent davon überzeugt, dass sich Beruf und Familie im Journalismus gut vereinbaren lassen. Bei der Berufswahl spielt dieses Kriterium allerdings so gut wie keine Rolle. Was bedeutet das für die Medienunternehmen? Wie kann ein familienfreundliches Arbeitsumfeld geschaffen werden? Das sind Fragen, mit denen sich Medienunternehmen über kurz oder lang auseinander setzen müssen.

Wissenschaftliche Methode

Die Untersuchung erfolgte im Wintersemester 2012/2013. Der Onlinefragebogen stand im Januar 2013 für 18 Tage online und erreichte 259 Frauen und Männer. Die Befragen befanden sich in den verschiedensten journalistischen Ausbildungsformen – 67 Prozent waren weiblich, 33 Prozent männlich. Diese Geschlechterverteilung spiegelt die derzeitige Situation in der journalistischen Ausbildung wider.

Neben vorgegebenen Antwortmöglichkeiten hatten die Befragten an mehreren Stellen die Möglichkeit zur offenen Texteingabe. Der Hauptstudie war eine Vorstudie vorgeschaltet: Besucher von zwei Berufseinstiegsmessen sowie Studierende des Instituts für Journalistik an der TU Dortmund  wurden im Herbst 2012 gebeten, die offenen Fragen des Fragebogens zu beantworten. Auf diese Weise wurden die bereits etwas veralteten Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Literatur zu diesem Thema mit neuen ergänzt, um so blinde Flecken innerhalb der vorgegebenen Fragen im Erhebungsinstrument zu vermeiden.

Literatur

BALDES, INGRID (1984): Journalistin ein Traumberuf? Seminar für Publizistikwissenschaften der Universität Zürich. Diskussionspunkt 9. Unter Mitarbeit von Leitung: Prof. Dr. Ulrich Saxer. Zürich: Saxer.

BECKER VON, BABARA (1980A): Die Geschichte der Frau im Journalismus. Ein historischer Abriss von den Anfängen bis zur Gegenwart. Frankfurt.

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DEUTSCHER JOURNALISTEN-VERBAND (2012B): DJV für Frauenquote im Journalismus. Unter Mitarbeit von Saskia Brauer. Hrsg. v. DJV. Online verfügbar unter http://www.djv.de/startseite/service/news-kalender/aktuelles/article/325.html zuletzt geprüft am 24.08.2012.

HELLBERG, BERNT-MICHAEL (2005): Entscheidungsfindung bei der Berufswahl. Prozessmodell der Emotionen und Kognitionen. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag.

HOLLAND, JOHN L. (1997): Making Vocational Choices. A Theory of Vocational Personalities and Work Environments.3. Auflage. Odessa, Florida: Psychological Assessment Recources, Inc.

HOLTZ-BACHA, CHRISTINA (1995B): Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern in den Medien. In: Romy Fröhlich, Christina Holtz-Bacha und Jutta Velte (Hrsg.): Frauen und Medien. Eine Synopse der deutschen Forschung. Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 41-70.

NEVERLA, IRENE; KANZLEITER, GERDA (1984): Journalistinnen. Frauen in einem Männerberuf. Frankfurt a.M /New York: Campusverlag.; Campus.

SALIN, SARAH (2011): Neuer Journalismus? Der Frauenanteil in der Medienbranche wächst. In: epdmedien(6), S. 4-7.

SPLICHAL, SLAVKO; SPARKS, COLIN (1994): Journalists for the 21st Century: Tendencies of Professionalization Among First-Year Students in 22 Countries (Communication and Information Science)

 

Bildquelle: Wikimedia Commons

 

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