Die Twitter-Berge des Ex-Präsidenten: War es strategische Absicht oder stimmungsgeleitetes, intuitives Handeln von Donald Trump?
Ein Vermächtnis, das der ehemalige US-Präsident hinterlässt, sind seine Aktivitäten auf Twitter. Bis zu seiner Sperre am 8. Januar 2021 hatte @therealdonaldtrump über 88 Millionen Follower und twitterte insgesamt fast 60 000 Botschaften. Während seiner Amtszeit waren es im Durchschnitt mehr als 30 und im Maximum bis zu 200 Tweets pro Tag.
Für Kommunikationswissenschaftler, Sprachforscher und Datenjournalisten werden diese Textberge mehr und mehr zu einem Ausgrabungsort. Sie sind ergiebige Fundstätten für die Analyse von Desinformation, Fake News und Hassrede, aber auch für eine erfolgreiche Netzkommunikation, die Umgehung der traditionellen Massenmedien und die Beeinflussung der öffentlichen Themenagenda.
Eine statistische Analyse der Tweets von Trump haben jetzt Stephan Lewandowsky, Michael Jetter und Ullrich Ecker von der University of Western Australia vorgelegt. Mit komplexen Kausalmodellen überprüften sie die These, dass der Präsident immer dann intensiv über seine Lieblingsthemen twitterte, wenn die Medienberichterstattung sich den politischen Skandalen im Weißen Haus zuwandte. Sie untersuchten dafür die Tweets zur (Begrenzung der) Einwanderung, zum (Aufschwung auf dem) Arbeitsmarkt und zum (Handelskrieg mit) China während der offiziellen Ermittlungen zur russischen Wahlkampfunterstützung.
Im Ergebnis konnten die Forscher nicht nur einen signifikanten Zusammenhang zwischen Trumps Tweets und der Medienberichterstattung in der „New York Times“ und den Fernsehnachrichten bei ABC feststellen. Sie konnten auch nachweisen, dass die Ablenkungsmanöver erfolgreich waren – die Skandalberichterstattung ging in der Folge nachweislich zurück. Vergleichbare Zusammenhänge stellten sie für weniger skandalträchtige Themen (Brexit, Personalia, Sport) nicht fest.
Die Zuschreibung von Ursache und Wirkung lässt sich bei solchen Zusammenhangsanalysen nicht vollständig absichern – es kann immer auch andere, unbekannte Gründe für die Entwicklung der konkreten Nachrichtenlage gegeben haben. Die Forscher zeigen aber in umfangreichen Analysen, dass alternative Erklärungsmodelle für die vorliegenden Daten extrem unwahrscheinlich sind.
Was sie bis auf Weiteres mit Ihren Daten nicht erklären können, ist etwas anderes: War es strategische Absicht oder stimmungsgeleitetes, intuitives Handeln von Trump?
Stefan Lewandowsky, Michael Jetter und Ullrich K.H. Ecker (2020): Using the president’s tweets to understand political diversion in the age of social media. In: nature communications 11, 1-12 (https://doi.org/10.1038/s41467-020-19644-6)
Andrew Weissmann (2020): Where Law Ends. Inside the Mueller Investigation. Random House.
Erstveröffentlichung: tagesspiegel.de
Bildquelle: pixabay.com
Schlagwörter:ABC, Donald Trump, Medienberichterstattung, New York Times, Social Media, Twitter, USA