In vielen Ländern im asiatischen Raum stellt sich der freie Zugriff auf das Internet oft schwierig dar. In Zeiten des Krieges entsteht eine regelrechte Informationsfront.
Während Deutschland laut dem Freedom of the Net Index 2021 in den Top 10 der Welt ist, wenn es um uneingeschränkten Zugang zum Internet geht, stellt sich die Situation im asiatischen Raum komplett anders dar: Dort wird der Zugang von den Regierungen drastisch eingeschränkt. Dies macht nicht nur die Arbeit für Journalisten schwerer, sondern nimmt der Bevölkerung auch die Möglichkeit, sich über aktuelles Geschehen ausgewogen zu informieren. Schließlich können Regierungen so dafür sorgen, dass die Bevölkerung nur das sieht, was sie sehen soll.
Ein Panel beim DW Global Media Forum Ende Juni 2022 setzte sich genau mit dieser Thematik auseinander. Unter dem Titel “Access denied – A new digital Iron Curtain? – How despots wall up the internet” diskutierten Leonid Volkov, Stabschef des Teams des inhaftierten russischen Oppositionsführers Alexei Nawalny, Audrey Tang, Digitalministerin von Taiwan, Lutz Güllner, Leiter der strategischen Kommunikation des Europäischen Auswärtigen Dienstes, und Maria Makeeva, Chefredakteurin von OstWest TV, das als unabhängiger russischsprachiger Fernsehsender sein Programm aus Berlin sendet. Janelle Dumalaon von der Deutschen Welle führte durch die Diskussion.
Auf dem Podium sprachen die Gäste nicht nur verschiedene Methoden der Internetblockade an, sondern auch mit welchen Mitteln man Zugangsbeschränkungen zu Internetseiten oder Plattformen im Internet umgehen kann. Insbesondere Leonid Volkov und Maria Makeeva teilten ihre Erfahrungen mit Einschränkungen von Medien- und Informationsfreiheit, die im Zuge des Krieges in der Ukraine weiter intensiviert wurden.
Medien – ein strategischer Aspekt des Krieges?
Volkov bezeichnet es als “keinen Zufall, dass alle unabhängigen Medien in Russland von Putin und dem Kreml einen Tag nach Kriegsbeginn geschlossen wurden”. Davon seien viele Stationen oder Zeitungen betroffen, wie etwa der Radiosender Echo Moskau oder der TV-Sender Doschd. Beide Institutionen haben sich gegenüber dem Kreml kritisch positioniert – und wurden so stumm geschaltet. Volkov betont, dass die Führung in Russland Medienhäuser ganz bewusst zum Schweigen bringt um jeglichen Widerspruch gegen den Krieg zu ersticken. Dadurch, dass neutrale oder unabhängige Medien in Russland nicht mehr ihrer Arbeit nachgehen könnten, gebe es für die russischen Bürger laut Leonid Volkov nur noch eine Quelle – nämlich den Staat. Wenn für Bürger dann noch die neutralen Quellen und Recherche-Möglichkeiten des Internets wegfallen, sei es völlig unmöglich sich über den Krieg zu informieren. Russische Bürger könnten der Propaganda des Staates nicht ausweichen.
Während bereits im September 2021 in Russland bestimmte Einschränkungen des Internets vorgenommen wurden, hat sich die Situation mit dem Krieg in der Ukraine weiter verschärft. Im März 2022 meldete Nexta, ein unabhängiges belarussisches Medienunternehmen mit Hauptsitz in Warschau, dass Russland anscheinend ein eigenes, unabhängiges Internet aufbauen und sich dabei vom Rest der Internetwelt abschneiden will. Aus den Berichten von Nexta ging ebenfalls hervor, dass Andrei Chernenko, Russlands stellvertretender Digitalminister, staatliche Webseitenbetreiber angewiesen hat, ihre Angebote in genau dieses unabhängige russische Internet zu verschieben. Offiziell will sich Russland laut Aussagen russischer Medien nicht vom World Wide Web isolieren, sondern sich lediglich vor Cyber-Attacken schützen.
