Qualität im Vergleich

8. November 2012 • Digitales, Qualität & Ethik • von

Dissertationsprojekt über Online-Nachrichtenangebote und deren Bewertung aus Nutzersicht

Dass das Internet eine enorme Fülle an Informationsangeboten bereithält ist weder neu noch beunruhigend. Entgegen der Meinung einiger Kritiker, die Menschen würden im Überfluss der Mitteilungen ertrinken und könnten nicht mehr zwischen Nützlichem und Infomüll unterscheiden, beruht diese Vielfalt an Angeboten, gerade im Bereich Online-News, auch auf einer starken Nachfrage seitens der Nutzer. Die Vorteile der Nachrichtennutzung am PC, Laptop oder mobilen Endgeräten liegen auf der Hand: sie ist in der Regel kostenlos, quasi überall möglich und die Aktualität der Artikel kaum zu übertreffen.

Nahezu jede bekannte Nachrichtenmarke ist mittlerweile im Netz vertreten. Spitzenreiter bei den Nutzerzahlen ist laut aktuellem Angebotsranking der AGOF  die Seite Bild.de mit knapp 13 Millionen Usern im April 2012, gefolgt von Spiegel Online und Focus Online. Hinzu kommen reine Internetanbieter wie News.de oder Nachrichten.net, die ohne die Reputation eines offline „Muttermediums“  hinsichtlich der Anzahl der Nutzer häufig hinterherhinken. Eine Ausnahme stellen die Nachrichtenangebote der Suchmaschinen von Google, Yahoo, MSN etc. dar. Diese Internetgiganten haben ihr Repertoire durch eine automatische Listung von Nachrichtenartikeln erweitert und sprechen damit ebenfalls Millionen von Nutzern an. Daneben gibt es kleinere und weniger bekannte Dienste wie Indymedia, Wikinews oder News-Blogs, die sich selbst gern als „freie“, „alternative“ oder „unabhängige“  Nachrichtenquelle bezeichnen und das Angebot vervollständigen.

Mit dem quantitativen Anstieg der News-Seiten erhöht sich zwangsläufig deren Konkurrenzdruck untereinander. Zeit, Aufmerksamkeit und Interesse der Nutzer sind bekanntlich begrenzt: Wie also die Gunst des Publikums erringen? Dazu ist es zunächst notwendig, mehr über die Leser, deren Erwartungen, Wahrnehmungen und Präferenzen zu erfahren. Jenseits von reinen Nutzungszahlen ist jedoch noch wenig bekannt und es verwundert, dass das Publikum in der bisherigen Forschung oft zu kurz gekommen ist. Unbeantwortet blieben bislang folgende Fragen:

  • Wie finden sich Nutzer, die sich tagesaktuell über politische und gesellschaftliche Ereignisse informieren möchten, in der Angebotsfülle zurecht?
  • Warum nutzen sie bestimmte Nachrichtenseiten und andere nicht?
  • Was macht für sie eine gute Nachrichtenseite aus?
  • Und wie bewerten Sie einzelne News-Anbieter im Internet?

Mit diesen Aspekten beschäftigt sich das hier vorgestellte Dissertationsprojekt. Ausgangspunkt ist dabei die Frage, inwieweit es möglich ist, die Nutzung bestimmter Nachrichtenformate anhand der Qualitätsurteile der Rezipienten zu begründen und damit eine Verbindung zwischen Qualitäts- und Nutzungsforschung zu schaffen. Den theoretischen Hintergrund bilden hierfür die Theorie der subjektiven Qualitätsauswahl und deren Annahme, dass Nutzer solche Medienangebote auswählen und intensiv nutzen, deren Qualität sie (bewusst und/oder unbewusst) positiv beurteilen (vgl. Wolling 2004).

