Österreichs Rechte in der digitalen Echokammer

22. März 2017 • Digitales, Qualität & Ethik • von

Über das parallele Medienuniversum der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ).

Manche sagen, Österreich sei im vergangenen Jahr haarscharf einer Katastrophe entgangen: Nach einem langen erbitterten Wahlkampf wählten die Österreicher im vergangenen Dezember den ehemaligen Grünen-Chef Alexander Van der Bellen zum Präsidenten. Er hatte 7,5 Prozentpunkte mehr als der rechtspopulistische Kandidat Norbert Hofer.

Die Wahlen haben den österreichischen Rechtspopulisten zwar nicht das Amt des Präsidenten beschert, es gibt aber durchaus Anzeichen dafür, dass sie Hofers FPÖ dabei geholfen haben, Echokammern in den sozialen Medien zu schaffen. Und von diesen erwarten sich die Rechtspopulisten  einen Nutzen für die Zukunft:  2018 werden in Österreich die Parlamentswahlen stattfinden.

Die FPÖ und die sozialen Medien

Der FPÖ-Vorsitzende Heinz-Christian Strache hat sich in den sozialen Medien eine große Anhängerschaft aufgebaut. Auf Facebook folgen ihm mehr als 500.000 Menschen, was zehn Prozent der Wählerschaft der letzten Wahl entspricht. So viele Facebook-Anhänger hat kein anderer Politiker in Österreich. Mehr als 100.000 neue Anhänger gewann Strache während des Wahlkampfs 2016.

Die Facebook-Seite von Strache ist entscheidend für den Einfluss der FPÖ auf die sozialen Netzwerke. Eine im Standard veröffentlichte Studie zeigt, dass Strache durchschnittlich 13-mal am Tag Beiträge postet,  die typischerweise rund 400-mal geteilt werden. Damit kann Strache potenziell Zehntausende von Menschen erreichen, die ihm gar nicht folgen. Das ermöglicht der FPÖ eine beeindruckende Reichweite.

Es ist nicht verwunderlich, dass Strache vor kurzem soziale Medien als „Segen für die Demokratie“ bezeichnet hat. Sein Verhalten erinnert auch an Donald Trumps Umschiffen der traditionellen Medien: Strache nutzt Facebook, um direkt mit den Wählern zu kommunizieren und umgeht damit die Filter des Journalismus.

Die FPÖ und rechtspopulistische Websites

Es gibt mehrere österreichische Websites mit Verbindungen zur FPÖ, wovon zwei Internetseiten einen besonders starken Einfluss haben: Unzensuriert.at und Wochenblick.at

Die Website Unzensuriert.at erklärt, dass sie unabhängig sei, obwohl sie als Blog eines FPÖ-Politikers, dem ehemaligen dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf, gegründet wurde und von FPÖ-Parlamentsmitarbeitern betrieben wird.

Unzensuriert.at ist ein ideologisches Medium, das Politiknachrichten aus Österreich und der Welt veröffentlicht. Die Seite konzentriert sich auf Themen rund um Migration und den Islam und erstellt aus Nachrichten anderer Quellen und eigenen Kommentaren neue Beiträge, zum Beispiel „Unruhen in Schweden – Trump hatte recht“ und „Weiterhin beeindruckendes Schweigen nach den Ausschreitungen in Frankreich“ – den Betreibern nach „unzensierte“ Inhalte, die den Lesern das geben, was die Mainstream-Medien verschweigen: die „Wahrheit“.

Wochenblick.at wurde 2016 gegründet. Die Website ist eine intellektuell anspruchslosere Alternative zu Unzensuriert.at und veröffentlicht auch unpolitische Lokalnachrichten und Promigeschichten. Auf der Seite finden sich sowohl Artikel über vermeintliche „Flüchtlings-Verbrechen“ als auch „Die attraktivsten Feuerwehrfrauen der Welt“.

Die Seite wird von ehemaligen FPÖ-Parteimitgliedern betrieben, die behaupten, unabhängig zu sein. Wochenblick.at finanziert sich durch Spenden und schaltet keine Werbung.

Andere Websites, deren Beiträge häufig bei der FPÖ auf großen Anklang stoßen und in den sozialen Medien geteilt werden, sind FMPolitics – eine Facebook-Seite, die Anti-Flüchtlings- und Anti-Islam-Inhalte postet – und der Verein Freunde der Tagespolitik – eine „Satire-Seite“, die Anti-Migranten-Karikaturen veröffentlicht.

