Politik in 280 Zeichen

16. November 2018 • Digitales • von

Ohne die Nutzung von sozialen Medien Politik zu machen, ist kaum noch möglich. Politiker wenden sich direkt an die Bevölkerung. Donald Trump hat im US-Wahlkampf gezeigt, wie das geht. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier äußert sich über den Einfluss von Twitter auf die politische Debattenkultur.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier auf Twitter: “Alle Tweets von mir und meine Meinung.” // Foto: Oliver Schaper

Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie, ist wohl einer der aktivsten deutschen Spitzenpolitiker auf Twitter. Seine Tweets verfasst er alle selbst, worauf er auf seinem Twitter-Account hinweist: „Alle Tweets von mir und meine Meinung“. Hierbei lege er besonders Wert darauf, die 280 Zeichen so zu gestalten, dass jeder die Nachricht verstehe, „auch ohne Politik studiert zu haben“. Die Aufgabe aus zeittechnischen Gründen an ein Team abzugeben, lehnt Altmaier strikt ab. Auf der „On the record“-Konferenz für Wirtschaft, Politik und Journalismus des Instituts für Journalistik der TU Dortmund diskutierte er mit Journalistik-Studierenden über den Einfluss von sozialen Medien, insbesondere Twitter, auf die politische Debattenkultur.

Partizipation der Bürger vs. wirtschaftlicher Einfluss auf die Demokratie

Durch die sozialen Medien könne man das materielle Konzept der Demokratie erweitern, so der Bundeswirtschaftsminister auf der Konferenz im Gespräch mit den Journalistik-Studierenden Michael Scheppe, Mona Fromm und Valentin Dornis. Es entstehe eine permanente Partizipation der Bürger, die mehr Einfluss auf Wahlen haben könnten, als wenn sie lediglich ihre Stimme am Wahltag abgäben. Jeder, der seine Meinung preisgeben möchte, könne bei Twitter am öffentlichen Diskurs teilhaben. Außerdem könne man als Politiker schneller auf falsche Behauptungen reagieren. Unter den sozialen Medien favorisiert Altmaier Twitter: Es gehe bei ihm ums geschriebene Wort und nicht um visuelle Umsetzungen.

Auch die klassischen Medien können laut Altmaier von den sozialen Medien profitieren, da eine Wechselwirkung bestehe. Themen aus den klassischen Medien würden über Twitter verbreitet, Inhalte von Twitter aber auch wiederum von den klassischen Medien aufgegriffen werden.

Das Problem von sozialen Medienplattformen, wie Twitter oder Facebook, liege vielmehr darin, dass sie an einzelne große Firmen gebunden seien, die hauptsächlich aus den USA und China stammen und damit den Großteil der Werbung im Internet monopolisieren. Die Journalistik-Studierenden sind der Meinung, dass diese Unternehmen so Einfluss auf die demokratische Entwicklung in einzelnen Ländern hätten und werfen die Frage auf, ob diese Macht nicht eingeschränkt werden müsse. Es gibt laut Altmaier durchaus Ansätze der Regulierung. Besonders an der Masse von Daten werde Geld verdient. Daher müsse geklärt werden, wem welche Daten gehören. Um diese Frage zu klären, sei ein Datengesetz vonnöten, mithilfe dessen der Besitz von Daten geregelt werden solle. Außerdem müsse Deutschland sich die Frage stellen, welche Rolle es in der Plattformökonomie spielen wolle, erklärt der Bundeswirtschaftsminister dazu.

Das Geld kommt meistens aus den USA

Ab einer gewissen Menge an benötigtem Geld zum Aufbau einer solchen Plattform fänden Startups nämlich in Europa keinen geeigneten Investor mehr. Somit würden sich viele Startups an amerikanische Unternehmen wenden, die bereits eng mit großen Unternehmen wie Google oder Amazon zusammenarbeiten. „Es geht ganz schnell und dann ist es amerikanisch“, beschreibt Altmaier den Prozess. Die einflussreiche Stellung behielten diese Unternehmen unter anderem auch durch den Kauf kleiner Startups, bevor diese zu einer ernsthaften Konkurrenz werden können. Darauf hätten die Kartellämter jedoch keinen Einfluss, da die Startups noch keine großen Gewinne aufweisen könnten. Wichtig sei Altmaier daher, dass Startups im digitalen Bereich von staatlicher Seite Unterstützung bekämen, um Plattformen etablieren zu können. Im Bereich der Mobilität oder dem Gesundheitsmarkt gäbe es noch sehr viel Platz für Innovationen. Viele würden den Fehler machen, nicht den weltweiten Markt ins Visier zu nehmen, wie Facebook es beispielsweise tat, erklärt Altmaier. Denn: „Marktwirtschaft heißt nicht, dass man mit dem schlechteren Produkt den größeren Erfolg hat.“