Medien werden systematisch zum Schweigen gebracht
Leonid Volkov sieht die “mediale Front” als einen integralen Bestandteil des Krieges an, der neben den physischen Schlachtfeldern vor Ort und der ökonomischen Situation eine ebenso wichtige Rolle spiele. Und genau deswegen müssten die internationalen Medien mit allen Mitteln versuchen, Informationen an die russischen Bürger heranzutragen. Aus Volkovs Sicht ist die Einstellung der russischen Bürger zum Krieg ein entscheidender Punkt. Damit sie sich eine vernünftige Meinung bilden können, seien sie auf freie Berichterstattung angewiesen. Und diese sei in der aktuellen Lage schwer zu bekommen.
Leonid Volkov schildert einen Fall, der zeigt, wie viel Macht der Kreml und Putin wirklich ausüben können. Vor den Wahlen in Russland im September 2021 habe der Kreml laut Volkov so viel Druck auf Google und Apple ausgeübt, dass diese die Werbung für andere Kandidaten von ihren Plattformen entfernten – und das, obwohl Google und Apple als westliche Unternehmen nicht in der Hand von reichen Oligarchen sind, die dem Kreml oder Putin nahe stehen. Maria Makeeva berichtet von konkreten Problemen der Journalisten in Russland. Selbst simple Programme wie Google Documents ließen sich in Russland nicht mehr benutzen.
Doch was macht die russische Propaganda so erfolgreich? Gerade der Entertainmentfaktor spielt laut Makeeva eine große Rolle: „Ich arbeite im Fernsehen, das am Ende was ist? Unterhaltung! Die Leute möchten unterhalten werden und dann schauen sie sich vielleicht noch deine Nachrichten an, wenn sie dabei gut genug unterhalten werden. So funktioniert die Propaganda des russischen Staates. Sie sind richtig gute Entertainer.“
Zudem ist der Medienbesitz in Russland nur auf einige wenige Personen oder Gruppen aufgeteilt und meist liegen die Medien in der Hand der Politik oder der Wirtschaft wie z.B. die Nachrichtenagentur TASS, die eine staatliche Nachrichtenagentur in Russland ist und der bei den Zuschauern beliebte Perwyj Kanal, der unter anderem auch vom kremlnahen Oligarch Roman Abramowitsch finanziert wird. Dies führen unter anderem Tamina Kutscher und Anton Himmelspach in ihrer Analyse der russischen Medienlandschaft für die Bundeszentrale für politische Bildung aus. Es gibt aber darüber hinaus noch andere staatsnahe Besitzerstrukturen wie die russische Tageszeitung Iswestija, die nun zu Gazprom-Media, Teil des mehrheitlich vom Staat kontrollierten Konzerns Gazprom gehört. Ein anderes Beispiel ist die Tageszeitung Kommersant, die dem Kreml-nahen Oligarchen Usmanov gehört.
Kutscher und Himmelspach erläutern, dass fast alle großen Medienhäuser in Russland in den Händen staatsnaher Oligarchen sind. Somit seien die Journalisten quasi gezwungen, für genau diese Häuser zu arbeiten, auch weil es immer weniger Medienhäuser gebe, die nicht in irgendeiner Verbindung zum Staat oder Kreml stehen. In der Konsequenz sei Selbstzensur ein verbreitetes Problem.
Fake News – ein legaler Teil der Meinungsfreiheit?
Einen wichtigen Punkt spricht Lutz Güllner bei der Diskussion auf dem Global Media Forum an: “Die Problematik an Falschinformationen ist, dass es nicht illegal ist, sie zu verbreiten. Wir müssen ganz genau darauf schauen, welche Akteure tätig werden und welche Strategien und Taktiken sie benutzen.“ Es lässt sich bisher nicht rechtlich gegen Desinformation vorgehen, solange dabei keine bestimmte Person oder Personengruppe verunglimpft wird. Deswegen besteht laut Güllner auch nicht die Möglichkeit, Kanäle des RT-Netzwerks einfach zu schließen. Und außerdem würde im Nachhinein entferntes Material nur für Aufruhr sorgen. “Was möchte unsere Regierung uns hier verschweigen?”, wäre wohl eine der ersten, aufkeimenden Fragen seitens der Rezipienten.
