Regierung und Medien in der Slowakei: anhaltende Spannungen

31. Mai 2024 • Aktuelle Beiträge, Internationales, Pressefreiheit • von

Bildquelle: Print Screen, CT24: https://ct24.ceskatelevize.cz/clanek/svet/danko-obvinil-ze-strelby-na-fica-novinare-nestupnujte-napeti-vyzyva-simecka-349240

In der Slowakei herrscht ein raues Klima für Medienschaffende: Der erst 2023 wiedergewählte Ministerpräsident Robert Fico hat nicht nur wiederholt Journalist:innen verbal angegriffen. Seit der Wahl erfahren Medien auch verstärkt Einschränkungen.  Dabei ist die schwierige Lage der Medien in der Slowakei nicht neu: spätestens seit dem Mord an Jan Kucias im Jahr 2008 fühlen sich Journalist:innen weniger sicher. Veronika Budaiová analysiert, was von der vierten Amtszeit Ficos zu erwarten ist und wie seine Regierung mit ihrem Hang zu populistischem Illiberalismus Demokratie und Meinungsfreiheit aushöhlt.

Anm. d. Übers.: Robert Fico wird aktuell nach einem Attentat im Krankenhaus behandelt.

Bei den Parlamentswahlen 2023 siegte die Partei Smer-SD mit deutlichem Vorsprung (22,94 %) vor der zweitgrößten Partei, der Progressiven Slowakei (17,96 %). Die Bildung der Regierungskoalition aus Smer-SD, Hlas und SNS hat viele slowakische Bürger nicht überrascht.

Die Pläne und Visionen dieser Parteien hinsichtlich der künftigen Ausrichtung des Landes wurden während des Wahlkampfs bekannt gegeben und anschließend in der Koalitionsvereinbarung zusammengefasst, einem Dokument, das die beteiligten Parteien zu Beginn ihrer Regierungszeit gemeinsam unterzeichneten.

Der Vertrag enthält keinen direkten Hinweis auf die spätere Haltung gegenüber den Medien, aber der Vorsitzende von Smer-SD, Robert Fico, sowie die neuen Gesichter der SNS sind seit langem für ihre negative Haltung gegenüber ausgewählten Medien bekannt. Martina Šimkovičová, Kulturministerin, Peter Kotlár, Abgeordneter, Tomáš Taraba, Umweltminister, oder Rudolf Huliak, Abgeordneter, gehören zu den bekannten Namen, die auf der Kandidatenliste der SNS in die Politik gegangen sind.

Spannungen und Konflikte

Robert Ficos Angriffe auf Journalisten sind kein neues Phänomen. Bereits 2008 bezeichnete er Journalist:innen als „Hyänen“ oder „Lügner“. Zahlreiche Journalist:innen haben sich gegen die verbalen Angriffe ausgesprochen und fühlen sich nach der Ermordung des Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová derzeit bedroht. Nach dem Mord hielt sich Fico zuerst mit Kommentaren gegen Medienschaffende zurück, aber das hielt nicht lange an. Nur ein Jahr später antwortete er auf Fragen von Journalisten so:

„Ihr seid die größten Verbrecher der Welt! Ihr habt den größten Schaden in dieser Republik angerichtet!“

Das Szenario wiederholte sich einige Jahre später, als Fico nach den Wahlen im September 2023 mit einigen der führenden Medienvertreter:innen in der Slowakei zusammentraf. Bei diesem Treffen sprach er von der Notwendigkeit, ein Umfeld für „normale Arbeit und angenehme Beziehungen“ zu schaffen. Doch erneut war dieses Versprechen nur von kurzer Dauer, schon bald ging der Politiker wieder zu Angriffen gegen liberale Medien über.

Was sind die liberalen Medien?