Als weiteres Problem führen die Moderatoren der Diskussion, Michael Scheppe, Mona Fromm und Valentin Dornis, die in sozialen Netzwerken genutzten Algorithmen an, durch die die Menschen in ihrer Meinung bestärkt würden. Peter Altmaier merkt hierzu an, dass man bereits früher in einer eigenen Blase gefangen gewesen sei, wenn man sich lediglich die Berichterstattung einer Zeitung oder Sendung angeschaut habe. Er selbst folge 819 Nutzern auf Twitter im internationalen Raum und zähle sich damit nicht zu denjenigen, die in einer Blase leben. Die Entscheidung liege da ganz bei einem selbst.

Umweg über Twitter fernab der Presselandschaft

In der vergangenen US-Wahl hatte Twitter vor allem durch die kontroversen Tweets Donald Trumps einen großen Einfluss auf die politische Debattenkultur. Auf die kritische Frage eines Journalistik-Studierenden, ob dies der Umgangston sei, den Altmeier sich wünsche, entgegnet der Bundeswirtschaftsminister, es sei eher die Frage ob es in einem Land eine Presselandschaft gebe, die dagegen arbeiten könne. Donald Trump sei genau diese demokratisch geprägte Presselandschaft in seinem Land umgangen und habe sich Twitter gezielt zu Nutzen gemacht. In vielen Ländern seien bereits Politiker gewählt worden, die sich in den Augen vieler nicht angemessen verhielten. Wichtig sei, was bei der Bevölkerung hängen bleibe. Altmaier selbst könne viele Tweets Donald Trumps zitieren – von Hillary Clinton lediglich einen.

Für Beleidigungen in sozialen Netzwerken sei nicht der Staat verantwortlich, so der Wirtschaftsminister. Noch vor Veröffentlichung über Beiträge zu urteilen, käme laut Altmaier einer Zensur gleich. Die Aufgabe unzulässiges Material von Plattformen zu entfernen liege beim Nutzer, der unzulässiges Material melden kann, und der Plattform selbst, die auf solche Meldungen entsprechend reagieren sollte. Altmaier selbst habe aufgrund von Beleidigungen gegen ihn auf Twitter noch nie Strafanzeige erstattet. „Da muss man als Politiker drüberstehen.“ Dass Gerichte sich diesem Problem annehmen, könne man auch nicht erwarten. „Kein Gericht kann ständig das ganze Internet nach Beleidigungen durchsuchen.“

An einem Tag setzt der Minister meist mehrere Tweets ab. Twitter nutze der Bundeswirtschaftsminister nicht nur, um seine eigene Meinung zu verbreiten, sondern auch, um sich Informationen von anderen Nutzern zu beschaffen. Den Rücktritt Merkels vom Parteivorsitz habe selbst er aus dem sozialen Medium erfahren, berichtet er. Um in politischen Versammlungen Vertrautheit zu gewährleisten, könne laut Altmaier ein Handyverbot eingeführt werden. Besonders spannend findet er, dass man durch die Nutzung von Twitter auch Leute außerhalb von Deutschland erreichen könne. Er selbst twittert häufig auch auf Englisch oder Französisch.

Zu viele Tweets verfehlen jedoch auch ihren Sinn, erklärt der Wirtschaftsminister. „Die Nachrichten müssen ja auch gelesen werden“. Er sei auch nicht der Ansicht, dass er zu jedem politischen Thema einen Tweet machen müsse. Jeder solle in sozialen Netzwerken wie Twitter nur die Themen vertreten, zu denen er gerade auch etwas zu sagen hat.

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