Die meisten Menschen in Europa greifen mittlerweile online auf Nachrichten zu, aber auch traditionelle Nachrichtenquellen – vor allem das Fernsehen – bleiben wichtig. Dies hat zu einer eng besiedelten Medienlandschaft geführt, in der Zeitung, Rundfunk und digitale Marken im Wettbewerb um Platz und Aufmerksamkeit stehen.
Eine neue Studie vom Reuters Institute for the Study of Journalism (RISJ) an der Universität Oxford zeigt, dass sich die Art und Weise des Nachrichtenkonsums von Land zu Land erheblich unterscheidet. Die Studie – eine Ergänzung zum jährlichen Digital News Report – enthält zum ersten Mal Daten aus Österreich, Tschechien, den Niederlanden, Polen, Portugal und der (urbanen) Türkei. Mehr als 8.000 Menschen wurden Anfang 2015 in diesen sechs Ländern befragt. Diese Daten wurden mit den schon bestehenden Forschungsergebnissen aus zwölf weiteren Ländern ergänzt, so dass damit die weltweit größte und maßgebende Studie über digitale Nachrichten entstanden ist.
Die Studie stellte zum einen Unterschiede bei der Reichweite des digitalen Nachrichtenkonsums in Europa fest: Während in Deutschland 60 Prozent der Befragten sagten, sie hätten in der vergangenen Woche auf Online-Nachrichten zugegriffen, waren es in Tschechien 91 Prozent. Auch in der Türkei war die Zahl derjenigen, die Online-Nachrichten konsumierten, sehr hoch (88%). Daneben wurden auch Unterschiede bei den Geräten, welche für den Bezug von digitalen Nachrichten verwendet werden, ausgemacht: Nutzer in Tschechien (78%), Polen (75%) und Portugal (69%) verwenden dafür lieber einen Computer oder Laptops als ein mobiles Gerät wie Tablet oder Smartphone. In Großbritannien dagegen verwenden nur 48 Prozent einen Computer oder Laptop als Hauptgerät.
Dazu zeigt die Studie, dass immer mehr Menschen Nachrichten über soziale Medien beziehen – aber auch hier zeigen sich große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. In der Türkei (67%) und Portugal (61%) gaben die meisten Befragten an, soziale Medien als Nachrichtenquelle zu nutzen. In Japan und in Deutschland waren es mit 21 Prozent und 25 Prozent vergleichsweise wenige Befragte.
Die wichtigsten Ergebnisse:
Traditionelle Medien bleiben wichtig – TV ist populärer als Print
Der Konsum von Online-Nachrichten ist bei den Befragten der untersuchten Ländern weit verbreitet. Dennoch bleiben traditionelle Nachrichtenquellen beliebt, vor allem das Fernsehen. In Polen beziehen 81 Prozent der Befragten Nachrichten aus dem Fernsehen, 22 Prozent aus Zeitungen und 84 Prozent online.
Die Befragung zeigt, dass auch in den anderen Ländern Zeitungen im Allgemeinen seltener gelesen werden. In Österreich allerdings sind Print-Produkte nach wie vor sehr beliebt. Dort lesen in einer typischen Woche 67 Prozent Zeitungen; im Vergleich zum 18-Länderdurchschnitt von nur 37 Prozent.
Unterschiedlich starke Nutzung von mobilen Geräten
Auch der Nachrichtenkonsum über mobile Geräte variiert von Land zu Land. Das Smartphone kommt vor allem in Polen (52%) und das Tablet in den Niederlanden (25%) zum Einsatz; in der Türkei ist beides populär (57% bzw. 24%).
In Portugal (34% bzw. 21%) und Tschechien (34% bzw. 16%) ist die Nutzung von Smartphones und Tablets vergleichsweise geringer. In beiden Ländern bezieht ein großer Teil der Befragten Online-Nachrichten über Computer oder Laptop. Sowohl in Tschechien (83%) und Portugal (78%) als auch in Polen liegt die Computer- und Laptop-Nutzung für den Konsum von Online-Nachrichten deutlich über dem Durchschnitt (68%).
Inländische, digitale Marken vs. globale und traditionelle Medienmarken
Die Studie lässt einige positive Signale für inländische digitale Medienmarken erkennen, die ihren Ursprung nicht in Print oder Rundfunk haben. In den sechs zusätzlich untersuchten Ländern sind viele inländische originär digitale Angebote beliebter als große internationale Marken wie BuzzFeed, Vize oder Huffington Post.
In allen 18 untersuchten Ländern haben originär digitale Marken die größte Reichweite in Polen (75%) und die niedrigste in Österreich (21%). Sie sind zudem auch in Portugal (62%) und in der urbanen Türkei (67%) sehr beliebt.
Soziale Medien, allen voran Facebook, sind eine beliebte Nachrichtenquelle
Die Studie beleuchtet auch die viel diskutierte Rolle der sozialen Netzwerke als Nachrichtenquelle. In der Türkei, Portugal und Polen liegt der Anteil der Befragten, die über soziale Medien Nachrichten beziehen, weit über dem Durchschnitt der 18 untersuchten Länder.
In Ländern wie den Niederlanden, Tschechien und Österreich, wo mehr traditionelle Medien konsumiert werden, ist der Anteil des Nachrichtenkonsums über soziale Medien geringer.
Facebook ist dabei das beliebteste soziale Netzwerk für Nachrichten, gefolgt von YouTube, Google und Twitter. Twitter ist vor allem in der Türkei (33 Prozent) sehr beliebt, in Portugal (7%) und Polen (9%) eher unbeliebt.
Neue Online-Geschäftsmodelle
Mit digitalen Nachrichten Geld zu verdienen ist eine globale Herausforderung für Medienunternehmen, da viele Nutzer nicht bereit sind, für Online-Nachrichten zu bezahlen. So ist auch der Anteil der Befragten, die im vergangenen Jahr für Online-Nachrichten gezahlt haben, in einigen Ländern sehr gering.
Gründe hierfür variieren von Land zu Land. Aber die Studie zeigt auch, dass Experimente mit Online-Paywalls und -Abos in Polen und das Micropayment-Modell von Blendle in den Niederlanden Potenzial haben.
Methode
Alle Daten, soweit nicht anders angegeben, stammen vom britischen Markt- und Meinungsforschungsinstitut YouGov, das in Polen, Tschechien, Österreich, den Niederlanden, der Türkei und Portugal Anfang dieses Jahres 8.181 Erwachsene befragte.
Als Vergleichsländer dienten Deutschland, Großbritannien und Spanien.
Ist vom 18-Länder-Durchschnitt die Rede, beziehen sich die Ergebnisse auf Polen, Tschechien, Österreich, den Niederlanden, die Türkei und Portugal sowie Deutschland, Großbritannien, Spanien, die USA, Frankreich, Italien, Dänemark, Finnland, Irland, Brasilien, Japan und Australien. Insgesamt wurden für den Digital News Report und den ergänzenden Bericht 31.738 Online-Nutzer befragt.
Hier gibt es den Digital News Report zum Download und hier die vorgestellte Ergänzung.
Original-Version auf Englisch: Digital News Report: Most Europeans Access News Online… And On Television
Übersetzt von Anna Carina Zappe
Schlagwörter:Digital News Report, Facebook, Nachrichten, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Reuters Institute for the Study of Journalism, Soziale Medien, Tschechien, Türkei