Wenn Medien zum Feind gemacht werden

30. Juni 2022 • Aktuelle Beiträge, Pressefreiheit • von

Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut. Aber in Zeiten der Pandemie und des Krieges wird sie besonders gefährdet. Was Medienakteur*innen in Krisenzeiten tun können, um trotz dieser Gefahren frei berichten zu können, war eines der Hauptthemen auf dem diesjährigen DW Global Media Forum in Bonn.

Journalist*innen sind die sogenannten Watchdogs einer Demokratie. Ohne Medienschaffende wäre der Zugang zu Informationen nur eingeschränkt, vielleicht sogar unmöglich. Die Presse deckt die Wahrheit auf, klärt über Missstände auf und erzählt die Geschichten, die sich nicht jeder zu erzählen traut. Sie informiert auch die Wähler*innen, stärkt die Demokratie und zieht die Macht zur Rechenschaft. Die Pressefreiheit ist daher für die Gesellschaft unverzichtbar.

Dieses Recht sei jedoch häufig bedroht, sei es durch Einschüchterung und (Todes-)Drohungen, Cybermobbing und Internet-Ausfälle oder durch restriktive Mediengesetze und Verleumdung, betont die International Federation of Journalists (IFJ) auf ihrer Webseite. Ökonomische Abhängigkeiten gefährden aber auch die Pressefreiheit eines Landes. Laut der Chefredakteurin der Deutschen Welle (DW), Manuela Kasper-Claridge, ist es schwer, die Pressefreiheit aufrechtzuerhalten, wenn es keine unabhängigen Gremien gibt und die Medien abhängig von staatlicher Finanzierung sind, denn „die staatliche Zuwendung ist an staatliche Einflussnahme gekoppelt“. So sei es zum Beispiel in Ungarn, wo die Journalist*innen „darum kämpfen, dass ihre Stimme gehört wird“, sagt sie in einem Interview auf dem DW Global Media Forum.

Manuela Kaspar-Claridge (Foto: DW/Philipp Böll)

Medien als Feind

Während der Pandemie war die Sicherheit vieler Medienschaffender in Gefahr. Viele Länder haben neue Mediengesetze verabschiedet, um die Desinformation zu regulieren, doch diese wurden schnell missbraucht und werden noch immer für andere Zwecke eingesetzt, etwa um die Medien zum Schweigen zu bringen und die Kontrolle der Regierung zu sichern. Infolgedessen wurden Medienschaffende aus der ganzen Welt wegen Verleumdung und Desinformation angeklagt, ihre Lizenzen wurden entzogen oder sie wurden inhaftiert oder sogar getötet. Aber nicht nur die Regierungen haben eine feindliche Haltung gegenüber Medienschaffenden eingenommen, sondern auch die Bevölkerung. Viele Journalist*innen wurden und werden bedroht und angegriffen, beispielsweise bei Demonstrationen. Laut der brasilianischen Investigativjournalistin Patricia Campos Mello betont die Regierung von Jair Bolsonaro täglich, dass die Medien „der Feind“ seien. Diese  Haltung werde von vielen Bürgerinnen und Bürgern übernommen und führe nicht nur zu Verachtung, sondern auch zu Freiheitsberaubung, manchmal sogar zu Mord, so Campos Mello im Interview auf dem DW Global Media Forum. Nach Angaben des Committee to Protect Journalists (CPJ) wurden im Jahr 2020 weltweit 280 Journalist*innen inhaftiert. 50 wurden im selben Jahr getötet.

Schutz der Journalist*innen durch die DW

Angesichts dieser alarmierenden Zahlen ist es von entscheidender Bedeutung, dass sich die Medienhäuser für die Pressefreiheit einsetzen, eine qualitativ hochwertige und unparteiische Berichterstattung liefern und für die Sicherheit ihrer Journalist*innen sorgen. Genau das macht die Deutsche Welle, die für den Anspruch „unbiased information for everybody“ steht. Laut Chefredakteurin Manuela Kasper-Claridge ist es ausschlaggebend, dass die Deutsche Welle nicht einseitig berichte, sondern verschiedene Stimme zu Wort kommen lasse und genügend Zeit für Fact-Checking habe. Denn diese Fact-Checking-Formate werden von den Nutzer*innen zunehmend nachgefragt. Die Menschen wollen wissen, wie sie an ihre Informationen kommen und wo die Quellen herkommen. Transparenz sei also von großer Bedeutung.

