Deutsche Journalisten hinken bei der Nutzung von sozialen Medien im Arbeitsalltag ihren Kollegen im angelsächsischen Sprachraum eher hinterher. Zudem haben sie auch einen niedrigeren Kenntnisstand über soziale Medien und eine negativere Einstellung zu ihnen als ihre Kollegen aus Kanada, den USA und Großbritannien.
Das sind die zentralen Ergebnisse einer international vergleichenden Studie, die im Auftrag von Cision Germany, einem Anbieter von Software und Dienstleistungen für die PR- und Marketingindustrie, erstellt wurde. Die Federführung hatten Falk Rehkopf (Cision Germany), Ágnes Gulyás und Kristine Pole (beide Canterbury Christ Church University, Kent).
Die beiden vordersten Plätze im „Social Journalism-Barometer“, das die Forscher entwickelt haben, belegen Kanada und die USA. Nordamerikanische Journalisten seien führend bei der Einbettung sozialer Medien in die Berufspraxis. Zudem nutzten dort auch eine große Zahl älterer Journalisten diese Medien aktiv. Großbritannien belegt Platz 3.
Obwohl 98 Prozent der deutschen Journalisten – also fast alle – Social Media beruflich nutzen, sind sie im Umgang mit ihnen skeptischer geworden. 2012 glaubten nur noch 32 Prozent der befragten Journalisten, dass soziale Medien den direkten Kontakt mit Zielgruppen ermöglichen; im Vorjahr waren das noch 68 Prozent. Nur noch 30 Prozent der Journalisten bestätigten, dass sie durch soziale Medien produktiver waren; 2011 waren es noch neun Prozent mehr. Dass Crowdsourcing die Qualität des Journalismus positiv beeinflusse, glaubten 2012 nur noch 19 Prozent – im Vorjahr waren es noch 28 Prozent. Der Aussage, dass „soziale Medien den Untergang eines professionellen Journalismus“ heraufbeschwören, stimmten dagegen 2012 mehr Journalisten zu (57 Prozent) als 2011 (41 Prozent).
Die befragten Journalisten nutzen soziale Medien vor allem für die Recherche und recherchieren in Content Communities sowie mit Hilfe von Crowdsourcing-Websites Soziale Netzwerke nutzten 43 Prozent der Journalisten für ihre Recherche, Blogs 42 Prozent und audio-visuelle Seiten wie YouTube und Flickr 42 Prozent.
Deutsche Journalisten nutzen soziale Medien aber auch, um „jemandem in einem sozialen Netzwerk zu folgen“ (81 Prozent), „Diskussionen über eigene Inhalte zu verfolgen“ (75 Prozent), „neue Leute im eigenen Tätigkeitsbereich kennenzulernen“ (74 Prozent) und „auf Kommentare bezüglich eigener Arbeit zu antworten“ (71 Prozent).
Social Media würden damit zunehmend von Journalisten zum Monitoring genutzt und nicht nur als Quelle für Informationen oder zur Veröffentlichung eigener Inhalte, so die Verfasser der Studie.
Allerdings habe mehr als die Hälfte deutscher Journalisten noch nie beruflich gebloggt, Inhalte zu Content Communities oder Crowdsourcing-Seiten beigesteuertoder einen Re-Tweet auf Twitter gepostet.
383 deutsche Journalisten haben sich an der Umfrage beteiligt, die Daten wurden im Juni und Juli 2012 erfasst.
Insgesamt wurden 3.650 Antworten von Journalisten aus elf Ländern ausgewertet: Neben den USA, Kanada, Deutschland und Großbritannien waren auch Australien, Finnland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Schweden und Spanien beteiligt.
Die Forscher identifizieren fünf verschiedene Journalisten-Typen, die anhand ihrer Nutzung, Kenntnisse, Einstellung und ihres Verhaltens bezüglich sozialer Medien klassifiziert wurden – Skeptiker, Beobachter, Architekten, Jäger und Promotoren. Im Vergleich zu den anderen Ländern in der Studie weist Deutschland die größte Gruppe an „Skeptikern“ auf – 35 Prozent der Befragten fällt in diese Gruppe. „Skeptiker“ nutzen soziale Medien am wenigsten, betreiben kein Networking, publizieren selten oder nie Inhalte in sozialen Medien. Zudem fürchten sie negative Auswirkungen auf ihren Berufsstand.
Andererseits gehören 23 Prozent der befragten deutschen Journalisten zur Gruppe der „Beobachter“ und 21 Prozent zu den „Architekten“. „Beobachter“ observieren die Ereignisse in sozialen Medien sehr genau und besuchen diese Seiten mindestens einmal pro Woche, veröffentlichen jedoch nicht so häufig eigene Beiträge oder Kommentare. „Architekten“ nutzen soziale Medien am häufigsten, haben den besten Kenntnisstand, stehen den sozialen Tools insgesamt sehr positiv gegenüber und sind der Ansicht, dass diese langfristig positive Auswirkungen auf den eigenen Berufsstand haben werden.
Die hohen Prozentwerte auf beiden Seiten des Spektrums zeigen eine starke Polarisierung unter deutschen Journalisten, die so in keinem anderen analysierten Land zu finden ist: auf der einen Seite eine sehr aktive Social Media-Nutzung, auf der anderen eine abwartende bis ablehnende Haltung. So entstehe ein Bild von deutschen Journalisten, heißt es in der Studie, „die soziale Medien entweder lieben oder hassen.“
Hier geht es zum Dowload der Social Journalism Studie 2012/13 – Deutschland
Bildquelle: Gerd Altmann / pixelio.de
Schlagwörter:Architekten, Beobachter, Cision Germany, crowdsourcing, Deutschland, Großbritannien, Journalisten, Kanada, Recherche, Skeptiker, Social Journalism-Barometer, Social Media, Soziale Medien, USA