Am 14. Juni stimmt die Schweiz über das Radio- und TV-Gesetz ab. Kurt W. Zimmermann schlägt Roger de Weck, dem Chef des öffentlichen Rundfunks der Schweiz, SRG, den Wortlaut einer Rede vor, um die Abstimmung zu gewinnen.
Am 14. Juni stimmt die Schweiz über das Radio- und TV-Gesetz ab. SRG-Chef Roger de Weck führt eine heftige Pro-Kampagne. Doch oft setzt er sich herablassend aufs hohe Ross und riskiert so eine Niederlage. Ich habe de Weck eine Rede verfasst, mit der er die Abstimmung gewinnen würde:
“Liebe Mitbürger, chers compatriotes
In den letzten Wochen ist es mir klargeworden. Bei der Abstimmung vom 14. Juni geht es nicht, wie wir erst glaubten, um ein neues Gebührenmodell. Es geht um die Zukunft der SRG und des Service public.
Diese Diskussion müssen wir führen. Wir müssen sie selbstkritischer führen, als wir das bisher getan haben. Auch ich habe geglaubt, wir von der SRG seien eine Art Nationalheiligtum. Wir hielten uns für unantastbar. Wir wurden arrogant.
Wir haben darum Fehler gemacht. Wir sind maßlos geworden. Ich glaube heute nicht mehr, dass wir 24 TV- und Radiosender betreiben müssen. Das ist Verschwendung von Steuergeldern. Ich glaube, dass in der Deutsch- und der Westschweiz je zwei Fernseh- und zwei Radiokanäle genügen. Im Tessin sollten wir uns auf einen TV-Kanal und zwei Radiokanäle beschränken.
Den größten Teil der anderen Sender, von SRF Info bis Radio Virus, können wir ersatzlos streichen. Sie sind nicht nötig für den Service public. Denn der Service public muss eine Grundversorgung sicherstellen, nicht eine Luxusversorgung. Ich verspreche Ihnen einen Kulturwandel. Die SRG wird vom Koloss wieder zum Freund werden.
Wir haben auch beim Programm Fehler gemacht. Wir haben uns zu sehr in die Unterhaltung abtreiben lassen. Allein im Fernsehen geben wir heute für Sport und Entertainment jährlich 450 Millionen aus. Wir unterscheiden uns dadurch viel zu wenig von kommerziellen TV-Sendern. Konfektionierte Shows wie “Die größten Schweizer Talente” wollen wir künftig den Privatsendern überlassen.
Ich gestehe, dass ich in diesem Punkt zu sorglos war. Ich habe unterschätzt, dass bei der SRG echte Werte wie Glaubwürdigkeit und Seriosität viel wichtiger sind als die Gier nach Einschaltquoten. Service public wird nicht am Marktanteil gemessen.
Ich verspreche Ihnen eine Kurskorrektur. Unsere künftige Kernkompetenz muss qualitativ hochstehende Information sein und nicht wohlfeiles Amüsement.
Wir müssen uns auf unsere Wurzeln zurückbesinnen – zurück zu einer schlanken SRG der hochklassigen Information. Damit erweisen wir unserer Demokratie den wichtigsten Dienst. Wir müssen die öffentliche Debatte fördern, nicht die private Belustigung.
Echter Service public ist politisch, nicht populistisch. Das ist die Leitlinie unseres künftigen, konzentrierten Programms. Wir werden dieses Programm zu tieferen Kosten realisieren können. Ich schätze, dass wir mit unserer Rückbesinnung auf unsere Kernkompetenzen rund 350 Millionen Franken pro Jahr einsparen können. Ich verspreche Ihnen Effizienz. 350 Millionen Franken sind ziemlich genau die Summe, die wir mit TV-Werbung einnehmen. Wir können darum in Zukunft ohne Werbegelder auskommen. Die überlassen wir leichten Herzens den Privaten. Die SRG verzichtet künftig auf Werbung, genauso, wie es die von mir bewunderte BBC tut.
Ich habe Ihnen drei Versprechen gemacht: Rückbesinnung, Seriosität, Effizienz. Ich bitte Sie darum um einen Vertrauensvorschuss. Sagen Sie ja zum neuen Radio- und TV-Gesetz. Es ist ein Ja zu einer neuen SRG. Spätestens im Jahr 2018 werden wir die drei Versprechen umgesetzt haben.
Ich verspreche Ihnen, dass Sie stolz auf unsere neue, schlanke SRG sein werden.
Besten Dank, Ihr Roger de Weck”
Erstveröffentlichung: Die Weltwoche vom 13. Mai 2015, S. 23
Bildquelle: Mike Herbst/flickr.com
Schlagwörter:Abstimmung, öffentlicher Rundfunk, Roger de Weck, Rundfunkpolitik, Schweiz, SRG