Daumen rauf, Daumen runter

11. November 2008 • Medienpolitik • von

Erstveröffentlichung: Weltwoche 45/08

Moritz Leuenberger ist Vegetarier. Darum schätzt er die Staatsform der Bananenrepublik. Zuerst ging der Daumen des sozialistischen Cäsaren rauf: Roger Schawinskis Zürcher Radio 1 bekam eine staatliche Konzession. Dann ging der Daumen runter: Ringiers Zürcher Radio Energy wurde nach 25 Sendejahren staatlich verboten.

Wieder ging der Daumen rauf: Der erfolglose TV-Sender Tele Top bekam im Kanton Zürich eine Konzession. Daumen runter: Das erfolgreiche Tele Züri von Tamedia hingegen bekam keine Konzession. Wieder rauf: Der Klein-unternehmer Giuseppe Scaglione kam in Zürich zu gleich zwei neuen UKW-Konzessionen. Wieder runter: Tele Tell, das in Luzern seit 16 Jahren sendete, wurde staatlich verboten.

Was Medienminister Moritz Leuenberger letzte Woche aufführte, war politischer Slapstick vom Feinsten. Da entschied ein Bundesrat freihändig, welche privatwirtschaftlichen Unternehmen überleben durften und welche sterben mussten. Erstmals konnte Leuenberger das extrem etatistische Radio- und TV-Gesetz voll auskosten, für das er fast zehn Jahre lang gekämpft hatte. Es gibt dem Staat jede Entscheidungsgewalt im Bereich der elektronischen Medien. Die Schweiz ist hier vergleichbar mit dem Iran.

Zuerst stellt sich die Frage nach den objektiven Kriterien der staatlichen Daumenbewegung. Es gibt keine objektiven Kriterien. Es gibt nur zwei diffuse Subjektivitäten. Sie heissen Qualität und Meinungsvielfalt. Wie immer, wenn es keine objektiven Kriterien gibt, führt das zu Willkür. Das Kriterium Qualität ist willkürlich definiert durch die Vorlieben des Regulators. Von Leuenberger ist bekannt, was ihm gefällt. Ihm gefallen einfühlsame Dokumentationen über Migrationsprobleme minderjähriger Mütter in Mosambik. So was kommt auf seinem Lieblingssender Arte. Jede Form von Fröhlichkeit hingegen missfällt ihm tief. Radio Energy, wo boulevardeske Unbeschwertheit herrscht, hatte keine Chance.

Das Kriterium Meinungsvielfalt ist ebenso willkürlich definiert durch die Vorlieben des Regulators. Leuenberger hat etwas gegen die grossen Zürcher Medienkonzerne. Er strafte also Ringiers Radio Energy und Tamedias TV-Kanal ab, weil ihm die zwei Unternehmen zu dominant erscheinen. Andererseits sorgte er dafür, dass in Luzern die NZZ-Gruppe ein absolutes Monopol bekam, indem sie neben der Neuen Luzerner Zeitung und Radio Pilatus jetzt auch den einzigen Fernsehsender Tele 1 betreiben darf. Auch im Aargau und in Graubünden wurden Medienmonopole zementiert.

Willkür, die nicht berechenbar ist, führt zu politischem Schmierentheater. In diesem Umfeld einer Bananenrepublik positionierte sich etwa Roger Schawinski geschickt als grosser Retter des radiophonen Qualitätsjournalismus. Das Ringier-Management hatte dieses Talent nicht und wähnte seinen etablierten Sender mit seinen sechzig Arbeitsplätzen zu Unrecht als gesetzt.

Einfach genial

Der ganze Zauber Leuenbergers ist noch absurder, weil es ja noch den freien Markt gibt. Ringier beispielsweise, dessen Radio soeben vom Staat geschlossen wurde, kann auf dem Markt jeden Kanal erwerben, der zu haben ist. Mögliche Verkäufer gibt es mittelfristig genug, etwa den neuen Doppel-Konzessionär Scaglione und natürlich Schawinski, der irgendwann auch wieder verkaufen wird.

Besonders der zweite Fall wäre hübsch. Zuerst verkauft Schawinski für rund 70 Millionen sein staatlich konzessioniertes Radio 24 an Tamedia. Dann bekommt er eine Konzession für Radio 1, verkauft den Sender irgendwann an den Verlierer Ringier und macht nochmals rund 20 Millionen. Und alle sind happy, der regulierende Medienminister inklusive.

Man soll in einer Kolumne nie übertreiben. Darum kommentieren wir unsere Medienpolitik mit zurückhaltenden Worten. Sie ist einfach genial.

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