In diesem Konfliktzonenbericht geht es um den Staatsstreich in Myanmar, um Ungerechtigkeit und um die Freiheit der Berichterstattung. Der Bericht gibt einen Einblick in die anstrengenden Herausforderungen für Medienschaffende in und außerhalb Myanmars.
Ich konnte den Moment nicht vergessen, in dem Myanmar durch ein politisches Täuschungsmanöver seine Hoffnung verlor, bevor es sich von den negativen Entwicklungen der COVID-19-Krise erholen konnte. Das berüchtigte Militär griff am 1. Februar 2021 unerwartet nach der Macht – und brachte die junge Demokratie zum Stillstand, wobei die Ex-Regierungschefin des Landes und Friedensnobelpreisträgerin, Aung San Suu Kyi, in Einzelhaft hinter Gittern in der Hauptstadt Naypyidaw verblieb. Sobald dies geschehen war, fühlten wir uns von Dunkelheit umgeben.
Rückblende
“Ich werde jetzt mein Haus verlassen und brauche einen sicheren Ort mit Internet.” Dies ist die Aussage einer befreundeten Journalistin. Seit dem Staatsstreich und der Gewalt gegen die Zivilbevölkerung wie auch Journalisten, hat uns die Angst um unsere Sicherheit tiefgehend beunruhigt. Gleichzeitig waren wir traurig über das Land, das sich auf dem Weg in die Dunkelheit befand.
Viele Journalisten verließen ihr Zuhause und versteckten sich aus Sicherheitsgründen weit weg von den Orten, an denen sie normalerweise lebten. Die meisten von ihnen berichteten jedoch weiterhin täglich professionell aus verschiedenen Regionen im Land, während die Junta-Kräfte einige Medienhäuser beschlagnahmten, Redaktionen räumten und Journalisten inhaftierten, um die kritische Berichterstattung gegen den Putsch und das Militär zu unterbinden.
Die Aufgabe eines Journalisten ist es, Informationen und deren Kontexte beim Aufbau eines demokratischen Landes transparent zu machen, vertrauenswürdige Informationen zu liefern, die den Wert der Pressefreiheit im Interesse der Öffentlichkeit zu repräsentieren, und für die Praxis der Achtung der Menschenrechte und der Gerechtigkeit zu sorgen. Ich lernte diese professionelle Ausrichtung des Journalismus und spürte stets ihre Bedeutung. Dies war auch der Fall als der Albtraum (der Putsch) in das Leben der Menschen in Myanmar eindrang. Ich wusste, dass die Gefahr definitiv auch uns Journalisten treffen würde, denn Diktatur und Meinungsfreiheit sitzen nicht im selben Boot, sondern müssen immer in einem Konflikt aufeinandertreffen. Das wusste ich.
Einen Weg finden, um zu berichten
“Ich werde mit einigen Kollegen in den Dschungel gehen. Willst du uns begleiten?” fragte mich ein befreundeter Journalist nach einem Monat gemeinsamer Berichterstattung in Yangon, der größten Stadt Myanmars mit mehr als 6 Mio. Einwohnern. Er verließ sein Haus und suchte Schutz in einem Kloster, während er seit dem Staatsstreich über die Nachrichten berichtete. “Wenn du weiterhin schreiben willst, brauchen wir unbedingt einen sichereren Ort”, schlug er vor. So ging er in den Dschungel und berichtet nun über Nachrichten im Grenzgebiet des Karen-Staates in der Nähe der Stadt Mae Sot in Thailand – einer Region mit vielen bewaffneten Konflikten zwischen der KNLA, den ethnischen Streitkräften der Karen, und den Streitkräften der Junta. Die KNLA ist die Armee der KNU (Karen National Union), der ältesten bewaffneten Gruppe in Myanmar, in der viele Anti-Putsch-Anhänger untergebracht waren, um sich in Sicherheit zu bringen und eine entsprechende Waffenausbildung zu erhalten, um die Militärjunta zurückzuschlagen. Die Menschen, die sich im Dschungel versteckt hielten, erlebten den bitteren Geschmack der Folgen des Putsches ganz nah – sei es in den großen Mengen von Flüchtlingen, sei es bei den zivilen Verteidigungskräften, die gegen die Militärjunta kämpften, sei es in den Dörfern, die niedergebrannt worden waren durch das Militär. Jede Geschichte ist eine menschliche Perspektive. Als Journalist begleitete mein Freund über hundert Binnenvertriebene und kämpfte mit ihnen gemeinsam, um aus dem Gebiet zu fliehen, in dem die Truppen der Junta Artillerieangriffe durchführten. Erfahrung kostet. “Als die Truppen der Junta angriffen, stahlen sich alle, auch ältere Menschen, Frauen und Kinder im Säuglingsalter, so leise wie möglich durch die Dunkelheit in Richtung Grenze – aus Angst, sie könnten jederzeit getötet werden”, erinnert sich mein Freund, der Journalist.
