Achtung: Gläserne Decke!

9. September 2011 • Medienpolitik • von

Die Jahrestagung 2011 des Journalistinnenbundes Anfang September zeigte: die seit Monaten in Deutschland geführte Debatte über die Einführung einer Frauenquote ist nicht vergessen. Auch nicht im Medienbereich.

Ganz im Gegenteil: die Diskussion über Möglichkeiten von und für Frauen auf dem Weg nach oben ist nach wie vor notwendig, um Frauen den selbstverständlichen Zugang zu Führungspositionen zu ebnen. Laut einer Studie der International Women’s Media Foundation (IWMF) besetzen Frauen weltweit  nur 27 Prozent der Führungspositionen in der Nachrichtenbranche.
Unter dem Tagungsmotto „Mut und Macht in den Medien“ diskutierten DuMont-Redaktionsleiterin Brigitte Fehrle, rbb-Programmdirektorin Claudia Nothelle und die Bloggerin Katrin Rönicke in einer öffentlichen Podiumsdiskussion im ARD-Hauptstadtstudio über die Möglichkeiten von und für Frauen auf dem Weg nach oben. Sie ermutigten die Frauen, „zu gestalten“ und sich auf den Weg in die Führungsetagen zu machen. Doch DuMont-Redaktionsleiterin Brigitte Fehrle zeigte sich davon überzeugt, dass das „ohne Quote nicht geht“. Die Bloggerin Katrin Rönicke machte darauf aufmerksam, dass Macht nicht nur von einer hohen hierarchischen Position abhinge, sondern dass man vielmehr auch das Netz zur schnellen Meinungsbildung und zur Organisation von Aktionen nutzen sollte. „Auch das bedeutet Macht.“

Dass sich internationale Nichtregierungsorganisationen wie die International Women´s Media Foundation (IWMF) und nationale Organisationen wie der Journalistinnenbund für die Förderung von Frauen und die paritätische Besetzung aller Positionen in den Medien einsetzen, scheint weiterhin wichtig zu sein. Denn obwohl Frauen auf den ersten Blick den Journalismus längst für sich erobert zu haben scheinen und, wie die neueste IWMF-Studie zeigt,  je nach Medium heute zwischen 25 und 50 Prozent der Redaktionsposten besetzen, sind sie in den oberen Leitungs- und Entscheidungsfunktionen immer noch kaum anzutreffen: Weltweit belegen Männer 73 Prozent aller Führungspositionen in der Nachrichtenbranche, auch rund zwei Drittel aller Reporter sind Männer.

Der „Global report on the status of women in the news industry“ („Globaler Bericht über den Status von Frauen in der Nachrichtenbranche“) der IWMF untersuchte innerhalb von zwei Jahren die Unternehmenspolitik und Personalstruktur von mehr als 500 Unternehmen der Nachrichtenbranche in 60 Ländern. Mit der Unterstützung von hunderten eingesetzten Forschern in den einzelnen Ländern entstand die seit 15 Jahren am breitesten international angelegte Untersuchung über Frauen in der Nachrichtenbranche.[1]

Unterhalb des Mittleren Managements, in der Ebene der „erfahrenen Mitarbeiter“ (senior professionals) nähern sich die Frauen mit 41 Prozent der Berichterstattungs- (Journalistinnen), Bearbeitungs- (Cutterinen) und Schreibjobs (Redakteurinnen) den Männern an. Die internationale Studie belegt, dass Frauen nur 26 Prozent der leitenden Jobs und nur 27 Prozent der Jobs an der Führungsspitze innehaben.

„Zum ersten Mal haben wir eine wissenschaftlich gesammelte Aussage, die ein wahres Bild der sehr realen Behinderungen der in der Medienbranche arbeitenden Frauen liefert“, so die geschäftsführende Direktorin der IWMF, Liza Gross. „In allen Regionen der Welt werden Frauen am Aufstieg behindert – ob durch geringere Gehälter im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen oder durch den fehlenden Zugang zu leitenden Jobs in der Nachrichtenredaktion.“

Das Zusammentreffen in Washington D.C. von rund 75 weiblichen Führungskräften der Medienbranche aus der ganzen Welt im Anschluss an die Präsentation der Studie im vergangenen März soll langfristig Früchte tragen: Um die Journalistinnen in der Nachrichtenbranche voran zu bringen, entwarfen die Teilnehmerinnen, darunter auch taz-Chefredakteurin Ines Pohl, aufgrund der Studienergebnisse einen internationalen Handlungsplan – gemeinsam mit hunderten Delegierten aus dem Nachrichtenbereich,  Vertretern und Studenten von Hochschulen sowie IWMF-Mitgliedern. Gebündeltes Expertenwissen in der Nachrichtenbranche und ein wahrhaftes Interesse daran, Frauen in der internationalen Nachrichtenbranche weiter voran zu bringen, sollen den Grundstein für den positiven Wandel für die Frauen legen – bei Gehältern und Positionen, den Anstellungsverhältnissen, der Qualität der Arbeitsbereiche, der Personalbeschaffung und Anstellung, der Karrierelaufbahn sowie der Gleichstellungspolitik insgesamt. Angeregt werden soll der Dialog mit den Führungsetagen der Nachrichtenunternehmen.

