Astronomie und Medien: Der Nachrichtenwert des Nachthimmels

2. Mai 2022 • Aktuelle Beiträge, Digitales, Qualität & Ethik • von

Die nächste totale Mondfinsternis wird am 16. Mai 2022 zu sehen sein. Astronomische Phänomene wie Mond- oder Sonnenfinsternisse haben einen hohen Nachrichtenwert und ziehen immer wieder große mediale Aufmerksamkeit auf sich. Wieso das so ist, erklärt EJO-Redakteur Roman Winkelhahn.

Dieses Phänomen, das entsteht, wenn der Mond zentral im Schatten der Erde steht, wird auch „Blutmond“ genannt.

Viele der astronomischen Ereignisse, die wir mit bloßem Auge von der Erde aus beobachten können, stehen den zwei grundlegenden Dimensionen der Nachrichtenwerttheorie – Dauer (Zeit) und Nähe (Raum) – antithetisch gegenüber: Eine totale Mondfinsternis dauert keine zwei Stunden; Sonnenfinsternisse sind mit einer Dauer von maximal sieben Minuten sogar noch deutlich kürzer. Faktisch haben diese Ereignisse – bis auf einige Ausnahmen wie zeremonielle und religiöse Zwecke – keine Auswirkungen auf uns. Sie sind weit weg, relativ selten und nur kurz zu beobachten. Dennoch sind Mond- und Sonnenfinsternisse – und viele andere astronomische Phänomene – immer wieder Thema im Journalismus, und zwar nicht nur in wissenschaftsjournalistischen Medien (wie in Deutschland beispielsweise spektrum.de oder astronews.com), sondern auch in der ganz klassischen Tagespresse. Warum ist das so?

Für Astronomen sind Mond- und Sonnenfinsternisse keine Überraschungen. Forscher können solche Ereignisse anhand von Bahnberechnungen sehr genau vorhersagen. In den Medien werden die Himmelsphänomene in der Regel jedoch nur mit vergleichsweise kurzer Vorlaufzeit erwähnt. Die Frankfurter Rundschau hat im März beispielsweise ein paar wissenschaftliche und weniger wissenschaftliche Fakten über den Mond zusammengestellt und kündigt in dem Artikel auch die nächste Mondfinsternis am 16. Mai 2022 an. Auch der Bayrische Rundfunk informierte im März über das Ereignis.

Das Besondere an Sonne, Mond und Sternen ist, dass sie so enorm weit von der Erde entfernt sind (der Mond „nur“ mindestens 356.400 Kilometer, die Sonne rund 150 Millionen Kilometer und der nächste Stern nach der Sonne, Proxima Centauri, mehr als 4 Lichtjahre), dass sie jeder sehen kann, der gerade auf der „richtigen“ Seite der Erde ist. Im Kontext der Nachrichtenwerttheorie zahlt dies auf den Faktor Nähe ein: Himmelsobjekte begleiten uns jeden Tag und jede Nacht – schon immer.

Für eine Mondfinsternis braucht es den Vollmond. Vollmond heißt, dass der Erdtrabant der Sonne gegenüberliegt, mit der Erde in der Mitte. Auf der mondnahen Seite des Planeten ist es dann also Nacht. Von dort aus können (theoretisch) zur gleichen Zeit alle Menschen den Vollmond sehen.

Was ist eine Mondfinsternis?

Wie jedes Objekt, das einer Lichtquelle ausgesetzt ist, wirft auch die Erde, die die Sonne umkreist, einen Schatten. In unregelmäßigen Abständen passiert der Mond, der die Erde umkreist, diesen Schattenkegel, sodass sich die Erde demnach exakt zwischen Sonne und Mond befindet und dabei das Sonnenlicht, welches im „Normalfall“ einen Vollmond erzeugen würde, abschirmt.

Große, aber unregelmäßige Nachfrage nach Informationen

Weil sie – je nach Region und Zeit – nur unregelmäßig auftreten und ihr Erscheinen für Laien kaum vorhersagbar ist, erfüllen Mond- und Sonnenfinsternisse auch den Nachrichtenfaktor Überraschung. Die Grafik in Abbildung 1 illustriert das unregelmäßige Interesse der Öffentlichkeit an solchen Ereignissen. Auf Grundlage von Google Trends-Daten wird das Interesse deutscher Google-Nutzer an den Begriffen „Mondfinsternis“ und „Sonnenfinsternis“ dargestellt. Eine Erläuterung zu den Vor- und Nachteilen dieser Daten finden Sie hier.

