Es gab schon viele dumme Vorschläge zur SRG (Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft). Der dümmste bisher stammt von Avenir Suisse. Noch pathetischer konnte man es kaum sagen. Der Institution obliege die „Sicherung der Meinungsvielfalt sowie Informationsfreiheit als wesentliche Grundpfeiler der demokratischen Gesellschaft”.
Mit solchem Pathos wies 2014 das deutsche Verfassungsgericht eine Beschwerde gegen die Gebühren von ARD und ZDF ab. Geklagt hatte ein Bauunternehmen. Was nun geschah, war nicht überraschend. Alle fanden das Urteil gut. Die linken Politiker fanden es gut, die Mitte-Politiker und die Rechts-Politiker fanden es ebenso gut.
Öffentliches Radio und Fernsehen in Deutschland ist unbestritten. In Österreich ist es genauso. Der ORF ist unbestritten. In Frankreich sind France 2 und France 3 genauso unbestritten. In Italien ist die Rai unbestritten (außer vorübergehend beim Konkurrenten Silvio Berlusconi). Nirgendwo auf diesem Planeten gibt es harte Debatten über die Rolle des öffentlichen Rundfunks. Außer in der Schweiz.
Die Schweiz hat eine merkwürdige Obsession in Bezug auf ihren Staatsfunk. Unablässig lancieren Interessengruppen irgendwelche Vorstöße zur Stärkung oder Schwächung der SRG. Das Spektrum der Besorgten reicht von Gewerbe- bis Verlegerverband, von SVP bis SP, von Frauenorganisationen bis Qualitätsstiftungen.
Letzte Woche hat sich auch noch Avenir Suisse, der bekannteste Think-Tank des Landes, in die SRG-Obsession eingebracht. Avenir Suisse kommt dabei immerhin das Verdienst zu, unter all den dummen Ideen rund um die SRG die dümmste Idee von allen zu haben. Aber darauf kommen wir noch.
Warum diese merkwürdige Obsession? An einer Dominanz der SRG kann es nicht liegen. Die öffentlichen TV-Sender erreichen bei uns einen Marktanteil von dreißig Prozent. In Frankreich ist der Staatsfunk beim Marktanteil fünf Prozent schwächer, in Österreich liegt er vier, in Deutschland und Italien zehn Prozent höher.
Die SRG ist im Spiegel einer nüchternen Marktbetrachtung kein Monopol. Ihr Problem ist nur, dass ihr Abstand zum einheimischen Zweitplatzierten so riesig ist. Nummer zwei der Schweizer Sender ist 3+, der gerade mal zwei Prozent des Publikums erreicht. Die eidgenössische SRG hat keine eidgenössischen Widersacher, sondern nur landesfremde Konkurrenten.
Das ist einzigartig. In anderen Ländern stehen die staatlichen Kanäle in direktem Wettbewerb zu privaten einheimischen Konkurrenten. Das vermittelt das Gefühl eines aus- gewogenen Marktes. Bei uns gibt es das nicht. Der helvetische Sonderfall führt darum zu skurrilen Ideen. Der neuste Vorschlag zur SRG stammt von Avenir Suisse. Der Vorschlag ist dermaßen dumm, dass wir ihn zur Erheiterung kurz wiedergeben wollen.
Die SRG hätte nach Avenir Suisse keine eigenen Kanäle mehr. Sie würde aber gebührenfinanzierte Sendungen für Dritte herstellen, als sogenannter public content provider. Die SRG würde also die „Tagesschau” produzieren und den „Donnschtig-Jass” und die Übertragung der Lauberhornabfahrt.
Ausgestrahlt aber würde das nicht mehr über die SRG-Kanäle, sondern nur noch über private Sender wie Tele Bärn, Tele Top und Tele Diessenhofen.
Die Schnapsidee von Avenir Suisse würde damit garantieren, dass es in der Schweiz ein landesübergreifendes Einheitsprogramm gäbe. Die meisten Privatsender würden sofort aus Kostengründen weitgehend auf eigene Programme verzichten. Das einheitliche Hauptprogramm käme aus der Zentrale der SRG, dem public content provider.
Noch nie gab es in der Schweiz einen Vorschlag, der dem kommunistischen Ideal einer zentralistischen Medienlenkung so nahe gekommen ist: Alle senden dasselbe. Das ist Medien-Kommunismus pur. Diesmal von Avenir Suisse.
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Erstveröffentlichung: Die Weltwoche vom 30. Oktober 2014
Schlagwörter:öffentlich-rechtlich, öffentlicher Rundfunk