Zur Qualität crossmedialer Verweise

2. November 2016 • Digitales, Forschung aus 1. Hand, Qualität & Ethik • von

Wie es um die Qualität crossmedialer Verweise in Printmedien bestellt ist, zeigt eine neue Studie. So deprimierend die Ergebnisse auch sein mögen: Sie zeigen gerade deshalb viel Potential zur Optimierung auf. 

crossmediaCrossmedia galt lange Zeit als Zauberwort, das mittlerweile seinen Zauber verloren hat. Die Dissertation „Weitere Infos unter…“ untersucht die Qualität von über 1000 crossmedialen Verweisen in ausgewählten Tages- und Wochenzeitungen sowie Publikumszeitschriften. Dabei fällt zweierlei auf: Das verkannte Potential, das in der Verwendung crossmedialer Verweise liegt, und die vielen Mängel wie die Verwendung werbesprachlicher Formulierungen.

Unterschiedliche Qualitätskriterien crossmedialer Verweise

Für die Arbeit wurden zwölf Qualitätskriterien zur Bewertung crossmedialer Verweise in ausgewählten Tages- und Wochenzeitungen sowie Publikumszeitschriften festgelegt. Kriterien für eine positive Bewertung crossmedialer Verweise sind Nutzwert, Sinnlichkeit, Attraktivität, Verständlichkeit, Vielfalt und Interaktivität. Kriterien zur Beschreibung der Mängel von crossmedialen Verweisen sind Richtigkeit, Technik, Aktualität, Zugänglichkeit und Unabhängigkeit. Für eine positive wie auch negative Bewertung eignet sich das Kriterium der Transparenz. Entsprechend dieser Qualitätskriterien wurden die crossmedialen Verweise in drei Kategorien einteilt: Verweise mit Relevanz (= Verweise, die keine Mängel aufweisen und mindestens ein Qualitätskriterium erfüllen), Verweise ohne Relevanz (= Verweise ohne Mängel und ohne ein Qualitätskriterium) und Verweise mit Mängeln.

Typologie crossmedialer Verweise

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Typologie crossmedialer Verweise

Die Verweise mit Relevanz lassen sich mit Blick auf deren Qualitätskriterien in vier Dimensionen einteilen: 1. Inhaltliche Dimension, 2. Mediale Dimension, 3. Sozial-ökonomische Dimension und 4. Publizistische Dimension. So versuchen Verweise, die auf der Inhaltsebene anzusiedeln sind, Lesern einen weiteren Beitrag zur Rezeption schmackhaft zu machen (= Attraktivität) oder der Inhalt im Verweis-Ziel bietet einen bestimmten Nutzwert (= Nutzwert). Verweise zu Erklärungen über den ersten Medieninhalt (= Verständlichkeit) sind ebenfalls der inhaltlichen Dimension zuzuordnen sowie Verweise zu weiterführenden Inhalten und Übersichten (= Vielfalt). Zu dieser inhaltlichen Dimension gesellt sich eine mediale Dimension hinzu. Diese bietet Lesern aufgrund des Mediums, zu dem sie wechseln, neue Informationen (= Sinnlichkeit). Eine soziale-ökonomische Dimension liegt bei Verweisen vor, die zu einem Austausch, der Beteiligung an weiteren Produktionen oder zu bestimmten Aktionen einladen (= Interaktivität). Die letzte der vier Dimensionen, die publizistische Dimension, zeichnet sich durch ihren Bezug auf das Offenlegen von Hintergründen bzw. der Genese des journalistischen Produkts aus (= Transparenz).

Höchster Anteil bei Verweisen mit Mängeln

In den untersuchten 20 Tages- und Wochenzeitungen sowie Publikumszeitschriften sind insgesamt 1.162 crossmediale Verweise enthalten. Der Gesamtdurchschnitt beträgt circa 58 Verweise pro Titel. Verweise mit Mängeln stellen mit 47,8 Prozent den höchsten Anteil dar. Verweise ohne Mängel, die aber auch kein einziges Qualitätskriterium erfüllen, sind zu 33 Prozent enthalten.

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Crossmediale Verweise mit Relevanz, ohne Mängel und mit Mängeln verteilt nach ausgewählten Tages- und Wochenzeitungen sowie Publikumszeitschriften (N = 1.162).

