MOOC für die Journalistenausbildung zur EU-Kohäsionspolitik: Das COPE-Projekt

5. April 2024 • Aktuelle Beiträge, In eigener Sache, Internationales • von

Die EU mit ihren vielen Institutionen und komplexen Strukturen mag von außen manchmal wirken wie ein Buch mit sieben Siegeln. Umso mehr gilt das für die EU-Kohäsionspolitik. Dabei ist es für Journalist:innen äußerst wichtig, ein solides Grundverständnis für die EU, ihre Institutionen und ihre Politik zu haben, denn diese wirken sich auf viele Sachverhalte aus – bis ins Lokale hinein. Abhilfe schaffen soll ein neuer digitaler Massive Open Online Course (MOOC) für die EU-weite journalistische Ausbildung zu Themen rund um die EU, EU-Institutionen und EU-Kohäsionspolitik. Erstellt wird dieser von einem Team der TU Dortmund mit 27 internationalen Partnern im Rahmen des Projekts “Covering Cohesion Policy in Europe – Training MOOC for European Journalism Students” (COPE).  Aus dem reichen Materialfundus des Kurses, der sich mit insgesamt 14 verschiedenen Modulen an BA Journalist:Innen richtet, veröffentlicht das EJO in den kommenden Wochen einzelne Textbeiträge.

EU-Themen sind in den Journalismus-Lehrplänen europäischer Universitäten unterrepräsentiert. Das zeigt eine Umfrage aus 2023 zur Vorbereitung des Projekts, die unter 36 Universitäten für Journalismusausbildungim Rahmen der European Journalism Training Association (EJTA) durchgeführt wurde. Demnach gaben nur 61% der Befragten an, dass EU-Themen überhaupt Teil des Curriculums seien – und was genau dann in den jeweiligen Fächern unterrichtet wird, unterscheidet sich stark zwischen den Universitäten. Unter den existierenden journalistischen Ausbildungsprogrammen behandeln nur 70%  das Thema EU-Institutionen

So gibt es großen Nachholbedarf insbesondere bei ökonomischen EU-Themen, die nur in der Hälfte der Lehrpläne auftauchen. Wichtig ist dies insbesondere, da es frequente Berichte zur EU Kohäsionspolitik gibt wie den gerade erschienen 9th Cohesion Report der EU oder auch weil der Abruf der Kohäsionsmittel für bestimmte Bereiche sich in den Ländern unterscheidet und auch weil Missbrauch und Veruntreuung von Kohäsionsmitteln immer wieder ein Thema ist – gerade für kollaborativ arbeitende oder investigative Journalisten. Lt. der Studie aus beinhalten weniger als ein Viertel der existierenden journalistischen Ausbildungskurse an Universitäten Themen rund um die EU-Kohäsionspolitik und weniger als die Hälfte kommunikationswissenschaftliche Aspekte zu den EU-Themen selbst. Das COPE Projekt setzt an diesen Leerstellen an.

Das COPE Team der TU Dortmund hat unter der Federführung von Prof. Susanne Fengler – gefördert durch die EU Kommission – eine europaweit erste E-Learning-Plattform entwickelt, die junge europäische Journalist:Innen trainiert, umfassender, kritischer, vielseitiger und publikumsnäher über die EU und deren Kohäsionspolitik zu berichten. Der Massive Open Online Course (MOOC) namens COPE ist in 27 Versionen – für jedes EU-Mitgliedsland in der eigenen Sprache – verfügbar und richtet sich mit insgesamt 108 Stunden Arbeitszeit im Rahmen eines Semesters in erster Linie an BA-Studierende.

In 14 Modulen trainiert COPE angehende Medienmacher:innen zu Grundlagen und Mechanismen der EU, EU-Institutionen und deren Wirkungsbereichen, Recherche zu EU-Themen – und wie man diese für lokale Zielgruppen interessant aufbereitet. Hierzu gehören Themen, die einen lokalen Fokus bieten durch sogenannte „Lokale Fenster“ aus der jeweiligen nationalen Sicht eines jeden Landes. Dieser lokale Fokus ist ein wichtiger Teil des MOOC und stellt entsprechende Unterschiede in der Wahrnehmung der EU wie auch deren Gemeinsamkeiten und auch Bedürfnissen dar. Die Themen der lokalen Fenster wurde inhaltlich von journalistisch- wissenschaftlichen Einrichtungen in 27 EU-Ländern separat entwickelt und stellen aktuelle Ereignisse dar, die auch in den 24 offiziellen EU Sprachen in der MOOC COPE veröffentlicht worden sind.

Diese „Lokalen Fenster“ werden den Lesern in einer speziellen EJO-Reihe vorgestellt werden, da es sich um Inhalte handelt, die oftmals nicht auf den Agenden der Mainstream-Berichterstattung stehen und die dennoch wichtigen Input aus den EU-Ländern vor Ort bieten. Sie reflektieren inhaltlich Fragen des nationalen Medienökosystems im Vergleich zu anderen EU-Staaten (Medienpluralismus, Mediennutzung, Medienglaubwürdigkeit) zu den spezifischen Themen zur EU-Kohäsionspolitik und EU-Institutionen, die in den folgenden Modulen der MOOC COPE speziell angesprochen werden:

Modul 4 vermittelt Schlüsselwissen über die EU-Kohäsionspolitik und wie diese entstanden ist; Journalismusstudierende erhalten ein grundlegendes Verständnis dafür, wie die EU in Regionen und Städte in ganz Europa investiert.

