Die Anschläge auf Moscheen im neuseeländischen Christchurch machen erneut deutlich, wie wichtig es ist Medienkompetenz zu stärken.
Im März wurden wieder einmal dutzende unschuldige Zivilisten erschossen. Dieses Mal nicht in den USA, sondern in Neuseeland, einem Land, das normalerweise nicht mit Massenmorden in Verbindung gebracht wird. Die Tat hat dem Inselstaat einen immensen Schock bereitet. Neben den Forderungen nach einer strengeren Waffenkontrolle rückte eine weitere Forderung in den Fokus: Die nach einer verstärkten Vermittlung von Medienkompetenz, um sowohl Kinder als auch Erwachsene vor den negativen Auswirkungen von sozialen Netzwerken und Videospielen zu schützen. Der Attentäter hatte den Angriff auf zwei Moscheen in Christchurch mit einer Helmkamera live bei Facebook übertragen. Das ursprüngliche Video wurde laut Facebook nur rund 4000 Mal angeschaut, bevor es aus dem sozialen Netzwerk gelöscht wurde, es wurde aber von Nutzern millionenfach weiterverbreitet. In dem “Manifest”, das der Attentäter kurz vor den Angriffen verbreitet hatte, gab er zudem an, dass das Computerspiel Fortnite ihn „das Töten gelehrt“ habe.
Die Diskussion über mögliche negative Auswirkungen von Computerspielen ist nicht neu. Vor etwa 14 Jahren wurden ein Kollege und ich von der damaligen britischen Labour-Regierung beauftragt, die Auswirkungen von Videospielen auf die Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen wissenschaftlich zu untersuchen. Anlass war der Messermord an einem Teenager im britischen Leicester, der zu einem politischen und öffentlichen Aufschrei führte.
Forschungsergebnisse aus Europa und den USA deuteten darauf hin, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Videospielen und gewalttätigem Verhalten in der Gesellschaft nicht direkt nachgewiesen werden konnte. Während es zwar eine Reihe von Beweisen dafür gab, dass das Spielen von gewalttätigen Videospielen die Erregung erhöhte, d.h. für physiologische Veränderungen bei den Spielern sorgte, konnte nicht nachgewiesen werden, dass das Spielen solcher Spiele zu einem gewalttätigen Sozialverhalten führte. Darüber hinaus stammte die Mehrheit der Forschungsergebnisse, die einen direkten Zusammenhang zwischen dem Spielen von Videospielen und gewalttätigem Verhalten feststellte, aus den USA und damit gemäß der Forschungstradition aus der Psychologie. Die Forschungsergebnisse aus Europa hingegen, die aus der Sozialwissenschaft kamen, widerlegten oft den direkten Zusammenhang zwischen Videospielen und realer Gewalt und betonten die Vorteile der Spielekultur.
Der technologische Fortschritt hat in den vergangenen 14 Jahren nicht nur dafür gesorgt, dass computergestützte Bilder und Effekte viel realistischer geworden sind. Mit dem Aufkommen der sozialen Netzwerke sind noch weitere Themen in den Vordergrund gerückt, die den Bedarf an Medienkompetenz in Schulen, Hochschulen und zu Hause verstärken.
So untergraben immer mehr „Fake News“, die über soziale Netzwerke verbreitet werden, die demokratischen Werte und Ideen, auf denen die überwiegende Mehrheit der Länder ihre Gesetze und Vorschriften gründet. Demokratie setzt einen fairen und gleichberechtigten Zugang zu Nachrichtenmedien voraus, da sie zum Wissen über aktuelle politische Prozesse beitragen. Gefälschte Nachrichten aber verzerren das Gleichgewicht und die Wahrheit und fördern zudem oft Hassreden.
Wie das Attentat in Christchurch zeigt, ist die Entwicklung von Strategien zur Stärkung von Medienkompetenz wichtiger denn je. Medienkompetenz schützt nicht nur demokratische Ideale und Werte, sondern trägt auch zu einer weniger gewalttätigen, toleranteren Gesellschaft bei.
Dieser Beitrag wurde zuerst auf der italienischsprachigen EJO-Seite veröffentlicht
Bildquelle: pixabay.com
Übersetzt aus dem Englischen von Tina Bettels-Schwabbauer
Schlagwörter:Anschläge, Christchurch, Computerspiele, Gewaltbereitschaft, Medienkompetenz, Neuseeland, Videospiele