Der hohe Anteil an Mängeln ist durch die zahlreichen werblichen Verweise, die das Kriterium der Unabhängigkeit verletzen, zu erklären. Zum einen führen Verweise zu Kaufangeboten und in Online-Shops; auch in Shops von Redaktionen. Zum anderen enthalten die Verweis-Texte zum Teil werbesprachliche Kommentierungen, um offensichtlich bei den Lesern das Interesse an ausgewählten Produkten zu wecken. Wenn die Bravo Fruchtgummis vorstellt und diese mit den Worten ‚Zum Anbeißen! Sind schrecklich lecker‘ beschreibt, könnte man noch darüber hinwegsehen, weil es sich ohnehin nicht um eine Zeitschrift handelt, die für Qualitätsjournalismus bekannt ist. Verweist aber ein Magazin wie Geo oder Zeitungen wie die Süddeutsche oder Die Zeit ohne journalistische Notwendigkeit mit werbesprachlichen Formulierungen zu einem kommerziellen Anbieter, lässt sich dies durchaus kritisch betrachten.

Mehr crossmediale Verweise zur Qualitätserhöhung

Verweise, die keine Mängel aufweisen und mindestens ein Qualitätskriterium erfüllen, also Verweise mit Relevanz, sind lediglich mit 19,2 Prozent in der Stichprobe vertreten. Das Kriterium der Interaktivität war unter den Qualitätskriterien mit 40 Prozent am häufigsten vorzufinden – im Vergleich zu den Kriterien Nutzwert und Vielfalt mit je 20,3 Prozent. Weniger häufig konnten die Kriterien Sinnlichkeit mit 10,5 Prozent, das der Attraktivität mit 7,9 Prozent und das der Transparenz mit lediglich einem Prozent identifiziert werden. Redakteure könnten mithilfe von transparenten Verweisen zu Quellen die journalistische Qualität erhöhen. Sie würden es ermöglichen, Hintergründe zur journalistischen Recherche, die einem Artikel zugrunde liegen, offen zu legen. Verweise hingegen, die das Kriterium der Interaktivität erfüllen, scheinen derzeit unter anderem aufgrund der Vielzahl an User Content-Angebote zu boomen. Etwas irritierend wirkt die geringe Anzahl an „sinnlichen“ Verweisen. Gerade mit einer Verbindung von Print und Bewegtbild ließen sich Aussagen im Artikel geschickt ergänzen und den Informationsgehalt erhöhen.

Die Verteilung nach Titeln mit inhaltlichem Fokus auf Politik, Wirtschaft und Kultur (ohne Boulevard*) und Boulevardzeitungen, Special Interest- und Publikumszeitschriften (mit Boulevard**) ergibt ein klares Bild: So ist der der Anteil an crossmedialen Verweisen mit Relevanz in der ersten Gruppe (ohne Boulevard) mit 23,2 Prozent höher. In der Gruppe mit Boulevard-Titeln beträgt der Anteil an Verweisen mit Relevanz nur 17,5 Prozent. In dieser Gruppe sind mangelhafte Verweise mit 57,9 Prozent in einer höheren Anzahl vertreten. Dominierend ist hier wenig überraschend die Zielgruppenpresse mit 62,3 Prozent an Verweisen mit Mängeln. Im Vergleich dazu besitzen Tages- und Wochenzeitungen (ohne Boulevard) mit 27,5 Prozent sowie Nachrichtenmagazine mit 18,7 Prozent einen eher geringen Anteil an Verweisen mit Mängeln:

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Crossmediale Verweise mit Relevanz, ohne Mängel und mit Mängeln verteilt nach unterschiedlichen Gattungen ausgewählter Printmedien (1.224 Antworten bei 1.162 Verweise/Mehrfach-Antworten).

Drei Viertel der Verweise führen zu Online-Medien

Auch die Argumente, die in den Verweisen genannt sind, wurden ausgewertet. Den höchsten Anteil mit 25 Prozent nehmen die Formulierungen ein, die auf eine Kaufmöglichkeit von Produkten abzielen. Lediglich in 17,0 Prozent findet sich die klassische Beschreibung „Weitere Infos unter“ wider. 76,9 Prozent, was über drei Viertel der untersuchten crossmedialen Verweise entspricht, führen zu Online-Medien (N = 1.162). Lediglich 23,1 Prozent der analysierten Verweise machen Leser auf die Inhalte klassischer Medien wie Radio oder Fernsehen aufmerksam.

Anhand der Klassifizierung der Verweise nach Qualitätskriterien wird das Potential von crossmedialen Verweisen deutlich. So lässt sich die Typologie der Verweise in der journalistischen Praxis heranziehen, um gegebenenfalls bestimmte Dimensionen zu erhöhen. Die Beschreibung der Mängel kann zur Optimierung der Qualität verwendet werden.

