Coronavirus: Der schwierige Kampf gegen Krankheitsmythen

25. Februar 2020 • Aktuelle Beiträge, Digitales, Qualität & Ethik • von

Nicht nur das Coronavirus verbreitet sich stetig. Genauso kursieren Gerüchte und Falschmeldungen rund um die Epidemie. Warum wissenschaftlich gesichertes Wissen zu Gesundheitsfragen einen schweren Stand hat gegenüber Fake News.

Das Coronavirus beschäftigt die Weltgesundheitsorganisation nicht nur unter medizinischen Gesichtspunkten. Die WHO kämpft auch gegen Fake News, die rund um die Krankheit kursieren. Dabei setzt die UNO-Organisation mit Sitz in Genf stark auf populäre Social-Media-Plattformen wie Instagram, Facebook oder Twitter.

Dort will die WHO erreichen, dass verlässliche Informationen als erstes Ergebnis angezeigt werden bei entsprechenden Suchvorgängen. Fachleute nehmen Stellung zu Gerüchten und Mythen, die rund um das Coronavirus kursieren und für Verunsicherung sorgen: Sind elektrische Händetrockner oder ultraviolettes Licht wirksam bei der Abtötung des neuen Coronavirus? Kann das Besprühen des Körpers mit Alkohol oder Chlor das Coronavirus abtöten? Kann Mundwasser-Gurgeln oder der Verzehr von Knoblauch vor einer Infektion schützen? Blockiert das Auftragen von Sesamöl das Eindringen des neuen Coronavirus in den Körper?

Die WHO weiß, dass sich die Verbreitung von Gerüchten und Fake News im Gesundheitsbereich verheerend auswirken kann. Das zeigte sich in der Vergangenheit etwa bei Masernausbrüchen mit Toten in Ländern, wo dies noch vor wenigen Jahren nicht möglich gewesen wäre; so etwa auch in der Schweiz. Verschwörungstheorien und Fake News sorgten dafür, dass die Impfquote zurückging und sich die vermeintlich ausgerottete Krankheit wieder verbreiten konnte.

Überall, wo es an wissenschaftlich gesichertem Wissen fehlt, bleibt Platz für unbelegte Spekulationen.

Beim Coronavirus können Gerüchte und Fehlinformationen genauso gefährlich werden und sich in den Köpfen der Menschen festsetzen wie die Impfmythen. Im schlimmsten Fall verbreitet sich das Coronavirus dann noch schneller und bringt Tote, wo es ohne die Fake News gar keine geben müsste, weil Menschen an falsche Gegenmittel oder Ansteckungswege glauben.

Das kann nur verhindert werden, wenn man die Verbreitung von Fake News im Gesundheitsbereich frühzeitig und konsequent bekämpft. Das ist nicht nur die Aufgabe der WHO, sondern auch die von verantwortungsbewussten Medien. Keine einfache Aufgabe, denn überall, wo es an wissenschaftlich gesichertem Wissen fehlt, bleibt Platz für unbelegte Spekulationen.

Wenn sich Fake News genauso schnell verbreiten wie die Epidemie selbst, wird dies mitunter auch als „Infodemie“ bezeichnet. Aber es sind nicht nur global verbreitete Fake News über das Coranavirus im Umlauf. Aktuelle Beispiele aus Deutschland zeigen, dass auch Fehlinformationen zu vermeintlichen Ansteckungsfällen mit regionaler Reichweite kursieren und so Angst verbreiten.

Eine weitere Strategie im Kampf gegen Fake News beim Coronavirus war auch der Versuch einer Kooperation zwischen Ärzten und Medizinjournalen. Pandemieforschung in Echtzeit sollte schnell Transparenz schaffen und als „Gegengift“ zur Desinformation wirken. Geschwindigkeit geht aber auch in der Wissenschaft, wie im Journalismus, oft auf Kosten der Qualität. Wissenschaftliche Ergebnisse sind dann mitunter zu wenig gesichert, also mit Unsicherheiten und Einschränkungen behaftet.

Fake News zum Coronavirus werden von vielen Social-Media-NutzerInnen angeklickt, geliked, geteilt.