Killing the press – Vernichtung der Presse
Das Militär in Myanmar hat die Medienfreiheit ausgehebelt und die Fäden straff gezogen. Insgesamt wurden über 130 Journalisten verhaftet. Drei Journalisten wurden getötet und über 60 sind noch immer in Haft – in einigen Fällen wie im Fall von Han Thar Nyein, dem Mitbegründer von Kamayut Media, wissen wir, dass Journalisten auch gefoltert werden.
Am Anfang war es ein Schritt. Dann wurde es zu viel, um es zu ertragen. Überall dort, wo die Junta die Kontrolle übernommen hat, kann man sein Handy nicht frei benutzen und seine Kamera natürlich auch nicht in der Hand halten. Wenn Journalisten ihr Mobiltelefon sichtbar benutzen, mit Leuten in Kontakt treten oder auf Facebook gegen den Putsch oder das Militär posten, sind sie aufgrund der ständigen Überwachung in großer Lebensgefahr. Wenn Sie Journalist sind, haben Sie in dem Fall keine Möglichkeit, sich zu verteidigen.
Mein Freund, ein Fotojournalist aus Yangon, fühlte sich nicht wohl, hatte starke Rückenschmerzen nach einer Operation und ging in eine Klinik, dann fuhr er nach Hause. “Auf dem Weg dorthin wurde mein Taxi von den Junta-Kräften angehalten und sie überprüften mein Telefon. Sie sahen nicht viele journalistische Arbeitsunterlagen, sondern fanden nur ein Foto meiner Berichterstattung und …insgesamt 20 Soldaten traten mich 45 Minuten lang zusammen.” Später erklärte er, dass er nach diesem Erlebnis und angesichts der Gefahr, möglicherweise nicht am Leben zu bleiben, monatelang hinsichtlich der erlebten Gewalt Konsequenzen zu tragen hatte und einen Nervenzusammenbruch erlitten habe.
Schon kurz nach dem Putsch widerrief das Militär die Lizenzen verschiedener privater Medienhäuser in Myanmar (darunter Medien wie Mizzima, 7Day, Myanmar Now und DVB). Derzeit beträgt die Zahl der entzogenen Lizenzen zwölf. Viele Journalisten mussten abtauchen und unerkannt in den Dschungel fliehen und ihre Familien und ihr Leben zurücklassen. Viele von ihnen haben sich in Nachbarländer abgesetzt, um wenigstens eine Art von Sicherheit zu erfahren. Während all dies geschah, wurden seitens des Militärs durch ihre zentralen Propagandakanäle Lügen verbreitet, dass sie die Pressefreiheit respektieren würden. Wie kann man die Pressefreiheit respektieren, wenn die Sicherheit eine große Frage für alle Journalisten in Myanmar ist?
Herausforderungen und der Lebensunterhalt
Wenn es an einem Ort dunkel wird, ist es schwer, die Dinge besser zu sehen. Die Berichterstattung über Myanmar ist sehr riskant und viel komplizierter, da die Institutionen, die die Meinungsfreiheit vertreten, derzeit und unter diesen Bedingungen nicht gut funktionieren. So trat beispielsweise fast die gesamte Belegschaft des nationalen Presserates zurück als die Militärjunta ihnen diktieren wollte wie Medienethik handzuhaben sei. Das Zeitalter des Internets wäre eigentlich ein Vorteil für die Berichterstattung, aber durch die vom Militär verhängten Internet-Blockaden ist das nicht möglich … und professionelle Berichterstattung erfordert in der Tat viel mehr.