In Deutschland nahmen zwölf Nachrichtenunternehmen  aus allen Mediengattungen (TV, Radio, Print & Online) an der Studie teil. Insgesamt beschäftigten diese Unternehmen in etwa 7.200 Journalisten, darunter 3.133 Frauen und 4.030 Männer.

Ein Blick in ihre Unternehmenspolitik und Personalstruktur zeigte:

  • Obwohl inzwischen in vielen deutschen Medienunternehmen fast genauso viele Frauen  wie Männer arbeiten, findet man generell in Führungspositionen wesentlich weniger Frauen als Männer. Ab dem mittleren Management besteht also immer noch eine unsichtbare Barriere beziehungsweise die sogenannte gläserne Decke.
  • Durch die Entwicklung der neuen Medien und die für die tagesaktuelle Berichterstattung heute unabdingbare Online-Berichterstattung ergeben sich zusätzliche Beschäftigungsfelder für Frauen und Männer. Anhand der persönlich geführten Interviews lässt sich erkennen, dass hier zwar die Frauen in der Gesamtbeschäftigungszahl leicht in Führung sind, allerdings auch hier eher die Männer Führungspositionen übernehmen.
  • Zwar verwendet keines der befragten Unternehmen eine bestimmte Methodik, um Diskriminierung zu vermeiden, doch wenden die Unternehmen unterschiedliche Behandlungen im Hinblick auf weibliche Bewerber an. So weisen einige der Unternehmen in ihren Ausschreibungen ausdrücklich darauf hin, dass Bewerbungen von Frauen erwünscht sind, andere wiederum nicht.
  • Männer erhalten eher eine Festanstellung als Frauen.
  • Zum Thema Gehalt machten nur zwei der zwölf befragten Unternehmen konkrete Angaben. Die Daten dieser zwei Unternehmen wie auch die Aussagen der anderen zehn Unternehmen hinsichtlich der Löhne zeigten zwar, dass anscheinend in jedem Beschäftigungsniveau Frauen wie Männer das gleiche Gehalt beziehen. Doch angesichts der weltweiten Ungleichheit zwischen den Gehältern von Frauen und Männern sowie der ernstzunehmenden Unterrepräsentierung von Frauen in entscheidungsbefugten Rollen in Nachrichtenunternehmen dürften diese Daten skeptisch stimmen. Es bedarf also noch weiterer Forschung, um die Gehaltsfrage in der deutschen Nachrichtenbranche bestimmt und konkret aufzuklären.
  • Frauen besetzen in zunehmendem Maße auch die bislang männlichen „Sperrbezirke“ Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Sport und bleiben gleichzeitig in ihren Themenbereichen Soziales, Familie, Unterhaltung, Feuilleton und Service bestimmend. Die Themenvergabe erfolgt laut der Befragten unabhängig vom Geschlecht, vielmehr abhängig vom Interesse und der Kompetenz des jeweiligen Journalisten und der jeweiligen Journalistin.
  • Die Unternehmen bieten ihren weiblichen und männlichen Mitarbeitern mit Familie unterschiedliche Förderungen an, mit denen klassische Rollenmodelle aufgebrochen werden sollen. So nutzen mittlerweile immer mehr Journalisten das Angebot des Vaterschaftsurlaubs.
  • Eine spezielle innerbetriebliche Förderung von Frauen sowie spezielle Weiterbildungsangebote ausschließlich für Frauen bieten bislang nur wenige Unternehmen an, vielmehr bieten sie Förderungen geschlechtsunabhängig für alle Mitarbeiter an.
  • Generell ist ein Trend der Unternehmen zu erkennen, weitere Regelungen und Richtlinien für die faire Gleichbehandlung von Frauen einzuführen sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch zum Beispiel einen Kinderbetreuungsservice zu fördern.

Die befragten Unternehmen lassen im Umgang mit Gleichstellungspolitik individuelle Lösungsmöglichkeiten erkennen.

Allerdings gewährt die Studie nur einen Einblick in Unternehmen, die der Teilnahme an der Studie zugestimmt haben und dadurch ein Interesse an der Thematik erkennen lassen. Somit verschärft sich die Vermutung, dass es in den Unternehmen, die nicht an dieser Studie teilgenommen haben, weitaus schlechter um den Status von Frauen in der Nachrichtenbranche bestellt ist.

Zumindest können die gewonnen Daten der IWMF-Studie auch weiteren Arbeitgebern diese Problematik bewusst machen und Lösungswege aufzeigen. Damit in Zukunft mehr Frauen in Führungspositionen vertreten sind.


Weiterführende Links:

http://www.journalistinnenbund.de/

http://www.iwmf.org/

Ines Pohl, Chefredakteurin der taz, über die „kleinen Schritte“, mit denen deutsche Medien die Lage der Frauen in der Nachrichtenbranche verbessern können:

http://www.youtube.com/watch?v=WEji0nBl5as


[1] 1995 veröffentlichte die UNESCO die Studie „An Unfinished Story. Gender Patterns in Media Employment“ von Margaret Gallagher.

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