Eine Umfrage in Österreich zeigt, dass User-Engagement – die aktive Beteiligung und Einbindung von Nutzern in die Berichterstattung – für Medienunternehmen immer relevanter wird. Wie wirtschaftliche Vorteile daraus gezogen werden können, ist allerdings noch nicht klar.
Durch den digitalen Umbruch verlieren Medien ihre traditionelle Monopolstellung als Vermittler von Inhalten. Medienkonsumenten, Leser, Hörer, Seher, werden immer mehr zu interaktiven Usern, die sich mit dem Medium und untereinander austauschen oder auch bei der Gestaltung der Medien mit einbezogen werden wollen. Dieses User-Engagement funktioniert mittlerweile in beide Richtungen.
Es geht längst nicht nur mehr um Kommentarmöglichkeiten, auch die Redaktionen selbst nutzen ihre User verstärkt als Quelle für Inhalte und für Recherchen oder nutzen das direkte Feedback zur Verbesserung und Weiterentwicklung ihrer Medien. In der US-amerikanischen Medienlandschaft ist das User-Engagement bereits sehr weit fortgeschritten. Eine aktuelle Studie stellte die Frage, wie österreichische Medienunternehmen das Thema einschätzen.
Das fjum, Forum Journalismus und Medien Wien, hat sich gemeinsam mit der Innovations- und Beratungsagentur The Engagement Lab im Rahmen ihres Projekts MedienFokus, das aktuelle mediale Entwicklungen in Österreich untersucht, dem Thema User-Engagement gewidmet. In einer Online-Befragung wurden 103 österreichische Medienunternehmen befragt, 36 haben geantwortet: Wie wichtig sind den Redaktionen die Interaktion mit ihren Nutzern und welche Rolle spielt User-Engagement für die Weiterentwicklung ihrer Marken? Welche Formate setzen sie mit welchen Zielsetzungen ein, was wissen die Medien über ihre Nutzer und wie wird dieses Wissen genutzt?
Das Ergebnis: Auch die österreichische Medienbranche kommt um die Interaktion mit ihren Lesern nicht mehr herum. 35 von 36 Medienunternehmen verwenden mittlerweile Tools und Formate für die aktive Beteiligung ihrer Nutzer. Dabei ergibt sich allerdings ein klares Bild: Die Bedeutung von User-Engagement wird eher in den Bereichen Feedback, Kommentare oder Anregungen verortet, echter Austausch wird noch nicht strategisch forciert.
Bei Inhaltgenerierung und Recherche etwa spielt User-Engagement in Österreich noch eine eingeschränkte Rolle: Der Anteil der tatsächlich aktiven Nutzer liegt bei über der Hälfte der Medien bei maximal 20 Prozent. Das mag auch daran liegen, dass Feedback und Anregungen zwar erwünscht sind, einer wirklich aktiven Beteiligung der Nutzer am Entstehungsprozess ihrer Inhalte die befragten Medien aber noch eher skeptisch gegenüberstehen. Denn: Für die Mehrheit der befragen Medien sind User als Quelle oder für die Recherche „weniger wichtig“ oder „unwichtig“.
Auch das unmittelbare Einbeziehen des Publikums in den redaktionellen Prozess spielt eine untergeordnete Rolle und wird kaum strategisch eingesetzt. Nur etwa ein Drittel der befragten Medien bezieht ihre Nutzer in redaktionelle Abläufe ein, und wenn, dann meist über traditionelle Wege wie Umfragen oder Abstimmungen. Innovativere Ansätze wie die Nutzung der „Wisdom oft the Crowd” oder der “Userpower” bei der Aufarbeitung größerer Datenmengen werden nur von wenigen Medien angeboten. Live-Austausch mit Usern, etwa über Hangouts oder vergleichbare Live-Events, oder etwa Einbeziehung in Redaktionskonferenzen, wird nicht genutzt.
Im Gesamtblick zeigt sich, dass User-Engagement den österreichischen Medien zwar wichtig erscheint, derzeit aber in erster Linie für die Markenbindung und zur Steigerung der Reichweite als strategisch bedeutsam eingeschätzt wird. Wirtschaftliche Motive bleiben untergeordnet, wenn, dann ist die Steigerung der Werbeerlöse ist den Medien wichtiger als Steigerung von Einzel- oder Aboverkauf. Ein Paradigmenwechsel hin zu systematischer strategischer Einbindung von Nutzern zeichnet sich erst langsam ab.
Das Projekt Medienfokus wird aus Mitteln der ZIT – Die Technologieagentur der Stadt Wien GmbH – gefördert.
Hier geht es zu den Ergebnissen des MedienFokus I
Bildquelle: geralt / pixabay.com
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