Abb. 1: Google-Suchanfragen zu „Mondfinsternis“ und „Sonnenfinsternis“ in Deutschland zwischen 1/2008 und 3/2022. Anmerkung: Google Trends stellt keine absoluten Zahlen zur Verfügung. Alle Angaben sind relativ zum höchsten Wert (100%). Werte <1 auf 1 gerundet. Angaben in Prozent. Quelle: Eigene Darstellung/Google Trends.

Der deutliche rote Spitzenwert (100%) steht für die Sonnenfinsternis vom 20. März 2015, die sich wiederum am Tag des Frühlingsanfangs auf der Nordhalbkugel („Tag-Nacht-Gleiche“, 20. März) ereignete. Der dritte blaue Höhepunkt (54%) kennzeichnet die Mondfinsternis vom 27. Juli 2018, die aufgrund ihrer Totalität und Zentralität einen eindrucksvollen „Blutmond“ ergab. Letztere wird die längste Mondfinsternis des 21. Jahrhunderts gewesen sein.

Wie häufig greifen die Medien solche astronomischen Phänomene in ihrer Berichterstattung auf?  Abbildung 2 zeigt die Treffer für den Suchbegriff „Mondfinsternis“ für die Online-Medien Spiegel Online, bild.de, WELT Online und ZEIT Online pro Jahr zwischen 2010 und 2020 basierend auf der von Dow Jones angebotenen Factiva-Datenbank für Presse-, Unternehmens- und Wirtschaftsinformationen.

Abb. 2: Absolute Anzahl der Treffer für den Suchbegriff „Mondfinsternis“ auf Spiegel Online, bild.de, WELT online und ZEIT online pro Jahr zwischen 2010 und 2021. Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Daten von Factiva. N=216.

Für das Jahr 2018 lässt sich der Begriff „Mondfinsternis“ mit deutlichem Abstand zu allen anderen Jahren am häufigsten finden (n=68), gefolgt von den Jahren 2019 (n=42) und 2016 (n=30). In all diesen drei Jahren hat es Mondfinsternisse gegeben, die von Deutschland aus gut sichtbar waren. Die Mondfinsternisse in den Jahren 2018 und 2019 waren total – der Mond stand also für eine kurze Zeit im Kernschatten der Erde, was die Ereignisse selbst noch deutlich eindrücklicher machte. 2012 gab es nur eine Halbschatten-Finsternis, 2014 war keine Finsternis von Deutschland aus sichtbar. Im Januar und Juni 2020 hat es zwar jeweils eine Mondfinsternis gegeben, jedoch ist anzunehmen, dass hier die Berichterstattung über die frühe Phase der Covid-19-Pandemie dominierte, sodass es nur wenige Beiträge über diese beiden Himmelsereignisse gab (zudem stand der Mond an beiden Tagen nur im Halbschatten der Erde – es gab also keinen „Blutmond“).

Ressourcen für Journalisten

Um unseren Nachthimmel ranken sich unzählige Mythen – und leider auch viele Falschbehauptungen. Guter Wissenschaftsjournalismus mit Fokus auf astronomische Themen – „Astrojournalismus“, wenn man so will – kann über Himmelsereignisse aufklären, ihre Mechanismen erklären und so einer Verbreitung von häufig abstrusen Theorien über das Universum vorbeugen. Wie sich in den Daten zeigt, steigt die Nachfrage nach Informationen über astronomische Phänomene zu gegebenen Zeiten enorm an. Der Nachthimmel als Thema ist beliebt, weil ihm niemand entgehen kann – und weil er so viele Überraschungen birgt.

Online gibt es eine ganze Reihe von Tools und Ressourcen, die Journalisten bei der Berichterstattung über Sonne, Mond und Sterne hilfreich sein können. Im Folgenden seien – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – einige davon genannt:

Neben einfachen Zeitrechnungen ermöglicht diese Website es unter anderem, Sonnen- und Mondzyklen nachzuverfolgen. Auch anstehende Finsternisse werden aufgelistet.

„Stellarium“ ermöglicht es Nutzern, den Tag- und Nachthimmel von jedem beliebigen Ort auf der Erde zu jeder beliebigen Zeit zu beobachten.

Dieser Simulator trägt zu einem besseren Verständnis von Gravitation und Umlaufbahnen bei. Frag doch mal die Maus: Wieso ist ein Jahr auf Merkur kurzer als ein Jahr auf der Erde?

Sowohl die NASA (die US-amerikanische Raumfahrtbehörde) als auch die ESA (European Space Agency) stellen Medienunternehmen Fotos und Videos zur Verfügung. Die Bedingungen können Sie hier und hier einsehen.

 

Beitragsbild: adege/pixabay.com

Anmerkung: Die Grafiken wurden mit dem Online-Tool „Infogram“ erstellt.

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