Gibt es ein Patentrezept für den Twitter-Erfolg? Eine aktuelle Studie liefert Antworten.
Für viele Journalisten spielt es eine große Rolle, wie populär sie in den sozialen Netzwerken, vor allem aber auf Twitter, sind. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen kommt eine erfolgreiche Social-Media-Präsenz gut bei ihren Arbeitgebern an, da sie, so die Theorie, die Reputation eines Medienunternehmens stärken und dazu beitragen kann, mehr Traffic zu generieren.
Und auch Journalisten selbst sind gerne populär (wer ist das nicht?). Abgesehen davon, dass das dem eigenen Ego gut tut, wissen viele Journalisten, dass die Online-Popularität zumindest eine gewisse Rolle bei Einstellungs- und Beförderungsentscheidungen spielt.
Aber wie genau wird ein Journalist in den sozialen Netzwerken populär? Welche Faktoren bestimmen die Bekanntheit eines Journalisten auf einer Plattform wie Twitter? Oder, um es anders auszudrücken: Gibt es so etwas wie ein Patentrezept, mit dem man erfolgreich von einem Nobody zu jemandem wie Jon Snow oder Maggie Haberman werden kann?
Mithilfe einer quantitativen Analyse von Twitter-Daten und Profilen von 300 britischen Journalistinnen und Journalisten habe ich untersucht, welchen Einfluss eine unterschiedliche Nutzung von Twitter auf die Popularität von Journalistinnen und Journalisten auf der Plattform hat. Die Ergebnisse sind durchaus überraschend.
Nicht nur der Inhalt zählt – oder?
Auch wenn sich Journalisten in den sozialen Medien generell so verhalten dürfen, wie sie wollen, haben diesbezüglich die Spannungen zwischen Journalisten und ihren Arbeitgebern in den letzten Jahren zugenommen. Ein häufiger Grund dafür sind unterschiedliche Erwartungen, die beide Seiten an die persönliche Vermarktung auf Plattformen wie Twitter haben. Trotz der positiven Nebenwirkungen haben in letzter Zeit immer mehr Medienhäuser versucht, die Aktivitäten ihrer Mitarbeiter in den sozialen Medien zu kontrollieren, um ihren eigenen Ruf zu schützen. Damit haben sie aber nicht nur den Spielraum von Journalisten für ihre eigene Vermarktung (und damit auch die Chance populärer zu werden) eingeschränkt – solche Richtlinien präzisieren auch selten, wie eine „erfolgreiche“ Eigenvermarktung eigentlich aussehen kann.
Da es bei Twitter aber um mehr als nur den Inhalt von Tweets geht, habe ich mir in meiner Studie nicht angesehen, was Journalisten tweeten, sondern mich stattdessen auf andere Formen des Verhaltens und der Selbstdarstellung von Journalisten konzentriert. Während der Inhalt von Tweets in der Regel von den Social-Media-Richtlinien der Medienunternehmen reguliert wird, wird die Selbstdarstellung eines Journalisten und die Art und Weise, wie er die anderen Angebote einer Plattform nutzt, in der Regel nicht überwacht – zumindest nicht in Großbritannien. Sie bieten somit eine mögliche Alternative, die eigene Popularität zu steigern, ohne mit den Regeln in Konflikt zu geraten. Letztlich habe ich (unter anderem) die folgenden Faktoren unter die Lupe genommen: der Einsatz von Videos und Fotos, Links zu Artikeln oder anderen Inhalten, wie oft der Journalist etwas retweetet und wie professionell das Twitter-Profil des Journalisten ist.
Das Resultat wird für einige ernüchternd sein. Für die meisten dieser Faktoren konnte ich keinen wirklich signifikanten Einfluss auf die Popularität feststellen. Am überraschendsten war jedoch, in welchem Verhältnis der Einsatz von Fotos und Videos zur Popularität stand. Social-Media-Richtlinien und Ratgeber für Journalisten schlagen oft vor, Fotos und dergleichen zu tweeten, um Aufmerksamkeit zu erregen. Doch entgegen dem, was diese Richtlinien suggerieren (und entgegen dem, was ich erwartet hatte), wirkte es sich nicht erkennbar auf die Popularität eines Journalisten aus, wenn er oder sie Fotos oder Videos tweetete.
Kein Patentrezept für den Erfolg
So leid es mir auch tut: laut meiner Studie gibt es kein Patentrezept, wie Journalisten ihre Popularität auf Twitter steigern können. Es scheint zwar zu helfen, auf ständiges „Retweeten“ und die zwanghafte Verwendung von Hashtags zu verzichten (es sei denn, man will als Spammer gelten), aber Journalisten können auf der Plattform selbst nicht viel tun, um bekannter zu werden. Gute Arbeit – guten Journalismus – zu leisten, scheint immer noch der zuverlässigste Weg zu sein, um sich einen Namen zu machen und mehr Follower zu sammeln.
So weit, so gut, könnte man an dieser Stelle sagen. Doch so einfach ist es nicht. Ich hatte eingangs bereits erwähnt, dass die Popularität eines Journalisten auf Plattformen wie Twitter zumindest eine gewisse Rolle spielen kann, wenn es um Einstellungs- und Beförderungsentscheidungen geht. Im Journalismus und in anderen Branchen deutet einiges darauf hin, dass die Werte, mit denen Popularität auf Social-Media-Plattformen gemessen wirdn (z.B. die Anzahl der Follower) von Führungskräften zunehmend als zuverlässige Leistungsbeurteilung angesehen werden.
Vertrauen Sie nicht den Metriken
Die aus dieser und anderen Studien gewonnen Erkenntnisse zeigen jedoch, dass man sich auf Social Media Metriken als Maß für „Leistung“ oder „Wert für das Unternehmen“ nicht verlassen kann, da sie von Faktoren abhängen, die von Journalisten nicht beeinflusst werden können. Diese Metriken als Maßstäbe heranziehen, könnte jenen Journalisten schaden, die es online nicht geschafft haben – ohne, dass es ihre Schuld ist.
Der deprimierende Aspekt an dieser Sache: Den Medienhäusern kann diese Form der Ungerechtigkeit theoretisch egal sein. Journalisten, die auf Social Media populär sind, helfen der Reputation so oder so – es spielt letztendlich keine Rolle, ob ihre Popularität aus ihrer journalistischen Arbeit resultiert oder von anderen Faktoren abhängt. Wie oder warum ein Journalist online populär wird, muss das Unternehmen nicht interessieren, solange es einige sehr populäre Journalisten gibt, die genug Aufmerksamkeit auf das eigene Haus lenken.
Das vollständige Paper „What Determines A Journalist’s Popularity?“ wurde in Journalism Studies veröffentlicht.
Schlagwörter:Eigenvermarktung, Fotos, Journalisten, Metriken, Popularität, Social-Media-Richtlinien, Soziale Medien, Twitter, Videos