Diese Websites werden nicht nur in Österreich gelesen. Sie bekommen auch viel Traffic aus Deutschland – im Fall von Unzensuriert.at kommen mehr als die Hälfte der Zugriffe aus dem Nachbarland. Nach einer aktuellen Umfrage werden österreichische rechtspopulistische Seiten häufig von Pegida-Anhängern gelesen [1] und dürften der AfD zusätzlichen Schwung geben.

Die FPÖ und die traditionellen Medien

Im kleinen österreichischen Medienmarkt dominieren der öffentlich-rechtliche Sender ORF und die Boulevardzeitung Kronen Zeitung die inländischen TV- und Print-Nachrichten. Die FPÖ greift den ORF häufig als „linke Propagandamaschine“ an, was Strache und seine Parteikollegen aber nicht daran hindert, ORF-Inhalte zu teilen und Interview-Ausschnitte in den sozialen Medien zu posten. Ähnlich wie Donald Trump in den USA nutzt die FPÖ Fernseh-Interviews und -Debatten, um Fake News unters Publikum zu bringen. Eine Analyse der Zeitung Falter zeigte, wie oft Norbert Hofer im Wahlkampf auf das Alter Alexander Van der Bellens und dessen angeblich schlechtes Gedächtnis anspielte, um die Wähler glauben zu lassen, dass Van der Bellen für das Amt ungeeignet sei.

Ganz anders als das angespannte Verhältnis zum ORF sieht die Verbindung der FPÖ zur Kronen Zeitung aus. Österreichs populärste Zeitung hat eine rechtspopulistische Tendenz, bemüht sich aber um gute Beziehungen zu allen Parteien. Strache hat jedoch eine Macht über die Boulevardzeitung, die anderen fehlt: In einem Interview im vergangenen Jahr räumte Richard Schmitt, damaliger Chef von kronen.at, ein: „Wenn Strache einen normalen Bericht von uns auf Facebook teilt, dann merken wir, das haut die Quote auf das 1,5-Fache hoch. Und umgekehrt kriegt er natürlich auch mehr Traffic, wenn wir ihn pushen.“

Traditionelle Formen der Medienpräsenz wie auch Pressekonferenzen umgeht die FPÖ mittlerweile zunehmend. Aus meiner eigenen Erfahrung als Journalist, der über die FPÖ berichtet hat, weiß ich, dass die FPÖ-Parteiführer keinen Wert mehr auf die Berichterstattung durch traditionelle Medien legen. Auf ihre letzten Reisen nach Israel, Russland und den USA haben sie keine Journalisten mitgenommen und Berichte darüber vor allem auf Facebook und Partei-Plattformen veröffentlicht.

Was das für die Zukunft bedeutet

Die FPÖ hat wiederholt gefordert, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich die finanziellen Mittel zu kürzen und seine Unabhängigkeit einzuschränken. 2015 betrugen die von der öffentlichen Hand eingesetzten Werbegelder für österreichische Zeitungen 188 Millionen. Diese versteckten Subventionen machen sie anfällig für eine Einmischung vonseiten der Regierung. Sollte die FPÖ in Österreich an die Macht gewählt werden, ist es wahrscheinlich, dass sie ihren Einfluss nutzen, um die traditionellen Medien an den Rand zu drängen und einzuschränken.

Wie die FPÖ erfolgreich die traditionellen Medien umgeht, wird von ihren Verbündeten im europäischen Ausland genau beobachtet und auch kopiert. Es besteht die Gefahr, dass sich die Rechtspopulisten künftig in Sphären bewegen, in denen sie der unabhängige Journalismus und damit die öffentliche Kontrolle nicht mehr erreichen. Ihre deutschen Verbündeten, die AfD, könnten von den Echokammern der österreichischen Rechtspopulisten sogar direkt profitieren.

[1] Die Umfrageergebnisse werden in einem Beitrag von Noura Maan und Fabian Schmidt in dem Sammelband „’Wir sind das Volk’ – auch im Netz“ (Ch. Links Verlag) im März 2017 veröffentlicht.

Originalversion auf Englisch: The Social Media ‘Echo Chamber’ Powering Austria’s Far-Right

Bildquelle: Screenshot öffentliche Facebook-Seite

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