Wenn die redaktionellen Medien vorsichtig vorgehen, können sie den steigenden Hunger nach mehr und nach den aktuellsten Informationen zum Coronavirus längst nicht stillen. Ging es bei SARS 2002/03 vergleichsweise gemächlich zu und her mit der Kommunikation im Web 1.0, so spielte bei der Schweinegrippe 2009/10 Social Media als Informationsquelle bereits eine wichtige Rolle. Damit konnten sich auch Fake News schneller verbreiten. Gesundheitsbehörden waren entsprechend gezwungen, auch schneller zu reagieren.

Grundsätzlich gilt: Fake News verbreiten sich schneller als wissenschaftlich gesicherte Fakten. Fake News zum Coronavirus werden von vielen Social-Media-NutzerInnen angeklickt, geliked, geteilt. Das führt dazu, dass Halb- und Unwahrheiten noch stärker sichtbar werden, weil Suchmaschinen und Social-Media-Algorithmen diese als relevante Information einstufen. Das weiß auch Facebook. Eigene Untersuchungen des Social-Media-Konzerns legen nahe, dass sich die Menschen im Durchschnitt mehr mit Fake News beschäftigen.

Gerüchte und Fehlinformationen rund um das Coronavirus haben überzeugende Eigenschaften, die es sehr attraktiv machen, sie zu lesen und an sie zu glauben – sie sind meist leicht verständlich, einfach und plausibel formuliert. Sie bieten zudem vermeintliche Sicherheit und einfache Antworten in Zeiten großer Unsicherheit. Dazu sind sie oftmals emotional, sensationalistisch, überraschend, klar in ihrer Bewertung und oft auch visuell ansprechend aufbereitet.

Die Kombination aus großer Unsicherheit, fehlendem wissenschaftlichen und medizinischen Wissen, steigender Angst vor Ansteckung und hohem Informationsbedarf kann im Fall des Coronavirus dazu führen, dass Menschen weniger kritisch mit Informationen zu diesem Thema umgehen und besonders empfänglich für Fake News werden. Diese Umstände können interessengeleitete Akteure gezielt ausnützen.

Anfälliger, Fake News zu glauben, sind jene, die eine schwach ausgeprägte Fähigkeit oder Motivation zum analytischen Denken haben.

Es gibt eine grundsätzliche Dimension des Problems: Im Prinzip sind wir alle anfällig für Fake News – zumindest bei Themen, mit denen wir uns nicht oder schlecht auskennen. Weil wir oft nicht genug Zeit, kognitive Ressourcen oder Motivation haben, um komplexe Themen zu verstehen und tiefgehend zu verarbeiten, kommt es sehr häufig zu Missverständnissen und Halbwissen.

Anfälliger, Fake News zu glauben, sind zudem jene, die eher eine schwach ausgeprägte Fähigkeit oder Motivation zum analytischen Denken haben, die zu dogmatischem Denken tendieren, die an andere Verschwörungstheorien oder übernatürliche Phänomene glauben oder die eher weniger skeptisch sind im alltäglichen Denken. Außerdem werden Fake News eher dann geglaubt, wenn sie ins eigene Weltbild passen. So sind zum Beispiel starke Befürworter der Homöopathie häufig auch Impfgegner.

Dass Menschen in Gesundheitsfragen an Fake News glauben, erklärt sich mit dem menschlichen Wunsch, gesund zu sein, zu bleiben oder werden zu wollen und der Angst vor Krankheit und Tod. Schon evolutionär ist der Mensch darauf angelegt, mit der eigenen Gesundheit besser nicht zu experimentieren, sondern sich auf das zu verlassen, was andere denken, empfehlen und tun. Wirken die Informationen, die man über das Coronavirus liest, zudem noch plausibel und passen ins eigene Weltbild, werden sie direkt mental eingespeichert. Sind Fake News dann einmal im Kopf eines Menschen, sind sie dort relativ stabil verankert und nur sehr schwer wieder zu beseitigen.

 

 

Erstveröffentlichung: Medienwoche vom 18. Februar 2020

 

Bildquelle: pixabay.com

 

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