Andere Länder, andere Journalisten

17. Juni 2008 • Medienpolitik • von

Erstveröffentlichung: St. Galler Tagblatt

Mehr Erzählstil? Nüchtern? Lässig? Überall auf der Welt wird Journalismus etwas anders gemacht. Die Kenntnis dieses Anderen vermittelte eine Tagung in Lugano.

Vielfalt prägt die Identität der Medienlandschaften in aller Welt – und die Kommunikation. Mit und ohne Worte. Deshalb luden die in Lugano tagenden Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft den Clown Dimitri ein, das Thema «Identität und Vielfalt» zu illustrieren. Eine wunderbare Idee: Ein Pantomime redet über Kommunikation! Doch dem Zweiergespräch auf der Bühne fehlten Professionalität und Einfühlung in das Besondere der Situation: Ach, hätte Dimitri auch in seiner Körpersprache antworten dürfen! Ach, hätte er präsentieren dürfen, wie er über die Grenzen von Sprachen und (Humor-)Kulturen hinweg kommuniziert. Doch auch so gelang der Ringschluss zwischen Wissenschaft, Kultur und Alltag: Vieles hängt ab von der Fragestellung, vom Fragesteller und von der Methode.

An einer Tagung in Lugano präsentieren Medienwissenschafter lehrreiche Vergleichsuntersuchungen

Medien sind nicht alles
Forschung sorgt immer wieder für Unerwartetes. Die Medien gewinnen gar nicht immer mehr Einfluss, stellten Gerd Vowe und Marco Dohle von der Universität Düsseldorf fest, als sie in den Budgetdebatten des Deutschen Bundestags der Jahre 1949 bis 2005 nach den Referenzen forschten, auf die sich Politiker bezogen. Ihr Ergebnis: Medien stehen einfach nur in einer Reihe mit Verbänden, Bürgern, ausländischen Regierungen und Wissenschaftern. Letztere sind die einzigen, auf die die Abgeordneten tendenziell immer öfter Bezug nahmen.

Gefragte Wissenschaft
Für die Medienschaffenden selbst hat die Expertenmeinung ebenfalls besonderes Gewicht, ermittelten Senja Post und Hans Mathias Kepplinger (Universität Mainz) aus einer Befragung von Klimaforschern, aber – zumindest bei diesem Thema – vor allem dann, wenn sie Beunruhigendes verkünden.

Der Klimawandel ist grenzüberschreitend relevant, doch die Rezeption in den Medien ist von Land zu Land verschieden. Das liegt auch in der Natur des Journalismus. Er wird von Land zu Land etwas anders betrieben. Die Forschung versucht, die Vielfalt in Modellen zu bündeln, und will ergründen, warum das so ist.

Thomas Hanitzsch von der Universität Zürich stellte ein Messsystem vor, durch das Schubladen und Schublädchen gefüllt werden können mit Gemeinsamem und Unterschiedlichem im Journalismus in 16 Ländern. Im Rahmen eines Kooperationsprojekts der zu untersuchenden Länder werden jeweils 100 Journalisten aus 20 Medienorganisationen nach zwölf Kriterien befragt: wie opportunistisch sind sie, wie nahe an den Mächtigen im Land, wie stark kommerziell orientiert…

Wie entsteht Medienfreiheit?
Auch Medienfreiheit lässt sich auf viele Weisen definieren. Andrea Czepek und Eva Nowak von der Fachhochschule Oldenburg stellten ein internationales Projekt vor, mit dem sie untersuchen, welche Voraussetzungen für Medienfreiheit und Pluralismus in europäischen Mediensystemen notwendig sind. Sie wollen daraus «Best Practice»-Strategien für die Medienpolitik entwickeln.

Die Hürden in den Köpfen
Der Blick in den Alltag macht deutlich, wie schwierig das Grenzübergreifende schon bei sich vermeintlich ähnelnden Kulturen ist. Die Region Saar-Lor-Lux (Wallonien, Luxemburg, Saar, Lothringen und ein Teil der Pfalz) gilt als Modell für europäische Integration und es gibt seit Jahrzehnten grenzüberschreitende Medienaktivitäten. Dennoch überwinden die deutschen, französischen und luxemburgischen Rundfunkjournalisten nur mit Mühe die Hürden der Medienstrukturen und der beruflichen Bedingungen, schloss Kevin Grieves von der Indiana- Universität in Bloomington (USA) aus der Befragung von vierzehn Journalisten.

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