*Ohne Boulevard: 1. Zeitungen: Süddeutsche Zeitung, Die Zeit, Die Welt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Augsburger Allgemeine Zeitung 2. Nachrichtenmagazine: Der Spiegel, Focus

**Mit  Boulevard: 1. Zeitung (Boulevard): Bild 2. Special Interest: Landlust, Geo, TV 14, Computer Bild 3. Zielgruppenpresse: Geolino, Eltern, Men’s Health, Bild der Frau, Brigitte, Bravo 4. Publikumszeitschriften (Boulevard): Bunte, Stern

 

Plank, Christiane A. (2016): „Weitere Infos unter…“ Zur Qualität crossmedialer Verweise in ausgewählten Tages- und Wochenzeitungen sowie Publikumszeitschriften. Berlin: Logos Verlag (Dissertation)

 

Ausgewählte Literatur

Arnold, Klaus (2009): Qualitätsjournalismus: Die Zeitung und ihr Publikum. Konstanz: UVK Verlag.

Brüggemann, Michael (2002): The Missing Link: Crossmediale Vernetzung von Print und Online. München: R. Fischer Verlag.

Engesser, Sven (2013): Die Qualität des Partizipativen Journalismus im Web. Bausteine für ein integratives theoretisches Konzept und eine explanative empirische Analyse. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Goderbauer-Marchner, Gabriele (2010): Qualitätsjournalismus im Crossmedia-Zeitalter. Passt das zusammen? In: Hohlfeld, Ralf/Müller, Philipp/Richter, Annekathrin/Zacher, Franziska (Hg.): Crossmedia – Wer bleibt auf der Strecke? Berlin: Lit-Verlag, S. 70-91.

Gambarato, Renira (2013): Transmedia Project Design: Theoretical and Analytical Considerations. In: Baltic Screen Media Review 1/2013, S. 80-100.

Handstein, Holger (2013): Die Crossmedialisierung des Lokaljournalismus und ihre Implikationen für die journalistische Qualität. In: Pöttker, Horst/Vehmeier, Anke (Hg.): Das verkannte Ressort. Probleme und Perspektiven des Lokaljournalismus. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 139-159.

Held, Barbara/Ruß-Mohl, Stephan (2005): Qualitätsmanagement als Mittel der Erfolgssicherung. In: Fasel, Christoph (Hg.): Qualität und Erfolg im Journalismus. Michael Haller zum 60. Geburtstag. Konstanz: UVK Verlag, S. 49-63.

Kretzschmar, Sonja (2008): Crossmedialer Journalismus. Von Mojos, Wunderwuzzis und crossmedialer Ausbildung mit Ulrich Pätzold. In: Hausmann, Lothar/Kretzschmar, Sonja/Opitz, Stefanie/Röpter, Horst (Hg.): „Wir müssen mehr experimentieren.“ Journalistenausbildung zwischen Wissenschaft und Praxis. Ein Lesebuch für Ulrich Pätzold. Dortmund: QuaMedia Verlag, S. 108-122.

Meier, Klaus (2010): Crossmedialer Journalismus. In: Hohlfeld, Ralf/Müller, Philipp/ Richter, Annekathrin/Zacher, Franziska (Hg.): Crossmedia – Wer bleibt auf der Strecke? Beiträge aus Wissenschaft und Praxis. Berlin/Münster: Lit-Verlag, S. 94-110.

Neuberger, Christoph (2013): Public Value im Internet. In: Gonser, Nicole (Hg.): Die multimediale Zukunft des Qualitätsjournalismus. Public Value und die Aufgaben von Medien. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 103-118.

Schweiger, Wolfgang (2002): Crossmedia zwischen Fernsehen und Web. Versuch einer theoretischen Fundierung des Crossmedia-Konzepts. In Theunert, Helga/Wagner, Ulrike (Hg.): Medienkonvergenz: Angebot und Nutzung. Eine Fachdiskussion veranstaltet von BLM und ZDF (= BLM-Schriftenreihe, Band 70). München: R. Fischer Verlag, S. 123-135.

Spachmann, Klaus (2003): Zeitungen auf Crossmedia-Kurs? Online-Strategien der Tageszeitungen aus Sicht der Print-Chefredakteure. In: Neuberger, Christoph/Tonnemacher, Jan (Hg.): Online – die Zukunft der Tageszeitungen? Das Engagement deutscher Tageszeitungen im Internet. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S.214-234.

Bildquelle: pixabay.com

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