Studie: Wie beeinflusst die Parteineigung die Nutzung und Wahrnehmung von Medien?

21. Juli 2023 • Aktuelle Beiträge, Forschung aus 1. Hand, Medienpolitik • von

An den Journalismus wird die normative Erwartung gestellt, eine vierte Gewalt im Staat und damit ein existenzieller Grundpfeiler für Demokratie zu sein. Doch wie nehmen verschiedene Gruppen in einer Gesellschaft die tatsächliche Ausübung dieser Rollen wahr, und welche Erwartungen haben sie an den Journalismus? Eine Befragung des Instituts für Journalistik an der Technischen Universität Dortmund in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa hat den Zusammenhang zwischen Parteineigung und Haltung zum Journalismus in Deutschland erhoben. Die Befragung ist Teil der Langzeitstudie „Journalismus und Demokratie“.

Das Ergebnis: welcher Partei jemand sich näher fühlt, beeinflusst die Wahrnehmung des Journalismus. Worin sich die verschiedenen Lager jedoch einig sind: sie verorten den Journalismus tendenziell näher am jeweils gegenteiligen politischen Lager. Die Befragung erhob Daten zur Mediennutzung, zum Vertrauen in die Medien je nach politischer Neigung, zur vermuteten politischen Neigung der Medien und zum Zusammenhang dieser drei Faktoren.

Repräsentative Befragung

Befragt wurden 1004 Personen, 51% Frauen und 49% Männer ab 18 Jahren, zwischen dem 31. März und dem 12. April 2023. Während viele Anhänger*innen der SPD (91%) und CDU (89%) öffentlich-rechtliche Angebote nutzen, sind es bei den AfD-Anhänger*innen mit 37% deutlich weniger. Sie lesen auch am wenigsten überregionale (13%) oder regionale (11%) Zeitungen. Dafür nutzen sie zu 40% alternative Nachrichtenseiten abseits des Mainstreams – hier bleiben alle anderen politischen Gruppen bei unter 10%, abgesehen von der Linken (17%). Auch bei Gruppenchats spielen hauptsächich bei AfD-Anhänger*innen eine Rolle (22% von ihnen nutzen diese Informationsquelle. Auf Videoplattformen sind FDP-Unterstützer*innen am aktivsten (40%).  Bei der Nutzung des privaten Rundfunks gibt es keine gravierenden Unterschiede zwischen SPD (51%), CDU (54%), FDP (44%) und AfD (49%), während links verortete und mit den GRÜNEN sympathisierende Nutzer*innen bei den privaten weniger einschalten (27% bzw. 34%).

Im Allgemeinen hält die Mehrheit (54%) den deutschen Journalismus für glaubwürdig; 34% für teils und 12% für nicht glaubwürdig. Hier zeigen sich gravierende Unterschiede je nach Parteineigung der Befragten: Beispielsweise halten 68% der eher sozialdemokratischen, 60% der christdemokratischen und sogar 80% der grünen Rezipient*innen die Medien für glaubwürdig. Bei den näher an der AfD verorteten verorteten sind es hingegen nur 7% – 63% halten sie für nichtglaubwürdig. Liberale und Linke liegen mit im Mittelfeld.

Wie sehr auf die Glaubwürdigkeit des Journalismus vertraut wird, hängt auch mit der vermuteten politischen Neigung der Medien zusammen: Befragte, deren politische Haltung näher an der CDU ist, nahmen die Medien eher als grün wahr (25%); das gilt noch viel stärker für AfD-Anhänger*innen (47%). Diejenigen, die Grüne oder SPD unterstützen, nehmen journalistische Angebote wiederum eher als konservativ und CDU-nah (32% bzw. 23%) oder als politisch neutral (39% bzw. 50%) wahr. Nur 15% der AfD-Unterstützer*innen glauben, dass die Medien keiner Parteimeinung nahestehen; bei den Linken sind es hingegen 43%.

„Wir stellen aber auch eine weitere Ausdifferenzierung der Mediennutzung anhand politischer Einstellungen fest, was eine stärkere Polarisierung der politischen Debatten wahrscheinlicher macht“, urteilt Dr. Felix Flemming, Studienleiter bei forsa, laut einem Bericht auf der Website der TU Dortmund.

Weitere Forschung

Ziel der Studie ist laut der Projektwebsite, das Spannungsfeld zwischen Journalismus, Politik und Öffentlichkeit besser zu verstehen und damit auch, ob die Medien tatsächlich als demokratiefördernde vierte Gewalt agieren können. „Mit der Studie ‚Journalismus und Demokratie‘, in der wir kontinuierlich den Journalismus, die Politik und das Publikum befragen, wollen wir prüfen, wo es in diesen Fragen Übereinstimmungen, aber auch Brüche gibt.“

Um das Bild abzurunden, sollen in einer folgenden Befragung im Rahmen der Studie außerdem die Parteineigungen der Journalist*innen selbst erhoben werden. Auch an konkreten Lösungsansätzen sind die Beteiligten der Studie interessiert. Möglichkeiten, Brüche und Polarisierung zu überwinden und ein politisch diverseres und ausgeglicheneres Verhältnis zwischen Medien und Öffentlichkeit zu fördern,  diskutierten die Forschenden bei es  daherauch bei einer Tagung am 7. Juli in Berlin mit dem Titel „mehr Vertrauen durch mehr Vielfalt“.Ein parallele Forschung der TU Dortmund mit Forsa beschäftigt sich mit den Vorstellungen von Medien, Journalismus und Politik im KiTa- und Grundschulalter: das Projekt PoJoMeC (Politics-Journalism-Media-Competence) untersucht, wie in diesen Altersgruppen die Basis für das spätere Medienverhalten aufgebaut wird.

 

 

 

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