Doch warum sind Falschinformationen überhaupt legal? Teil der Begründung sind die Meinungsfreiheit und die freie Demokratie, in der Medienschaffende zwar gegen den Pressekodex verstoßen, wenn sie bewusst Falschnachrichten verbreiten, aber dafür nicht strafrechtlich belangt werden können. Außerdem ist mittlerweile jede Person dazu in der Lage, auf unterschiedlichsten Plattformen ihre Meinung oder Information zu verbreiten. Für die erhöhte Anzahl der verbreiteten Informationen gibt es einfach nicht genug professionelle Editoren, die jede Information im Internet prüfen könnten. Zwar müssen wissenschaftliche Resultate eine Quellenangabe enthalten – doch dies gilt nicht für Meinungen von Privatpersonen. Geschützt ist dies durch Artikel 10 in der Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Unsere Meinungsfreiheit steht dabei über der möglicherweise falschen Information. Und dann stellt sich immer noch die Frage, ob ein Verbot überhaupt etwas ändern würde.
Für Lutz Güllner geht es auch um die Art, wie Desinformation bekämpft wird. Nur weil zum Beispiel in Russland von der Regierung falsche Informationen geliefert werden, ist es laut Güllner nicht immer die beste Idee, Informationen mit anderen Informationen zu kontern und zu widerlegen. „Das ist nur ein Element”, so Güllner. Um Falschinformationen auch auf Dauer zu entlarven, bedarf es eines großen Gesamtpakets. Dazu zählt laut Güllner auch die Bevölkerung, die eigenständig Verantwortung übernehmen sollte. Als Beispiel nennt er das „ABC-Modell“ (Actor, Behavior, Content). Die drei Punkte sollen dem Publikum laut Lutz Güllner bei der Orientierung helfen, um mögliche Falschinformationen zu erkennen. Medien-Rezipienten sollten besonders darauf achten, wie sich der Ausführende (Actor) verhält und in welcher Art (Behavior) er seinen Inhalt (Content) präsentiert. Auch die Form des Inhalts, also die Darstellung und Dramatik, die vermittelt wird, sind Teil des Punktes.
Audrey Tang unterstreicht diese Aussage indem sie ausführt, dass es wenig Sinn mache, potenzielle Falschinformationen einfach aus dem Netz zu entfernen. So würde man Menschen auch die Möglichkeit nehmen, zu lernen, Falschinformationen von richtigen Informationen zu unterscheiden. „Genug Personen, die wissen, wie man koordiniertes, unauthentisches Verhalten im Internet aufdecken kann, sind stärker als jeder staatliche Versuch, die Informationen zu kontern“, so Tang. Ein freies Internet müsse also alles anbieten – auch wenn es dann Falschinformationen sind. Natürlich bleibe dem Staat die Möglichkeit auf Falschinformationen hinzuweisen. Eine in Medienfragen gut ausgebildete und organisierte Bevölkerung ist laut Audrey Tang allerdings stärker.
Quellen:
Freedom House (2021). Freedom on the net 2021. Germany. Freedom House. Abgerufen von https://freedomhouse.org/country/germany/freedom-net/2021
Huber, M. (n.d.): Internetzensur: Auf welchem Rang befindet sich Dein Land? vpnMentor. Abgerufen von https://de.vpnmentor.com/blog/internetzensur-auf-welchem-rang-befindet-sich-ihr-land/
Kutscher, T., Himmelspach, A. (2018). Die russische Medienlandschaft. Alles Propaganda?! Bundeszentrale für politische Bildung. Abgerufen von https://www.bpb.de/themen/europa/russland/47996/die-russische-medienlandschaft/?p=all
Beitragsfoto: DW/Böll
Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Seminars „Pressefreiheit und Medienpluralismus“ am Institut für Journalistik der TU Dortmund unter Leitung von Tina Bettels-Schwabbauer, das mit einer Exkursion zum DW Global Media Forum verknüpft war.
Schlagwörter:DW Global Media Forum, Internetzugang, Russland, Ukrainekrieg