“Die Arbeit mit den Journalisten im Dschungel und in den Städten ist eine große Herausforderung. Ich musste immer für ihre Sicherheit sorgen”, sagte ein erfahrener Journalist, der sich derzeit in Thailands Grenzstadt Mae Sot aufhält, nachdem er vor den Artillerieangriffen der Junta geflohen war. “Wir erfahren, dass es mit dem Land bergab geht, aber hauptsächlich schreiben wir über die Proteste, den bewaffneten Widerstand der Zivilbevölkerung und die Menschenrechtsverletzungen durch das Militär.” Er fügte hinzu, dass die Suche nach Informationen und Bestätigungen immer eine Frage von Gerüchten und Fake News sei, während die Propaganda in den sozialen Medien, insbesondere auf Facebook, Twitter, Telegram und Tik Tok, eine ständige Kraft sei.
Das Leben hat sich für einige Berufsjournalisten stark verändert, während sie sich damit abfinden, bei ihrer Familie zu bleiben und ihren Beruf aufgrund der hohen Risiken aufzugeben. “Es ist eine Schande, dass ich die Berichterstattung aufgegeben habe – aber es ist nicht meine Entscheidung”, wandte sich ein Journalist an einen Online-Kunden, der noch in Yangon lebt. Er war einer der Journalisten, die nach dem Staatsstreich die Arbeit verloren haben, als die Medienhäuser beschlagnahmt wurden und viele Medienmitarbeiter in den Dschungel flohen. “Ich gebe die Informationen, die ich bekomme, an meine Journalistenfreunde weiter, die immer noch professionell berichterstatten, und das ist alles, was ich im Moment von hier aus tun kann.” Doch er ist nicht allein und erklärt: “Einige meiner Journalistenfreunde haben aufgrund der Umstände derzeit keinen Job – aber auch wenn sie keinen Journalismus betreiben, sind sie nicht sicher.”
Scheitern und Hoffnung
Nach dem Staatsstreich wurden wir Journalisten Zeugen der Proteste der Bewegung für zivilen Ungehorsam, der Razzien der Armee, der Erschießungen durch das Militär und der Toten in so vielen Städten Myanmars. Die Journalisten haben trotz aller Herausforderungen über all diese Dinge berichtet, vor allem über Verhaftungen, Folter und Tötungen, und auch über die traurige Geschichte einer jungen Demokratie in Myanmar, in der alles zusammengebrochen ist. Bildung, Gesundheitswesen, Wirtschaft – als Folge des Militärputsches gibt es keinen einzigen Sektor, der noch funktionsfähig ist oder sogar noch schlimmer. Der Putsch ist nun schon fast 19 Monate her. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr leiden die Menschen. Nicht nur, dass die Lebensqualität der Menschen gesunken ist – ihr Leben ist in Gefahr.
Die Menschenrechtsorganisation Assistance Association for Political Prisoners, die die Tötungen und Menschenrechtsverletzungen dokumentiert, hat festgestellt, dass seit Beginn des Putsches mindestens 1900 Menschen getötet und mehr als 14.000 Menschen verhaftet wurden. Myanmar befindet sich in politischem Aufruhr. Das Militär kämpft gegen Proteste, die Bewegung des zivilen Ungehorsams und den bewaffneten Widerstand von Anti-Junta-Milizen im ganzen Land, die versuchen, die Militärregierung mit Gewalt zu stürzen. Dieser Staatsstreich wirft die Menschen in eine jahrzehntelange Militärherrschaft und Isolation zurück, die bereits 50 Jahre (1962 – 2011) andauerte, und die Zivilbevölkerung wird dem Militär über Generationen hinweg nicht mehr vertrauen können. Ich sehe jeden Tag – mehr Kämpfe, mehr politische Spannungen, mehr Flüchtlinge, mehr Hunger und weitere Formen des Elends. Das Militär ist noch nicht legitimiert, da der Verband Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) dem Mitgliedsland Myanmar nur einen leeren Sitz für die Teilnahme an den regelmäßigen Treffen zugesteht und der Ständige Vertreter Myanmars bei den Vereinten Nationen, Kyaw Moe Tun, derjenige ist, der sich offiziell gegen den Militärputsch ausgesprochen hat, und dann gibt es auch noch Sanktionen – aber sie werden die Gewalt der Militärjunta gegen die Zivilbevölkerung nicht aufhalten und die Zivilbevölkerung akzeptiert die Tyrannei derweil weiterhin nicht so einfach.
