Digitalisierung, Partizipation, Interaktion, Ökonomisierung und Globalisierung sind nur einige Stichworte, die andeuten, in welche Richtung der gegenwärtige Wandel des Journalismus geht. Dass nicht nur der Journalismus dabei ist, sich neu zu erfinden, sondern auch die Forschung, die sich ihm widmet, macht die neue Buchreihe „Aktuell. Studien zum Journalismus“ deutlich.
Den Auftakt der Reihe bildet der Band „Journalismusforschung. Stand und Perspektiven“, herausgegeben von Klaus Meier, Professor für Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, und Christoph Neuberger, Professor für Kommunikationswissenschaft am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Ludwig-Maximilians-Universität München.
„Mit diesem Band wollen wir innehalten, thematische Zusammenhänge herstellen und damit einen aktuellen Überblick über Stand und Perspektiven der Journalismusforschung geben“, so die Herausgeber. Dies ist ihnen mit der Sammlung von 13 Beiträgen renommierter Journalismus- und Kommunikationswissenschaftler zweifellos gelungen. Sie zeigen anschaulich, wie sich der Journalismus den aktuellen Herausforderungen stellt. Die Wissenschaftler beschreiben die politischen und ökonomischen Voraussetzungen für den Journalismus, betonen die Wichtigkeit von Qualität, Management und Verantwortung, erläutern die Rolle des Journalismus und seines Publikums und zeigen Entwicklungen wie Boulevardisierung und Medialisierung auf.
So erläutert Andrea Czepek, Professorin für Journalismus an der Jade Hochschule in Wilhelmshaven, in ihrem Beitrag „Pressefreiheit – Hindernisse und Grenzen“ wie wichtig es sei, bei der Betrachtung von Pressefreiheit zwei Perspektiven zu unterscheiden: zum einen die Einschränkung der Freiheit, zum Beispiel durch staatliche Einmischung oder strukturelle Beschränkungen, zum anderen Grenzen der Pressefreiheit, die von anderen Grundrechten gesetzt werden. In der Diskussion würden diese beiden grundsätzlich unterschiedlichen Aspekte häufig vermischt, so die Autorin. Den zahlreichen Pressefreiheits-Ranglisten steht sie kritisch gegenüber. Sie erweckten den Eindruck, so Czepek, dass sich die Freiheit der Presse objektiv und eindeutig messen sowie international vergleichen lasse. Da die Indizes allerdings auf der Basis von subjektiven Experteneinschätzungen erhoben würden, bliebe die Beurteilung letztlich subjektiv und unsystematisch, sagt Czepek und spricht sich unter anderem für eine systematischere Datenerhebung aus.
Klaus Arnold, Professor für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Trier, weist in seinem Beitrag „Qualität im Journalismus“ darauf hin, dass sich in der empirischen Forschung zu journalistischer Qualität der Schwerpunkt in den vergangenen Jahren weg von Inhaltsanalysen hin zu publikumsbezogenen Studien verschoben habe. Da es weiterhin von Interesse sei, inwieweit klassische journalistische Qualitäten auf neue partizipative Formen im Internet anwendbar seien, sei es auch in Zukunft wichtig, sich der publikumsbezogenen Perspektive zu widmen. Arnold vermisst allerdings Studien, die die Qualitätssicht von Journalisten aufzeigen. Um Entwicklungen im gesamten deutschen Journalismus aufzeigen zu können, wären jährliche Berichte wie in der Schweiz (Jahrbuch „Qualität der Medien“ vom Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich) oder den USA (jährlicher Report „The State of the News Media“ vom Pew Research Center’s Project for Excellence in Journalism) wünschenswert.
Im Beitrag „Publikumsbeteiligung im Journalismus“ beschäftigt sich Wiebke Loosen, Senior Researcher am Hans-Bredow-Institut für Medienforschung der Universität Hamburg, mit der Frage, wie der professionelle, redaktionell organisierte Journalismus Formen der Publikumsbeteiligung integriert. Sie setzt sich mit dem Publikum als Konstrukt und mit der Beziehung zwischen Journalismus und seinem Publikum auseinander und geht ausführlich auf neue Formen der Publikumsbeteiligung wie ‚Crowdsourcing‘ ein. Loosen betont, dass sich der Journalismus durch die Partizipation des Publikums nicht grundlegend ändere. Der Journalismus verstehe es durchaus, Nutzer-Aktivitäten für seine eigenen Zwecke einzusetzen, unter anderem für die Recherche und die Distribution eigener Inhalte. Die Rollengrenzen zwischen Journalisten und Rezipienten würden so nicht wirklich aufgehoben werden.
Immer weniger aufrechterhalten lassen sich dagegen vermeintlich scharfe Trennlinien zwischen Qualitätsjournalismus und Boulevardjournalismus, stellt Margreth Lünenborg, Professorin für Kommunikationswissenschaft an der FU Berlin, in ihrem Beitrag „Boulevardisierung im Journalismus“ fest. Die inhaltliche, formale und ästhetische Machart von Boulevardjournalismus präge inzwischen auch andere Formen journalistischer Angebote, wie man am Beispiel ‚Spiegel Online‘ sehe, wo populäre Inhalte verbunden mit dem Branding der Qualitätsmarke Spiegel eine neue Nachrichtenlage bildeten. Boulevardjournalismus sei ökonomisch, publizistisch und gesellschaftlich hochgradig relevant, betont die Autorin.
Die Buchreihe „Aktuell. Studien zum Journalismus“, richtet sich sowohl an Wissenschaftler und Studierende als auch an Journalisten und andere Praktiker, die Einblick in die Journalismusforschung gewinnen wollen, betonen die Herausgeberinnen und Herausgeber Andrea Czepek (Wilhelmshaven), Ralf Hohlfeld (Passau), Frank Lobigs (Dortmund), Wiebke Loosen (Hamburg), Klaus Meier (Eichstätt) und Christoph Neuberger (München). Spannende Einblicke – auch im Hinblick auf den nächsten Band der Reihe, in dem Annika Sehl, Vertretungsprofessorin am Institut für Journalistik der TU Dortmund, die Ergebnisse ihrer Dissertation „Partizipativer Journalismus in Tageszeitungen“ vorstellen wird.
Meier, Klaus; Neuberger, Christoph (Hrsg.) (2012): Journalismusforschung. Stand und Perspektiven. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft.
Schlagwörter:Boulevardisierung, Christoph Neuberger, Journalismusforschung, Journalisten, Klaus Meier, Medialisierung, Partizipation, Pressefreiheit, Publikumsbeteiligung, Qualität, Rezipienten