Einige Politiker betrachten die liberalen Medien als feindlich. Liberal bedeutet freidenkerisch, tolerant oder versöhnlich. Der klassische Liberalismus bekennt sich im Allgemeinen zu den Grundsätzen der individuellen Autonomie und minimaler staatlicher Eingriffe. Daher befürworten liberale Medien die Trennung vom Staat, insbesondere von staatlicher Einmischung.

Hallin und Mancini betrachten ein liberales Mediensystemmodell als eines, das sich auf das Marktumfeld, die Information, den Pluralismus und die Professionalität des journalistischen Berufs konzentriert. In der heutigen Zeit gelten Meinungsfreiheit, Rationalität, verantwortungsvoller Journalismus und eine ständige Neubewertung des Status quo als Hauptmerkmale der liberalen Medien. All diese Merkmale sind Ideale, die sich die Medien zu eigen machen und versuchen können, sie zu erreichen.

Negative Einstellungen gegenüber den liberalen Medien sind ein weit verbreitetes Phänomen in der slowakischen politischen Szene. Robert Fico wirft ihnen mangelnde Überparteilichkeit oder die Förderung feindseliger politischer Haltungen vor, etwa durch die Veröffentlichung falscher und unvollständiger Informationen.

Bei mehr als einer Gelegenheit hat der Vorsitzende von Smer-SD direkt seinen Standpunkt zum Ausdruck gebracht, dass die liberalen oder Mainstream-Medien in der Slowakei offen lügen. Er beschuldigt sie auch der offenen Voreingenommenheit, wie etwa bei den jüngsten Präsidentschaftswahlen 2024.

Die liberalen Medien sollen den Kandidaten Ivan Korčok unterstützt und finanziert haben, wie Fico in den sozialen Medien erklärte. Mit Korčok kann man auch Progresivní Slovensko oder Zuzana Čaputová in Verbindung bringen. Die angebliche direkte Unterstützung ausgewählter politischer Persönlichkeiten stelle eine Voreingenommenheit gegen die derzeitige Regierung dar. Es wird angenommen, dass liberale Medien aus dem Ausland finanziert werden, zum Beispiel von George Soros, dessen Ansichten und Agenda sie nach Ansicht des Ministerpräsidenten förderten.

Fico hat all diese Ansichten in den sozialen Medien und bei öffentlichen Auftritten propagiert. Als Gegenpol zu den liberalen Medien gibt der Smer-SD-Chef außerdem alternative Medien heraus, in denen mehrere Mitglieder der Regierungskoalition häufig zu Gast sind.

Alle oben genannten Praktiken von Robert Fico und Mitgliedern der Regierungskoalition lassen sich durch den Wunsch erklären, die Aktivitäten liberaler Elemente im Land zu verhindern. Vorgebrachte Argumente wie Voreingenommenheit, Irreführung, Verbreitung antislowakischer Interessen und direkte Einmischung in das politische System können als Versuch gewertet werden, die Maßnahmen der Regierung gegen die Medien zu verteidigen.

Zu den jüngsten Maßnahmen der Regierungskoalition gehört die Nichtteilnahme an einer der meistgesehenen politischen Sendungen in der Slowakei, Na telo auf TV Markíza, um das Programm abzusetzen, wie es auch bei der Sendung Na hrane auf TV JOJ der Fall war.

Nach der oben genannten Populismustheorie ist es das Ziel dieser Führer, nach ihrer Amtsübernahme an der Macht zu bleiben. Die Medien gehören zu den liberalen Institutionen, die populistische Führer in Misskredit bringen wollen. Die konkrete Form hängt von der Art des Führers und dem Land ab, in dem er sich befindet.

Auch Donald Trump hat ausgewählte liberale Medien öffentlich verunglimpft. Viktor Orbán hat den Medienpluralismus eingeschränkt, entweder direkt (durch Regulierungsinstitutionen) oder indirekt (durch den Aufkauf von Medien durch Dritte). Lech Kaczyński hat den Weg der Gesetzesänderung und der strengen Kontrolle der Medien eingeschlagen. Robert Fico hat aus seinen Plänen keinen Hehl gemacht und weist direkt auf die Probleme hin, die er sieht.