Die DW arbeitet allerdings auch mit Auslandskorrespondent*innen, die an Orten sind, wo es keine oder nur eingeschränkt Pressefreiheit gibt. Da gelte derer Sicherheit als Priorität, so Manuela Kasper-Claridge. „Das ist eine wichtige Aufgabe, auch für die Chefredaktion“, sagt sie. Um dies zu gewährleisten, hätten die Journalist*innen die Möglichkeit, anonym zu bleiben und ihre Beiträge unter Pseudonym zu veröffentlichen. Als das Büro der DW in Moskau geschlossen wurde, hatte die DW dort über 20 Medienschaffende. Jetzt arbeiten sie entweder in Riga, Bonn oder Berlin. Dennoch gebe es aber noch Kolleg*innen, die in Russland anonym vor Ort arbeiten. Sie sammeln und verifizieren Informationen und schicken sie an die Deutsche Welle zurück. Als der Krieg ausbrach, habe die DW ihren Auslandskorrespondent*innen in Kyjiw die Option gegeben, das Land zu verlassen, wenn sie das wollten. So seien einigen Kolleg*innen mit ihrer Familie nach Bonn gezogen und die DW habe sich darum gekümmert, dass sie auch eine Unterkunft bekommen. Aber nicht jeder wollte oder konnte ausreisen. So haben sich einige dazu entschieden, in Lwiw oder in Kyjiw zu bleiben und von dort aus zu berichten, um „unseren ukrainischen Dienst dort weiter sicherzustellen“, sagt Chefredakteurin Kasper-Claridge.

Patricia Campos Mello (Foto: DW/Philipp Böll)

Die journalistische Arbeit wird erschwert, aber nicht eingestellt

Obwohl diese Journalist*innen ihr eigenes Leben in einem laufenden Krieg riskieren, haben sie sich entschieden, weiterhin von vor Ort zu berichten und die Öffentlichkeit täglich mit Informationen zu versorgen. So machen es auch andere Medienschaffende, die in Ländern tätig sind, wo die Pressefreiheit gefährdet ist. Auch die brasilianische Investigativjournalistin Patricia Campos Mello war in ihrer Laufbahn mit vielen Herausforderungen konfrontiert, die ihr die Berichterstattung erschwert haben. Während der Coronakrise in Brasilien habe die Regierung versucht, die Auswirkungen der Pandemie herunterzuspielen und gesagt, die Situation sei nicht so schlimm, so Campos Mello. Bolsonaros Regierung habe auch versucht, den Zugang zu Informationen zu erschweren und Statistiken über die Menschen, die sich mit COVID-19 infiziert haben oder daran gestorben sind, zu verzerren.

„Es ging so weit, dass die Medien ein Konsortium bilden mussten, um die Zahlen direkt von den Landesregierungen zu erhalten, weil die Bundesregierung die Zahlen verzerrte“, sagt die Journalistin. Und sobald brasilianische Medienschaffende versuchten, auf die Auswirkungen der Pandemie hinzuweisen, zum Beispiel darauf, dass es nicht genügend Krankenhausbetten gebe, hätte die Regierung die Presse wieder einmal als Feind dargestellt, so Campos Mello.

Eine medienfeindliche Regierung und eine Bevölkerung, die der Presse skeptisch gegenübersteht oder ihr gar nicht vertraut, machen die Arbeit eines Journalisten bzw. einer Journalistin sehr schwierig. Das hindert Journalist*innen wie Patricia Campos Mello jedoch nicht daran, weiterhin über verschiedene Themen zu informieren. So hat sie beispielsweise über die Desinformation während der Wahlen in Brasilien 2018 berichtet. Sie hatte entdeckt, dass die sozialen Medien zunehmend als Waffe zur Manipulation der öffentlichen Meinung eingesetzt wurden. Aus diesem Grund wurde sie mehrmals bedroht und es wurden häufig Fake News von ihr verbreitet. Dennoch hat sie sich nie gescheut, über kontroverse oder politische Themen zu berichten.

„Ich vermeide diese Themen nicht oder zensiere mich selbst, aber natürlich bin ich viel vorsichtiger, wenn ich etwas veröffentlichen will“, sagt Campos Mello. So halte sie dann inne, um über die Konsequenzen und die emotionale Wirkung nachzudenken, aber Selbstzensur komme für sie nicht in Frage.

Journalismus ist es wert

Für ihre Leistungen im Jahr 2018 hat Patricia Campos Mello den 2019 International Press Freedom Award des CPJ bekommen. Trotz der Herausforderungen und des ständigen Kampfs für Pressefreiheit sei der Job als Journalistin für sie „der beste Job der Welt“. Es sei auch ein Privileg, etwas zu tun, das einen gesellschaftlichen Beitrag leistet oder zur Aufdeckung von Korruption beiträgt, sagt sie. Auch Manuela Kasper-Claridge hat sich für diesen Beruf entschieden, weil sie über die Dinge berichten wollte, „über die vielleicht nicht jeder berichtet“ und die Geschichten der Menschen erzählen wollte. „Für mich war die Leidenschaft für die Wahrheit entscheidend“, so Kasper-Claridge.

Journalist*innen müssten die Fragen stellen, die unbequem sind und Missstände aufdecken, sagt die Chefredakteurin der DW, „sie sind eine ganz wichtige Stimme in einer Demokratie aber auch natürlich in einer Gesellschaft, wo keine Demokratie ist”.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Seminars „Pressefreiheit und Medienpluralismus“ am Institut für Journalistik der TU Dortmund unter Leitung von Tina Bettels-Schwabbauer, das mit einer Exkursion zum DW Global Media Forum verknüpft war.

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