Kein Austausch zwischen Print und Web 2.0

30. Oktober 2012 • Digitales, Ressorts • von

MHMK-Studie zur Politikberichterstattung zeigt: Journalisten und Blogger nehmen in der Landespolitik kaum Bezug aufeinander.

Klassische Massenmedien greifen bei der Berichterstattung zu Landtagswahlen kaum auf Blogs, Twitter oder Facebook zurück. Neue Medien sind in der Politikberichterstattung in den deutschen Bundesländern noch nicht angekommen. Einzige Ausnahme ist die Berichterstattung über die Piratenpartei.

Dies ist das Ergebnis einer Studie der MHMK Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation, für die die Forscher 2.783 Artikel aus Online- und Printmedien zu Landtagswahlen im Superwahljahr 2011 auswerteten.

Wider Erwarten spielten Blogs und Social Media kaum eine nachweisbare Rolle in der Politikberichterstattung zu den Landtagswahlen. Weder als Primärquelle noch als Verweis tauchten sie im Forschungszeitraum auf und machten lediglich sechs Prozent der gesamten Berichterstattung aus. Von 2.783 ausgezählten Beiträgen wurde in den Quellenangaben nur 13 Mal auf Informationen aus den Neuen Medien verwiesen. Das macht einen Anteil von nicht einmal einem halben Prozent aus.

Die Print-Berichterstattung zur Berliner Landtagswahl findet im Vergleich mit den meisten Bezügen auf Publikationen in den Neuen Medien statt. Besonders die Berliner Zeitung verweist mehrmals auf Blogs, sowie auf Inhalte von Twitter und Facebook. In Sachsen-Anhalt gibt es drei Verlinkungen auf die Neuen Medien, zwei davon in Zusammenhang mit der NPD. In Hamburg, sowie in Rheinland Pfalz gibt es lediglich jeweils eine Bezugnahme auf Twitter. In allen übrigen Bundesländern, die Gegenstand der Auszählung waren, lässt sich keinerlei Bezug auf Blogs, Facebook, oder Twitter finden.

Verweis klassischer und neuer Medien aufeinander. Eigene Darstellung.

Umgekehrt bezogen sich insgesamt nur zwei Blogeinträge auf traditionelle Medien. Angesichts der Tatsache, dass von Bloggern also kaum auf ein klassisches Medium als Recherchequelle verwiesen wird, ist keinerlei Einfluss der klassischen Medien auf Blogs erkennbar.

Journalisten und Blogger schenken sich offensichtlich also noch immer gegenseitige Nichtbeachtung.

Wie zu erwarten, fand in den regionalen Tageszeitungen am meisten Wahlberichterstattung zu Wahlen in den betreffenden Bundesländern statt. Die überregionalen Printangebote und die Boulevardpresse berichteten nicht so umfassend.

Die Studie, welche im Rahmen von Forschungsprojekten des Studiengangs Journalistik an der MHMK entstand, erlaubt einen vergleichenden Blick in die landespolitische Berichterstattung klassischer und neuer Medien innerhalb eines Jahres. Da die Qualität journalistischer Berichterstattung und die Auswirkungen des partizipativen Journalismus vor allem bei großen Medienereignissen sichtbar werden, wurde hier die Berichterstattung in Bezug auf Landtagswahlen in Deutschland im Superwahljahr 2011 analysiert. Die Medienberichte in Online- und Printmedien zu allen sieben Landtagswahlen im Jahr 2011 wurde in einer quantitativen empirische Inhaltsanalyse, im Sinne von Kromrey (2009: 300ff.) und Bonfadelli (2002: 79ff.) untersucht.

Gemessen werden konnten jedoch nur sichtbare Bezüge auf Blogs, d.h. nur jene Nutzung, die Zeitungsredakteure auch in ihren Artikeln angeben. Die Wahrscheinlichkeit eines verdeckten Einflusses und intermediärer Bezüge zwischen Printberichterstattung und Blogs wird jedoch als gering bewertet (vgl. Bihr 2007; Lünenborg & Berghofer 2010).

Methodisch und inhaltlich baut die Untersuchung auf Studien von Neuberger, Nuernbergk und Rischke (2009), Bihr (2007), Rust (1984) und Wernerus (1961) auf. Breit angelegte Querschnittsuntersuchungen, wie hier vorgestellt, sind indes für Deutschland weitgehend wissenschaftliches Neuland. Diese Forschungslücke sollte mit dieser Untersuchung teilweise geschlossen werden.

Um eine präzise Vorstellung über die Themenvielfalt in der politischen Berichterstattung zu erhalten, wurden die untersuchten Beiträge Themenschwerpunkten zugeordnet. Als Zeitraum für die Untersuchung wurden jeweils die zwei Wochen direkt vor und die zwei Wochen direkt nach der Wahl gewählt. Entsprechend wurden bei jeder Wahl Daten für insgesamt vier Untersuchungswochen gesammelt. Es fand also sowohl eine Betrachtung der Vorberichterstattung als auch der Nachberichterstattung statt. Untersuchungseinheit waren Artikel und Blogeinträge, die einen dominierenden Bezug zur Landtagswahl aufwiesen.

Die Gesamtheit der in der Studie erfassten Artikel belief sich auf 2.783. In den klassischen Printmedien wurden 2.612 Artikel (93,9%) erfasst. Dem gegenüber standen lediglich 171 Blogeinträge (6,1%).

 

Literatur:

Bihr, P.(2007): Die Bedeutung von Weblogs für die Arbeit von Politikjournalisten, in: http://www.thewavingcat.com/wp-content/uploads/2007/12/peter-bihr-weblogs-und-politische-journalisten-cc-version.pdf, eingesehen am 15.03.2012.

Bonfadelli, H. (2002): Medieninhaltsforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen, Konstanz: UVK.

Kromrey, H. (2009): Empirische Sozialforschung. Modelle und Methoden der standardisierten Datenerhebung und Datenauswertung, 12. Aufl., Stuttgart: Lucius und Lucius.

Lünenborg, M. & Berghofer, S. (2010): Politikjournalistinnen und -journalisten. Aktuelle Befunde zu Merkmalen und Einstellungen vor dem Hintergrund ökonomischer und technologischer Wandlungsprozesse im deutschen Journalismus, Berlin.

Neuberger, C./Nuernbergk, C./Rischke, M. (2009): Journalismus im Internet: Zwischen Profession, Partizipation und Technik, in: Media Perspektiven 4/2009, S. 174-188.

Rust, H. (1984): Politischer Journalismus: Landtagswahlkämpfe in regionalen Tageszeitungen, Tübingen: Max Niemeyer.

Wernerus, T. (1965): Die Massenkommunikationsmittel und der Bundestagswahlkampf, Köln.

Zimmermann, A. (2006): Demokratisierung und Europäisierung online? Massenmediale politische Öffentlichkeiten im Internet. Berlin: FU.

 

Prof. Dr. Andreas Elter ist Studiengangleiter Journalistik am Campus Köln und am Campus Berlin der MHMK Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation.

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