Illiberalismus in der Politik

Der Beginn der vierten Regierung von Robert Fico hat neben verbalen Angriffen auch konkrete Einschränkungen der Medien mit sich gebracht – ein neuer, aber kein überraschender Schritt. Diese Veränderung lässt sich durch die Einstufung von Ficos als illiberale Demokratie in der Kategorie des Populismus erklären, wie sie von Takis Pappas (2016) definiert wurde, was auch einige der Aktionen gegen die liberalen Medien in der Slowakei erklären kann.

Pappas charakterisiert populistische Führer als solche, die in einer funktionierenden liberalen Demokratie an die Macht kommen und durch faire Wahlen eingesetzt werden können.

Der Illiberalismus manifestiert sich in ihren Handlungen nach der Machtübernahme, wenn sie das Funktionieren liberaler Institutionen einschränken, die Rechtsstaatlichkeit untergraben, die Polarisierung schüren und dabei erklären, sie förderten die Interessen des Volkes.

Ziel ist es, die totale Kontrolle über die Staatsmacht zu erlangen, was die Übernahme der Kontrolle über die staatlichen Institutionen einschließt (z. B. durch die Einsetzung ihrer eigenen Beauftragten in Machtpositionen). Es sei darauf hingewiesen, dass bis zu einem gewissen Grad jede Regierung, sobald sie an der Macht ist, die Kontrolle über die Institutionen haben möchte. Der Unterschied liegt im Ausmaß der Kontrolle, wobei das Ziel einer populistischen Regierung darin besteht, den Regimewechsel durch Änderungen in der Verfassung zu verankern.

Die Institutionen, die das ordnungsgemäße Funktionieren der liberalen Demokratie gewährleisten, wie die Medien, die Justiz, das Bildungssystem und gemeinnützige Organisationen, treten in den Vordergrund. Die Form, in der die Staats- und Regierungschefs Einfluss auf die Institutionen nehmen, ist vielfältig. Ob in Form einer Gesetzesänderung, einer verstärkten Aufsicht oder einer Begrenzung der Finanzierungsquellen, immer geht es darum, den Einflussbereich einzuschränken oder einzelne Organisationen ganz zu schließen.

Fico hat während seiner Amtszeit den demokratischen Prozess nicht in Frage gestellt, und trotz ständiger verbaler Angriffe hatte er sich während früherer Regierungen nicht in die Funktionsweise der Medien eingemischt. In der heutigen Situation lassen sich allerdings mehr Gemeinsamkeiten mit der Theorie von Pappas feststellen, die sich in den konkreten Maßnahmen der Regierungskoalition widerspiegeln.

Einschränkung von Journalist:innen in der Praxis

Der slowakische Parlamentspräsident Peter Pellegrini führte nur wenige Wochen nach der Ernennung der Regierung neue restriktive Regeln für den Zutritt ausgewählter Medien zum Nationalratsgebäude ein. Zu den ausgewählten Medien gehören Denník N, die Tageszeitung SME, Aktuality und TV Markíza, die Fico als „feindselig“ bezeichnete. Es handelte sich nicht um ein vollständiges Verbot dieser Medien, sondern um eine Einschränkung ihrer Tätigkeit, wobei Fico eine Überprüfung der Zutritts- und Arbeitserlaubnis für die genannten Medien anordnete.

Die neuen Regeln verbieten Live-Übertragungen und Interviews mit Regierungsvertretern und grenzen den Raum der Bibliothek im Vestibül im Erdgeschoss des Hauptgebäudes der Nationalversammlung ab, in dem Journalist:innen ihre Arbeit verrichten können. In Bezug auf die Beschränkungen merkte Fico an, dass die geschäftlichen Beziehungen der Medienunternehmen, insbesondere von TV Markiza, überprüft werden sollen. Als Grund nannte er das monopolistische und feindselige Verhalten des Fernsehsenders.

