Die Zukunft der SRF ist online

12. April 2011 • Digitales, Qualität & Ethik • von

Wie breit kann sich das Schweizer Radio und Fernsehen im Internet machen, ohne die Meinungsvielfalt zu gefährden?

Für viele ist sie immer noch unvorstellbar, aber sie ist längst da: die konvergente Medienzukunft. Im Internet treffen all die Medien als Wettbewerber aufeinander, die bisher eher nebeneinander her gewirtschaftet haben, ohne einander richtig weh zu tun.

Print, Radio, Fernsehen verschmelzen auf Websites nicht nur in eins, sondern verbinden sich auch mit den neuesten der neuen Medien, mit Suchmaschinen und Social Networks wie Facebook und Twitter, zum Beispiel über Links und Like-Buttons. Die multimedialen Angebote werden zusehends über mobile Endgeräte – vom Smartphone bis hin zum iPad – jederzeit und allerorten abrufbar.

Vor diesem Hintergrund wirkt die Auseinandersetzung zwischen dem Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) und den Verlegern um die Internet-Präsenz des öffentlichen Rundfunks und um die „lousy pennies“, die sich dort mit Werbung verdienen lassen, merkwürdig rückwärtsgewandt: Die gesetzliche Vorschrift, wonach sich SRF-Online-Angebote nur auf Sendeinhalte beziehen dürfen, ist weltfremd. Einerseits ist das Internet viel schneller als das Radio und Fernsehen, also den alten Medien meist ein Stück weit voraus. Andererseits bemächtigt sich die SRF ohnehin aller wichtigen Themen, ein Sendungsbezug ist also fast immer herstellbar – auch wenn das ein Gutachten des Verlegerverbands anders sehen mag.

Wenn die SRF eine Zukunft haben soll, ist diese fraglos online. Parlament sowie Regulierungsbehörde sollten sie nicht mit kleinlichen Vorschriften verbauen. Wer leichtfertig meint, die Zeit für hochwertige, konzessionsfinanzierte Medienangebote sei vorbei, der möge sich in Ländern wie den USA anschauen, wie verarmt dort das Informationsangebot ist – nicht nur, weil großen Zeitungsverlagen das Geld ausgeht, um ihre Redaktionen zu finanzieren, sondern auch, weil es dort nur Winzlinge als öffentliche TV- und Radioanbieter gibt.

Trotzdem hat Albert P. Stäheli, der Geschäftsführer der NZZ-Gruppe, nicht unrecht, wenn er mit Blick auf die Internetpläne der SRF von einem „öffentlich alimentierten Verdrängungskampf gegen private Medien“ spricht. Mit ihren Konzessionsgeldern verfügt die SRF über viel mehr Ressourcen als alle inländischen Wettbewerber, und sie hat darüber hinaus all die Bewegtbilder und O-Töne, die im Internet immer wichtiger werden. Private Anbieter werden sich schwer tun, sich dagegen zu behaupten. Die SRF sichert online also nicht mehr nur Meinungsvielfalt, sondern gefährdet sie womöglich.

Aber ist im privatwirtschaftlichen Mediensektor der Schweiz nicht auch ein Konzentrationsgrad erreicht, der diese Vielfalt gefährdet? Mögen sie bisher auch noble Zurückhaltung üben – es könnte morgen ja vielleicht auch in der Tamedia, bei Ringier oder in der NZZ-Gruppe ein machtbewusster Akteur aufsteigen, der sein Medienimperium wie Berlusconi hemmungslos politisch missbraucht.

Die Zeit ist reif für eine Grundsatzdiskussion, wieviel (Konzessions-)Geld die Bürger in Zukunft für öffentliche Informations- und Unterhaltungsangebote ausgeben wollen – und ob diese  auch beworben werden dürfen. Es wird sich vermutlich ein Konsens erzielen lassen, dass der Japan- oder Afrika-Korrespondent, den sich private Verlage kaum noch leisten können, weiterhin aus öffentlichen Geldern finanziert werden sollte. Vielleicht würde auch das italienischsprachige TV-Angebot eine Volksabstimmung überstehen. Müssen aber öffentliche Anbieter in der Konkurrenz mit den Privaten die Preise für Sportrechte ins Astronomische treiben? Und sind all die Soaps und Unterhaltungsshows wirklich im „öffentlichen Interesse“?

Neu zu diskutieren wäre auch: Wer soll in der konvergenten Medienwelt am Gebührenaufkommen partizipieren, damit Vielfalt nicht der Einfalt weicht? Nach welchen Kriterien sind öffentliche Gelder zu verteilen, ohne damit auf subtile Weise Zensur auszuüben? Immerhin, die SRF kann dank ihrer einzigartigen Konstruktion weniger leicht zum Spielball politischer Interessen werden als ihre großen Nachbarn – von der RAI über ARD, ZDF und ORF bis hin zur BBC. Trotzdem kann uns bei dem Gedanken nicht wohl sein, dass sie professionellen Journalismus anderer Anbieter im Internet verdrängt.

Erstveröffentlichung: Tages-Anzeiger vom 11. April 2011

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