Nach den Konflikten in Afghanistan, nach der russischen Aggression gegen die Ukraine werden die Nachrichten über Myanmar vielleicht stiller oder sogar von der Agenda der internationalen Medien verschwinden, aber es gibt immer wichtige Entwicklungen und Nachrichten, die für Gerechtigkeit, Freiheit, Demokratie und gegen Menschenrechtsverletzungen dokumentiert werden sollten. Dies ist heute wichtiger denn je – und zwar überall auf der Welt.
“Wenn die Leute sagen, Myanmar sei keine Nachricht mehr, ist das ungerecht. Myanmar hat keine Zukunft und viele Menschen leiden unter Hunger und schweren Menschenrechtsverletzungen”, sagte ein ehemaliger Journalist, der inzwischen den Wechsel zum Mitglied der zivilen Verteidigungskräfte vollzogen hat, um seinen Standpunkt zum Ausdruck zu bringen.
Das Scheitern von Myanmar bedeutet für die Menschen in Myanmar nur Elend, aber die Meinungsfreiheit muss überleben, um ein Stück Hoffnung zu bringen. Es geht um die Berichterstattung und um die Botschaft, die der Welt zeigt, wie Myanmar im Niedergang begriffen ist und wie dort Menschenrechte vernachlässigt werden. Eine ganze Nation ohne Presse- und Meinungsfreiheit zu lassen, bedeutet, ohne Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit zu leben. Aus tiefstem Herzen bleibt die Hoffnung der Zivilbevölkerung in Myanmar, auch wenn die Zukunft Schaden genommen hat, da viele Leben und Träume für die Gerechtigkeit geopfert wurden. Ich persönlich jedoch glaube, dass es eine Hoffnung gibt, solange die Wahrheit der Botschaft um die Welt gehen kann.
Quellen:
Assistance Association for Political Prisoners. (n.d.). Homepage. Abgerufen 19. August 2022 von https://aappb.org/
Bangkok Post. (2022, August 17). Myanmar junta hits back at Asean after being barred from meetings. Abgerufen 19. August 2022 von https://www.bangkokpost.com/world/2370663/myanmar-junta-hits-back-at-asean-after-being-barred-from-meetings
Charuvastra, T. (2022, May 8). Future Remains Cloudy for Exiled Myanmar Journalists in Thailand. VOA. Abgerufen 19. August 2022 von https://www.voanews.com/a/future-remains-cloudy-for-exiled-myanmar-journalists-in-thailand-/6562463.html
Hansen, S. (2021, February 28). Myanmars UN-Botschafter: Kyaw Moe Tun vertritt Demokratie. taz. Abgerufen 19. August 2022 von https://taz.de/Myanmars-UN-Botschafter/!5749483/
Radio Free Asia. (2021, July 2). Interview: ‘I Was in the Same Living Hell I Had Heard About.’ Abgerufen 19. August 2022 von https://www.rfa.org/english/news/myanmar/us-journalist-06292021190335.html
Sanctions & Export Controls Update. (2022, February 11). Sanctions Targeting Myanmar Archives. Abgerufen 19. August 2022 von https://sanctionsnews.bakermckenzie.com/category/sanctioned-targets/sanctions-targeting-myanmar/
Tagesschau. (2022, August 19). Myanmar: Aung San Suu Kyi in Einzelhaft verlegt. Abgerufen 19. August 2022 von tagesschau.de. https://www.tagesschau.de/ausland/asien/myanmar-suu-kyi-109.html
Beitragsbild: Athens Zaw Zaw
Schlagwörter:Informationsfreiheit, Militärputsch, Myanmar, Pressfreiheit
[…] Die Militärjunta hat die Medienfreiheit ausgehebelt, indem sie den Medienhäusern die Lizenzen entzogen und die Journalisten in die Verantwortung nahmen. Mehr als 130 Journalist:innen wurden verhaftet, einige wurden schwer gefoltert und getötet. […]