Die Zeiten für digitale Medienunternehmen sind hart. Viele haben in der Hoffnung auf Gewinne rasch expandiert, jetzt droht die große Ernüchterung. Ein neuer Bericht des Reuters Institute nimmt die Situation von BuzzFeed, Vice und Co jetzt genauer unter die Lupe.
Digitale Medienunternehmen stehen vor einer düsteren Zukunft: Während die Werbeeinnahmen von Google und Facebook nur so sprudeln, haben selbst die Größten unter den neuen „digitalen“ Medienunternehmen Probleme, sich über Wasser zu halten. November war für viele ein besonders schwieriger Monat. Verizons „Oath“, zu dem auch The Huffington Post, Yahoo, TechCrunch und AOL gehören, hat weitere 560 Mitarbeiter entlassen müssen, während „Mashable“ für nur 50 Millionen US-Dollar verkauft wurde; deutlich unter dem geschätzten Marktwert von 250 Millionen US-Dollar.
Am schockierendsten war jedoch für viele die Nachricht, dass die digitalen Giganten BuzzFeed und Vice, ihre Umsatzprognosen für 2017 verfehlen würden. BuzzFeed erwartet rund 15 bis 20 weniger Umsatz als geplant, 100 Mitarbeiter sollen deshalb in einem ersten Schritt entlassen werden, 45 davon alleine bei BuzzFeed UK.
Ein Blick hinter die Kulissen der „digital players“
Vor diesem Hintergrund hat das Reuters Institute for the Study of Journalism nun einen neuen Bericht veröffentlicht, in dem die schwierige Situation dieser „digital players“ genauer unter die Lupe genommen wird. Tom Nicholls, Nabeelah Shabbir und Rasmus Kleis Nielsen analysieren darin anhand von Interviews mit leitenden Redakteuren und Führungskräften von HuffPost, Mashable, Vice, Quartz, De Correspondent, Brut und Business Insider die grundlegenden Geschäfts-, Vertriebs- und Redaktionsstrategien der digitalen Medienunternehmen und zeigen auf, welche Herausforderungen auf diese zukommen.
Sie stellen dabei fest, dass „diese Medien – oft auf Basis von Risikokapital oder anderen Geldgebern –, eine expansive globale Strategie verfolgt haben, die auf maximales Wachstum ausgerichtet ist, um darauf aufbauend Gewinne aus Werbeeinnahmen zu generieren“. Alle in der Studie untersuchten Unternehmen zielten in ihrer Expansionsstrategie vor allem auf die Vereinigten Staaten sowie einen oder mehrere zusätzliche Märkte ab. Wenig überraschend handelt es sich dabei vorrangig um Märkte in Demokratien mit hohem Einkommensniveau und flächendeckendem Internetzugang.
Vertriebsstrategien, Geschäftsmodelle, Expansion – Was machen die digitalen Unternehmen anders?
Besonders erhellend sind die Erkenntnisse zu den Vertriebsstrategien der verschiedenen Medien. Der Bericht hebt hervor, dass viele eine Kombination aus „On-Site“ (Inhalt, der auf eigenen Websites veröffentlicht wird) und „Off-Site“-Distribution (Inhalte werden zum Beispiel über Social-Media-Plattformen veröffentlicht) verfolgen. Hinzu komme eine aggressive Suchmaschinenoptimierung und das Bewerben von Inhalten in sozialen Medien. Das Ziel sei es, so die Autoren, eine große Leserschaft über mehrere Länder hinweg aufzubauen.
Ein weiterer Aspekt, auf den die Studie eingeht, sind die Geschäftsmodelle der „digital players“. Digitale Bannerwerbung, insbesondere für stark international ausgerichtete Medien, sei „ein zunehmend schwieriger werdender Markt“; schwieriger, weil immer mehr Menschen Inhalte mobil konsumierten, Social-Media-Plattformen starke Konkurrenten seien, und Ad-Blocker immer häufiger zum Einsatz kämen. Bezahl- oder Mitgliedermodelle seien hingegen selten. Viele digitale Medienunternehmen, so stellen die Autoren fest, befänden sich immer noch im Wachstumsmodus und machten bisher noch nicht konstant Profit.
Schließlich geht der Bericht auch auf die Schwierigkeiten ein, die bei der Expansion in mehrere Märkte entstehen. Die Unternehmen müssten nicht nur damit fertig werden, wie man den globalen mit dem lokalen Fokus vereine, sondern auch Überlegungen anstellen, ob sie mit anderen Medien kooperieren oder lieber den Alleingang wagen wollten. Mindestens ebenso schwierig sei es, ein einheitliches Auftreten über mehrere Ländereditionen und Sprachen sicherzustellen und verschiedene, globale, Redaktionen zu koordinieren.
Wo stehen „digital players“ im Medien-Ökosystem?
Obwohl sie sich selbst zuständig für die Nischen fühlen, stehen laut dem Bericht alle untersuchten Unternehmen inhaltlich in Konkurrenz zu traditionellen Medien – sowohl international, als auch in den jeweiligen Heimatländern. Dementsprechend ähnelten sich auch die Herausforderungen. Diese, so Nicholls und Co. seien für alle gleich.
Genau wie etablierte Medienunternehmen müssten die „digital players“ sich Gedanken darüber machen, wie sie „redaktionelle sowie Vertriebs- und Finanzierungsstrategien entwickeln können, die die nachhaltige und vielleicht sogar profitable Produktion hochwertiger Nachrichten in einer zunehmend digitalen, mobilen und plattform-dominierten Medienumgebung ermöglichen“, schreiben die Autoren in ihrem Bericht. Sind BuzzFeed, Vice und Co also innovativ? Es scheint so. Aber machen sie wirklich alles anders, ja „disrupten“ die Industrie? Wohl eher nicht.
Was also sind die Stärken und Schwächen von international ausgerichteten digitalen Medienunternehmen? Dem Bericht zufolge bestehen deren Stärken vor allem in „einer schlankeren Organisation, einer klareren strategischen Ausrichtung sowie einer stärkeren redaktionellen Identität“ als bei vielen etablierten Medien. Dazu komme ein „effektiverer Einsatz von Technologie, sowohl in Bezug auf die Nutzung von Plattformen und Suchmaschinen als auch in Bezug auf hauseigene Tools zur Automatisierung und Vereinfachung von Arbeitsabläufen.“
Die Schwächen? Die starke Abhängigkeit von digitaler Werbung als Haupteinnahmequelle und die hohe Abhängigkeit von Plattformen, insbesondere Facebook. Beides stelle laut dem Bericht ein ernsthaftes Risiko für das Überleben der digitalen Medienavantgarde dar. Doch damit nicht genug, denn zu dieser nüchternen Einschätzung kommt gegen Ende des Berichts noch eine weitaus düsterere Vorhersage hinzu, die aufhorchen lassen sollte: „Der digitale Journalismus“, schreiben Nicholls, Shabbir und Kleis Nielsen, „ähnelt einer Blase, in der die meisten Anbieter weiterhin unter Verlusten operieren […]. Die Blase wird schlussendlich platzen, wenn diese Unternehmen keine nachhaltigeren Geschäftsmodelle finden.“
Der vollständige Bericht „The Global Expansion of Digital-Born News Media“ wurde vom Reuters Institute for the Study of Journalism herausgegeben und ist hier abrufbar.
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