Modul 6 befasst sich mit der Rolle der Medien bei der Berichterstattung über EU-Themen und fasst die wichtigsten Forschungsergebnisse aus der Journalismusforschung und der Massenkommunikation zusammen. Die Inhalte setzen sich dabei auseinander mit der Verantwortung von Journalist:innen und dem (potenziellen) Einfluss der Medien auf Gesellschaften und deren Entscheidungsprozesse. Öffentliche Kritik ist hierbei ein wichtiger Punkt, der eine demokratische Teilhabe erlaubt und wichtiger Anstoß für Konsultationsprozesse sein kann.

Modul 7 führt Journalismusstudierende in die Suche nach dem lokalen Blickwinkel in der EU-Berichterstattung ein. Wie können Themen aufgeschlüsselt und lokale Quellen ermittelt und genutzt werden, um Nachrichten in der Alltagsrealität der EU-Bürger:innen zu verankern? Das Modul wird auch die vielen Möglichkeiten aufzeigen, wie Nachrichtenredaktionen u.a. soziale Medien, Crowdsourcing-Konzepte usw. nutzen können, um die Bürger:innen mehr in EU-Themen einzubinden und gleichzeitig die wirtschaftliche Lebensfähigkeit von Nachrichtenredaktionen zu stabilisieren, indem unabhängige Medien für Mediennutzer:innen relevant gemacht werden.

Modul 9 fokussiert sich auf Wirtschaft und fördert insbesondere die Fähigkeiten der Studierenden, zu EU- und Kohäsionspolitik-Themen zu recherchieren. Ein entsprechender Aspekt ist hierbei die Vorstellung der sogenannten ESSF-Formula. Die ESSF-Formel schlägt ein innovatives System von Wirtschaftsnachrichtenwerten vor, das Journalist:innen nutzen können, um eine unabhängige Berichterstattung über Wirtschaftspolitik, Wirtschaft und Finanzen zu betreiben. Die traditionellen Nachrichtenwerte erfassen nicht, was notwendig ist, um diese Themen angemessen zu behandeln. Die ESSF Formula Effizienz, Stabilität, Nachhaltigkeit (Sustainability) und Fairness versucht zu erfassen, wie Journalist:innen über wirtschaftliche Entwicklungen denken, welche Aspekte berücksichtigt werden sollten, welche aktuellen und zukünftigen Kompromisse in Betracht gezogen werden müssen und welche potenziellen Abhilfemaßnahmen zur Verfügung stehen – das heißt, wie ein bestimmtes Thema gestaltet werden könnte.

Studierende werden darüber hinaus darauf vorbereitet, wie sie Themen und wichtige Quellen identifizieren und wie sie die relevanten und komplexen EU- und nationalen Datenbanken für ihre Berichterstattung nutzen und auswerten können.

In Modul 11 werden die neuesten Entwicklungen bei journalistischen Recherchemethoden vorgestellt. Dazu gehören beispielsweise die Datenerfassung und -präsentation, die gemeinsame Nutzung von Daten über bestehende Datenbibliotheken und Archive, Crowd Sourcing in lokalen Gemeinschaften und themenbezogene grenzüberschreitende Zusammenarbeit (kollaborativer Journalismus).

 

Durch ein tiefes Eintauchen in die Recherche-, Community-Interaktions- und Präsentationsmethoden, nicht zuletzt durch einen praktischen Ansatz, werden die Studierenden lernen, wie vernetzt lokale Gemeinschaften sind, wenn es um EU-Politik geht und wenn es um die große Anzahl von Themen geht, die nur auf den ersten Blick lokal sind, aber tatsächlich europaweit miteinander verbunden sind.

Wie wichtig die Darstellung der verschiedenen Blickwinkel ist, zeigt die Herausforderung für die COPE-Koordinatoren der TU Dortmund, tatsächlich alle 27 EU-Länder und deren Perspektiven entsprechend zu erfassen und mit verständlichen Beispielen wie auch Übungen in den speziellen lokalen Fenstern zu untermalen.

Inzwischen befindet sich die MOOC COPE in der aktiven Test-Lehrphase des journalistischen Curriculums an insgesamt 27 anerkannten Universitäten aller EU-Länder. Weitere Länder, die außerhalb der EU liegen, wie Georgien, Moldau, Mazedonien und Philippinen, sind ebenfalls an der Übernahme der MOOC COPE in ihr journalistisches Curriculum interessiert.

Am 9. April wurde das Handbuch zum Kurs veröffentlicht. Es kann als E-Book unter dem folgenden QR-Code abgerufen werden:

 

Kontakt:

Prof. Susanne Fengler

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