In Deutschland drehte sich in den vergangenen Monaten die Berichterstattung hauptsächlich um das Thema Flüchtlinge. Dass auch viele afrikanische Länder Flüchtlingskrisen zu bewältigen haben, bleibt von den Medien nahezu unbeachtet – sowohl in Europa als auch in Afrika. Auch die Berichterstattung über die politischen und wirtschaftlichen Problematiken, die die Fluchtursachen auslösen, könnte ausgewogener sein. Ein Blick auf die mediale Thematisierung der Flüchtlinge aus Afrika.
Neun von zehn Flüchtlingen leben laut UNO-Flüchtlingshilfe in Entwicklungsländern, da die meisten Flüchtlinge lediglich in ein angrenzendes Nachbarland fliehen. So leben beispielsweise in Ätophien laut Zahlen aus dem Jahr 2014 659.500 Flüchtlinge, hauptsächlich aus dem Südsudan, Eritrea und Somalia.Das Land zählt zu den sechs größten Aufnahmeländern von Migranten weltweit und ist aktuell das größte Flüchtlingsaufnahmeland in Afrika südlich der Sahara.
„Wir leben mit diesem Migrationsproblem, doch in unseren Medien wird es nicht als solches behandelt“, sagt Mathewos Tadesse, Professor an der Fakultät für Journalistik der Universität von Addis Abeba in Äthiopien. „Wir sind Opfer des Immigrations- und Emigrationsprozesses.“ Dafür, dass diese jahrelang andauernden Flüchtlingskrisen nicht in den Medien thematisiert werden, ist aber nicht einfach ein fehlendes Interesse als Grund auszumachen. „Wir versuchen über die Flüchtlingsthematik und Ost-Afrika zu berichten, aber die Medien haben keine Auslandskorrespondenten“, erklärt Journalismuswissenschaftler Michael Andindilile von der Universität Dar es Salaam in Tansania.
Um am Ort des Geschehens, auch in den Flüchtlingslagern im eigenen Land, sein zu können, brauche man eben Geld, ergänzt Mathewos Tadesse. So bliebe die Berichterstattung vieler afrikanischer Medien eher lokal. „Für internationale Nachrichten fehlen die Ressourcen“, sagt auch Adolf Mbaine von der Makerere Universität in Uganda. Sein Heimatland liegt auf Platz neun der größten Aufnahmeländer von Migranten. In Ghana und Kamerun wird zwar international berichtet, aber Timothy Quashigah vom Ghana Institute of Journalism und Etienne Fopa-Simo von der Universität Yaoundé II merken an: „ Die internationalen Nachrichten stammen von BBC und werden in unsere Medien nur integriert. Für eine eigene Auslandsberichterstattung fehlt es bei uns an einer entsprechenden Ausbildung der Journalisten.“
„Die Medien in Europa machen es sich zu leicht.“
Wenn europäische Medien über den aktuellen Flüchtlingsstrom nach Europa berichten, sind die Mittel und Zugänge im Vergleich zu ihren afrikanischen Kollegen weniger ein Problem. Eine Analyse des EJOs zeigt, dass es thematisch dabei vor allem um die einzelnen Schicksale der Flüchtlinge, die Auswirkungen der Zuwanderung auf das Inland und die Flüchtlingspolitik in der Europäischen Union geht. Eine internationale Kontextualisierung oder gar eine tiefergehende Ursachenergründung des Migrantenzustroms mit Blick auf deren Herkunftsländer bleibt zumeist aus. Die Zahlen der deutschen Medien bei der EJO-Analyse zeigen: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte in den gewählten Untersuchungszeiträumen (insgesamt 15 Tage) 172 Artikel zum Thema Flüchtlinge, aber nur sieben mit internationalem Bezug. Bei der taz waren es 12 von 178 Beiträgen. Eric Chinje, Präsident der African Media Initiative, kritisiert: „Die Medien in Europa machen es sich zu leicht. Die Flüchtlingswelle wird mit Hunger und Krieg erklärt. Dabei liegen die Ursachen viel tiefer – korrupte Regierungen, internationale Multis, die die Rohstoffe der afrikanischen Länder ausbeuten, und die globale Waffenindustrie tragen massive Mitverantwortung für die gegenwärtige Krise. Dies muss der internationalen Öffentlichkeit bewusst werden – erst dann entsteht der nötige Druck für Veränderungen.“
Solange sich nichts verändert, ist Deutschland ein Versprechen auf Wohlstand. Ein Bild, welches auch durch die Medien der afrikanischen Bevölkerung vermittelt wird. „Ich wusste als junger Erwachsener lange nicht, dass man Afrika woanders für arm hält“, erklärt Eric Chinje. Erst durch seinen beruflichen Weg ins Ausland zur Weltbank 1992 sei ihm dies bewusst geworden. Heute übernehmen Medien das. Ob soziale Medien oder Plattformen wie Youtube – Bilder aus Europa kommen bei Menschen in Afrika an und zeigen den Menschen, welche vermeintlichen Möglichkeiten es woanders auf der Welt gibt. Nino Klingler vom Auswärtigen Amt stellt fest: „Menschen, die sich auf den Weg nach Europa machen, haben bereits eine Idee was Europa ist.“
Neue Initiative
An dieser Stelle setzt eine neue Initiative an: Susanne Fengler, Leiterin des Erich-Brost-Instituts für internationalen Journalismus der TU Dortmund, Veye Tatah, Vorsitzende von Africa Positive e.V., und Markus Behmer vom Institut für Kommunikationswissenschaften der Universität Bamberg planen im Rahmen des vom Auswärtigen Amt geförderten Projekts „Journalism in a Global Context“ eine Plattform, die künftig afrikanische und deutsche Journalisten miteinander vernetzt. Bestreben des Projekts ist es, die eurozentrische Afrika-Berichterstattung auszubalancieren. Zudem soll die medial einseitige Darstellung des „Westens“ in Afrika dadurch differenzierter werden.
Gemeinsam mit internationalen Partnern soll ein interkultureller Austausch zwischen Journalistikstudierenden deutscher und afrikanischer Hochschulen ermöglicht werden. In diesem Zusammenhang waren auch die Medienforscher aus Äthiopien, Kenia, Tansania, Ghana, Kamerun und Uganda bei der Konferenz „Media and Migration: Perspectives from Africa – Challenges for Europe“ Ende Oktober im Erich-Brost-Institut in Dortmund zusammen gekommen und hatten über ihre Ansichten zum Thema „Flüchtlinge und Medien“ gesprochen.
Bildquelle: Photo Unit / Flickr Cc
Schlagwörter:Afrika, Eric Chinje, Europa, Flüchtlinge, Flüchtlingskrise, Journalism in a Global Context
Nicht nur die Flüchtlinge in der “Dritten Welt” sind der hiesigen Presse (und uns?) ziemlich egal, auch die zig Ermordeten. Wenn hier bei uns wegen hundert Ermordeter in einer westeuropäischen Stadt sogar das TV-Programm geändert wírd (von den blutgeilen Gazettenberichten ganz zu schweigen), geht das Morden in Asien oder Afrika “fleißig” weiter, oft sogar von “uns” unterstützt (US-Drohnen) oder unserer Beteiligung (Bundeswehr, NATO). Allein von unseren “Freunden” sind inzwischen in einigen illegalen Kriegen (also: Überfällen) Millionen ermordet worden. Aber das waren ja “nur” — wie sagen die Amis? = “sand nigger”.