An das Mitglied

Mitglieder der Smer-SD-Partei schränken auch indirekt die Arbeit von Journalist:innen ein, indem sie Einladungen zu Sendungen und Interviews ablehnen. Der Redakteur von Denník N wies auf die seit Jahren andauernde mangelnde Kommunikation von Fico hin. Es sei jedermanns Recht, sich nicht an einer Debatte zu beteiligen, aber es sei schade, wenn Einladungen der (laut einer Median SK-Umfrage) meistgelesenen Mainstream-Medien von einer der beliebtesten Parteien in der Slowakei abgelehnt würden.

Nach den Wahlen wurde Martina Šimkovičová, eine ehemalige Moderatorin von TV Markíza, von wo sie entlassen wurde, zur neuen Kulturministerin ernannt. Bevor sie dieses Amt antrat, arbeitete sie bei TV Slovan. Der neuen Ministerin zufolge konzentriert sich das Konzept der Kultur auf die slowakischen Traditionen, das heißt, es wird vermieden, andere Meinungsströmungen zu fördern.

Zu den Maßnahmen der Ministerin gehören der Versuch, eine kulturelle Zusammenarbeit mit Russland und Weißrussland aufzubauen, die Umwidmung von Mitteln zur Bekämpfung der Desinformation für die Instandsetzung ausgewählter Kulturgebäude oder die Entlassung des Direktors einer Galerie ohne Angabe von Gründen.

Im April legte Frau Šimkovičová einen Gesetzentwurf vor, um die Situation des Senders RTVS zu ändern, über dessen Parteilichkeit sich die Regierung seit langem beschwert. Der Ersatz für das öffentlich-rechtliche Fernsehen und Radio solle besser STVR heißen, von einem Direktor geleitet werden, der von einem siebenköpfigen Verwaltungsrat ernannt wird (die Mitglieder des Verwaltungsrats werden vom Parlament ernannt), und es soll ein neues Beratungsgremium für den Verwaltungsrat geschaffen werden – eine neunköpfige Ethikkommission. Die Mitglieder derer werden von der katholischen Kirche oder der Slowakischen Mutterkirche ernannt.

Der Populismus zeichnet sich auch durch die Polarisierung der Gesellschaft und die Abgrenzung einer Gruppe aus, die die Führer der Populist als das Volk bezeichnen und sich als Vertreter der Interessen des Volkes präsentieren. In einer polarisierten Gesellschaft ist es notwendig zu definieren, wer zu einer Minderheit gehört und welche Gruppe die Ansichten dieser Minderheit vertritt. Laut Robert Fico gehören zu dieser Gruppe die liberalen Medien.

Reaktionen ausländischer Medien auf die Situation in der Slowakei

Das Verhalten der Regierungskoalition gegenüber den Medien hat eine Signalwirkung nach innen und außen. Medien wie The Guardian, ipi.media oder Reuters haben die Haltung der Regierungskoalition nach dem September 2023 ausführlich dokumentiert.

Die Europäische Union hat sich mehrfach für die Wahrung der Freiheit der Medien und der Journalist:innen ausgesprochen. Die Einwände gegen den Vorschlag für eine neue Form des Senders RTVS beziehen sich insbesondere auf die Ernennung der Mitglieder des Verwaltungsrats und dessen Zuständigkeit für die Ernennung des Direktors. In dem neuen Vorschlag wurde die Möglichkeit, den Direktors ohne Angabe von Gründen abzuberufen, ausgeschlossen – diese verstößt gegen das Recht der Europäischen Union, nämlich das Gesetz über die Medienfreiheit. Dennoch ist es fraglich, ob die Anforderungen der Nichtdiskriminierung, Unparteilichkeit und Transparenz eingehalten werden.

 

Dieser Artikel erschien zuerst auf der tschechischen EJO-Seite. Übersetzt von Johanna Mack und Judith Odenthal mithilfe von DeepL.

 

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