Kernstück der Arbeit ist die Entwicklung eines Messinstruments zur Erfassung der Qualität von Nachrichtenanbietern im Internet aus Nutzersicht, zu dem bislang kein theoretisch und methodisch fundiertes Äquivalent vorliegt. Dieser Skalenentwicklung gehen eine explorative Vorstudie zur Identifikation relevanter Qualitätskriterien und ein anschließender Itemtest voraus. Mithilfe der 50 Items der Qualitätsskala soll untersucht werden, wie Rezipienten abhängig von Angebotsformat, eigenen Erwartungen, Wahrnehmungen und persönlichen Eigenschaften die Qualität von Nachrichtenangeboten beurteilen und in welchem Zusammenhang diese Beurteilung mit der tatsächlichen Nutzung steht.

Neben dem Qualitätsurteil werden weitere mögliche Einflussfaktoren auf die Nutzung erfasst wie Glaubwürdigkeit, Habitualisierung oder das politische Selbstvertrauen. Zusätzlich zu einer direkten Abfrage des Qualitätsurteils über Nachrichtenseiten erfolgt über den Abgleich von a) Erwartungen an eine ideale Nachrichtenseite und b) Wahrnehmungen von Eigenschaften eines konkreten Angebots ein indirekt ermitteltes Urteil. Ebenso verhält es sich beim Konstrukt Glaubwürdigkeit: ein Urteil wird zum einen direkt abgefragt und zum anderen indirekt über ein semantisches Differential in einem experimentellen Setting im Fragebogen erfasst.

Untersuchungsinstrument ist ein standardisierter Online-Fragebogen, der sich an deutsche Internetnutzer ab 14 Jahren richtet. Um die Generalisierbarkeit zu erhöhen, werden nicht einzelne Nachrichtenseiten betrachtet, sondern Klassen von Nachrichtenanbietern, so genannte Formate. In Anlehnung an Neuberger et al. (2009) wird zwischen den Formaten ‚professionell‘ (z. B. Spiegel Online), ‚partizipativ‘ (z. B. News-Blogs) und ‚technisch gesteuert‘ (z. B. Google News) unterschieden.

Die Studie ist derzeit noch nicht abgeschlossen, bei bisher 402 Befragten zeigen sich folgende Ergebnisse:

  • Das Item mit der höchsten zugeschriebenen Wichtigkeit für eine gute Nachrichtenseite (Erwartungen) ist: „informiert über Fakten und Tatsachen“, gefolgt von: „ist übersichtlich gestaltet“.
  • Beim direkt abgefragten Qualitätsurteil zeigt sich: als „sehr gut“ oder „eher gut“ bewertet wurden die professionellen Seiten von über 80 %, die partizipativen von nur knapp 30 % und die technisch gesteuerten Seiten von 37 % der Befragten.
  • Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit liegen letztere mit 26 % der Befragten, die diese Seiten für „sehr glaubwürdig“ und „eher glaubwürdig“ halten, noch hinter den partizipativen (31 %) und den professionellen Seiten (80 %).

Nach Beendigung der Studie wird sich zeigen, inwieweit das direkt ermittelte Qualitäts- und Glaubwürdigkeitsurteil mit den noch zu berechnenden indirekten Urteilen übereinstimmt. Mit der Prüfung eines Zusammenhangs zur Nutzung bestimmter Nachrichtenanbieter könnte geklärt werden, ob sich die Theorie der subjektiven Qualitätsauswahl anbietet, Aspekte der Mediennutzungs- und Qualitätsforschung sinnvoll zusammenzuführen und wie funktionsfähig sich dabei die entwickelte Skala erwiesen hat.

Quellen:

–          AGOf (Arbeitsgemeinschaft Online Forschung) Angebotsranking, Stand 28.07.2012: http://agof.de/angebotsranking.619.de.html

–          Neuberger, Christoph/Nuernbergk, Christian/Rischke, Melanie (Hrsg.) (2009): Journalismus im Internet: Profession – Partizipation – Technisierung. Wiesbaden: VS.

–          Wolling, Jens (2004): Qualitätserwartungen, Qualitätswahrnehmungen und die Nutzung von Fernsehserien. Ein Beitrag zur Theorie und Empirie der subjektiven Qualitätsauswahl von Medienangeboten. In: Publizistik 49 (2): 171-193.

 

Erstveröffentlichung: Journalistik Journal Nr. 2 / 2012

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