Die Bedingungen, unter denen Journalismus zustande kommt, verändern sich rasant. Reichen die klassischen journalistischen Kompetenzen da noch aus?
Nein, kommt eine Masterarbeit zum Schluss und präsentiert ein praxisnahes Set zusätzlicher Kompetenzen. Damit guter Journalismus auch in Zukunft noch möglich ist.
Der Journalismus ist unter Druck: Verändertes Mediennutzungsverhalten, neue Technologien sowie wirtschaftlicher Druck schränken die Möglichkeiten der Medienschaffenden, gute Arbeit leisten zu können, mehr und mehr ein. Diese Veränderungen in der Umwelt des Journalismus – so die These, die dieser Arbeit zugrunde liegt – führen dazu, dass die klassischen Kompetenzen wie Recherchieren, Selektieren und Präsentieren nicht mehr ausreichen. Journalistinnen und Journalisten müssen über erweiterte Kompetenzen verfügen, wollen sie auch in der Zukunft noch in der Lage sein, ihre eigentliche Aufgabe zu erfüllen: die Öffentlichkeit mit Informationen und das Publikum mit Unterhaltung zu versorgen.
Die Arbeit hat zwei Ziele:
1. Ein die bisher anerkannten journalistischen Kompetenzen (z.B. der Tartu-Deklaration) ergänzendes Set von Kompetenzen zu formulieren («Journalism reloaded»), mit denen Journalistinnen und Journalisten auch unter steigendem Druck guten Journalismus machen können.
2. Eine neue (für die Praxis einfachere) Darstellungsform von Kompetenzen zu entwickeln. Die Kompetenzen sind in der vorliegenden Arbeit neu aufgeschlüsselt und kategorisiert worden: in „Wollen“ (Haltung), „Können“ (intellektuelle Fähigkeit und handwerkliche Fertigkeit) sowie „Wissen“ (inhaltlicher und fachlicher Art).
Statt Akteure und Expertinnen zu befragen, untersuchte die Autorin Einflussfaktoren, die auf den Journalismus wirken und die Möglichkeit der Medienschaffenden beeinflussen, gute Arbeit zu liefern. Aus den Erkenntnissen dieser Analyse in den Bereichen Technologie, Gesellschaft/Nutzerinnen und Nutzer sowie Wirtschaft hat sie 44 zusätzliche Kompetenzen abgeleitet und in der von ihr entwickelten Matrix dargestellt.
Mit ihrer Arbeit hofft die Autorin, die als Studienleiterin am maz, der Schweizer Journalistenschule arbeitet, praxisbezogene und leicht erschließbare Impulse für die Ausarbeitung von Bildungsangeboten im journalistischen Bereich geben zu können. Dies aus ihrer Überzeugung heraus, dass die Aus- und Weiterbildung von Medienschaffenden in Zeiten des Umbruchs einen entscheidenden Erfolgsfaktor darstellt: Vielleicht nicht unbedingt für die Zeitung von heute. Aber auf jeden Fall für das Medium von morgen.
Die Masterarbeit (hier zum Downlad als pdf ) von Alexandra Stark ist im Oktober 2010 im Studiengang New Media Journalism an der Universität Leipzig/in Zusammenarbeit unter anderem mit dem maz entstanden. Die Autorin (alexandra.stark(at)maz.ch) freut sich auf Feedback!
Schlagwörter:Journalism reloaded, Journalismus, Journalistische Kompetenzen, maz, Neue Technologien, New Media Journalism, Tartu-Deklaration, Zukunft des Journalismus
Wirklich spannend, liebe Frau Stark, vor allem die Idee, diese Entwicklung auch zu visualisieren (alt und neu). Diese (hier noch auf vergleichsweise generischer Ebene durchgespielte) Idee könnte man ja mal für einzelne Bereiche um Tiefenbohrungen ergänzen. Wir selbst bauen solche Roadmaps gerade im Zuge unserer Delphi-Studie speziell für den Wissenschaftsjournalismus >> http://wk-trend.de – vielleicht haben Sie ja Interesse, daran mitzuwirken? Oder zumindest mitzudiskutieren — Debatte im Blog: http://www.scienceblogs.de/sic
Zwar habe ich Ihre 90 Seiten gerade erst quergelesen, aber was ich nicht auf Anhieb gefunden habe und wirklich vermisse, ist der Bereich Data-driven journalism. Ist das nicht sogar DIE Differenzierungsmöglichkeit schlechthin für künftige Journalisten gegenüber Bloggern etc. – und zwar sowohl was Themenfindung und (investigativere) Recherche anbelangt als auch Distribution und neue Formate (interaktive Infografiken etc.). Einige Ideen hierzu jüngst von der TELI-Jahrestagung >> http://slidesha.re/byWi2l
Würde mich freuen, wenn wir uns dazu bei Gelegenheit austauschen könnten.
Übrigens: Die These der „Beschleunigung“ in Diffusionsprozessen neuer Technologien (Ihre Grafik Seite 32) wird zwar oft und gerne wiederholt, ist aber alles andere als unumstritten. Ein echter „eye opener“ dazu war ja schon Seidenstickers „Future Hype“ vor 5 Jahren. Vielleicht ein Lesetipp für die Feiertage… 😉
Danke für das Posting und verschneite Grüße aus Berlin!
Lieber Herr Gerber
Vielen Dank für Ihren Kommentar. Tiefenbohrungen finde ich immer gut (dafür hat mir leider die Zeit nicht gereicht). Auf den data driven Journalism bin ich nicht gesondert eingegangen, weil ich auf einer abstrakteren Ebene (neue technologische Entwicklungen für den Journalismus nutzbar machen) bleiben wollte, aber vielleicht habe ich da tatsächlich einen Denkfehler gemacht. Ich denk mal darüber nach ;-)) Gerne schaue ich mir Ihre Seiten an und melde mich bei Ihnen im neuen Jahr, OK? Herzlicher Gruss aus Zürich, Alexandra Stark