In dem kürzlich erschienenen Sammelband „Die Idee des Mediums. Reden zur Zukunft des Journalismus“ sind elf Beiträge von Medienvertretern, wie sie die Zukunft ihrer Branche sehen, versammelt. Sie plädieren alle dafür, dass die Journalisten selber handeln müssen, damit es mit ihrer Zunft nicht den Bach herunter geht. Eine Rezension.
Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen und SWR-Studio-Chef Andreas Narr haben im Rahmen der Tübinger Mediendozentur eine Vortragsreihe organisiert, in der renommierte Praktiker des Journalismus ihre Einschätzung zur Zukunft des Journalismus Studierenden mit auf den Weg geben. In dem Sammelband ist nun nachzulesen, was Ulrich Deppendorf, Mathias Döpfner, Hans Leyendecker, Giovanni di Lorenzo, Miriam Meckel, Frank Schirrmacher, Cordt Schnibben, Alice Schwarzer und Roger Willemsen jungen Journalisten im Umgang mit Digitalisierung, Leserschwund und Massenkult raten.
Die digitale Revolution
Als grundsätzliches Problem macht das Gros der Redner die vermeintlich falsche Reaktion der Journalisten auf die digitale Revolution aus. Bernhard Pörksen warnt in seinen einleitenden Worten vor einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung vom Ende der Zeitung und fordert einen Perspektivenwechsel des Journalismus. Auch Mathias Döpfner macht den „Abschied vom Pessimismus“ zum Thema seines Beitrag. Um positives Denken wird also gebeten.
Zu Recht fragt Döpfner aber auch „Werden Technologie-Unternehmen wie Google, Apple, Amazon oder Facebook die neuen Inhalts-Distributoren?“ und was dann mit der Meinungsvielfalt passiere. Eine Sorge, die auch der 2014 verstorbene FAZ-Feuilletonchef Frank Schirrmacher benennt. Unternehmen könnten zukünftig über Existenz oder Nicht-Existenz von Informationen entscheiden. Für ihn ist„[d]ie Industrialisierung geistiger Arbeit […] eine Folge der digitalen Revolution […]“ und somit eine geistige Revolution. Auch Miriam Meckel glaubt, dass automatisierter Journalismus Einzug in der Branche erhalten und den Journalisten stellenweise ersetzen wird. Pösken sieht das Positive in dieser Entwicklung: Die „rasante Entbündelung und permanente Transformation“ ist eine „gute Nachricht für Leserinnen und Leser, die sich ihre Privatzeitung“ zusammenstellen wollen.
Leser zum Bezahlen bewegen
Denn daraus erwächst der Ansatz zur Lösung. Was Journalisten unbedingt machen sollten: Den Rezipienten Orientierung geben (Mathias Döpfner, Andreas Nur, Miriam Meckel) oder den öffentlichen Diskurs sortieren, wie es Giovanni di Lorenzo nennt. Journalismus sollte Haltung zeigen (Hans Leyendecker, Miriam Meckel, Alice Schwarzer) und sich daneben durch gute Recherche, als thematischer Brückenbauer für soziale Gruppen und dem Erzählen von Geschichten auszeichnen (Miriam Meckel). Zudem sollten Journalisten das Profil ihres Mediums schärfen, Ungewohntes liefern, die Vorteile des neuen digitalen Journalismus praktizieren, auf das konzentrieren, was sie besser können als ihre Konkurrenz sowie als Journalisten selber als Marke agieren (Cord Schnibben). So sei ein Umdenken bei den Rezipienten zu erreichen, dass sie auch für digitale Nachrichten bezahlen.
Dazu mehr Qualität
Mit dem moralischen Kompass statt einem ständig urteilenden Richterstab sieht Giovanni di Lorenzo auch ein Gegenmittel zum – zu – kritischen Denken, welches zur allgemeinen medialen Marotte geworden sei („Hang zum Gleichklang“). Das ständige Ausreizen des Erregungspotentials durch die „moderne Auflage eines mittelalterlichen Prangers“ werde durch den Echtzeitjournalismus im Netz schließlich noch verschärft. Dieser entfesselten Skandalisierung im Netz sollte kein „Wut-Journalismus“, sondern Haltung entgegen gesetzt werden (Hans Leyendecker). „Eher auf eigene Recherchen und Beurteilungen verlassen“ und der „Reflexion über politische Prozesse mehr Zeit einräumen“, ist Ulrich Deppendorfs Rat gegen diesen „Herdentrieb“ nach Skandalen und den ständigen Politiker-Bashings. Den „Verzögerungseffekt“, sprich mehr Zeit für das journalistische Produkt, benennt auch Frank Schirrmacher als Lösung.
Darüber hinaus merken er und Bernhard Pörksen an, dass das Intervenieren der Geistes- und Sozialwissenschaftler gegen das Zeitungssterben der Zukunft der Zeitung nützen würde; vor allem in deren eigenem Interesse, da die großen Zeitungen ihre Arbeit kritisch begleitet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hätten. Gepaart mit dem Ratschlag zu mehr Inhalt (Andreas Nurr, Roger Willemsen) und weniger Streben nach der Quote (Roger Willemsen), die aus dem Fernsehen ein Medium der Unterforderung macht, werden auch Spezifika einzelner Medien behandelt.
Welche Zukunft der Journalismus wirklich hat, kann der Sammelband trotz der vielen Ratschläge und Ansätze dennoch nicht abschließend beantworten. Vielmehr werden Optionen aufgezeigt, Strohhalme gereicht und Lichtblicke gegeben. Tenor ist schließlich: Es kann weiter gehen – sogar gut. Welchen Weg junge – und ältere – Journalisten aber gehen wollen, müssen sie selber wählen und dabei bedenken, dass in der Branche stets konforme Konkurrenz herrscht – sei es bei der Quote oder bei der Aktualität. So könnte das Befolgen manch gut gemeinten Rats doch zu Lasten der eigenen Karriere gehen. Außer, es halten sich tatsächlich alle Journalisten an die Ratschläge und setzen sich gemeinsam für mehr Qualität im Journalismus ein.
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Schlagwörter:Andreas Narr, Bernhard Pörksen, Gratiskultur, Zeitungskrise, Zeitungssterben, Zukunft der Medien