Wie die Corona-Pandemie die Medien in Südafrika verändert hat

26. April 2021 • Aktuelle Beiträge, Pressefreiheit, Redaktion & Ökonomie • von

Presse-, Medien- und Meinungsfreiheit – vor Beginn der Corona-Pandemie waren das Rechte, auf die in Südafrika großen Wert gelegt wurde. Die Vielfalt an Medienhäusern und -angeboten war groß. Doch durch die Pandemie und damit verbundene finanzielle Einbrüche in der Medienbranche ist beides bedeutend geschrumpft.

5. März 2020 – Südafrika meldet den ersten Covid-19-Fall des Landes. Die Regierung reagiert mit ersten Maßnahmen, startet eine Social-Media Kampagne in verschiedenen Sprachen, um die Bevölkerung darüber zu informieren, wie man sich am besten vor dem Virus schützen kann. Am 15. März 2020 ruft die Regierung den nationalen Notstand aus: Schulen werden geschlossen. 12 Tage später beginnt in Südafrika ein harter Lockdown – für zunächst drei Wochen dürfen die Menschen dort nur noch aus dem Haus, um einkaufen zu gehen, Medizin zu besorgen oder zu tanken. Alkohol und Zigaretten dürfen nicht mehr verkauft werden. Die Grenzen werden zugemacht. Medien weltweit sprechen vom „härtesten Lockdown der Welt“. Später wird er verlängert.

Das Virus hatte Südafrika dabei verhältnismäßig spät erreicht. Bevor dort erste bestätigte Corona-Fälle auftauchten, hatten andere Länder wie Russland, die USA oder auch Deutschland schon vor Wochen oder sogar Monaten erste Fälle gemeldet. Die Berichterstattung in südafrikanischen Medien beschränkte sich somit zunächst auf den Blick ins Ausland. Nach der Bestätigung erster Fälle in Südafrika Anfang März schwenkte die Berichterstattung um. In erster Linie wurde nun die Frage thematisiert, wie man sich am besten selbst vor einer Ansteckung mit Covid-19 schützen könnte, es wurde über einzelne Fälle in Afrika und Südafrika berichtet. Mit der zunehmenden Verbreitung des Virus veränderten sich die Inhalte der Berichterstattung erneut – der Fokus rückte auf die Entwicklungen im Inland und die von der Regierung verhängten Restriktionen, die von einigen Medien, wie zum Beispiel von TimesLIVE, der zweitgrößten Nachrichtenwebsite Südafrikas, durchaus kritisch hinterfragt wurden.

Südafrika und die Meinungs- und Pressefreiheit

Grundsätzlich können Medien in Südafrika eine kritische Perspektive einnehmen, ohne Sanktionen durch die Regierung befürchten zu müssen. Denn Meinungs- und Pressefreiheit wurden in Südafrika in den letzten Jahren großgeschrieben. So sind diese Freiheiten in Artikel 16 im höchsten Gesetz, in der Konstitution des Landes festgehalten. Dort heißt es:

Everyone has the right to freedom of expression, which includes freedom of the press and other media.

Laut Reporter ohne Grenzen haben Verfassung und Rechtsprechung in der Vergangenheit auch in der Praxis dafür gesorgt, dass dieser Grundsatz umgesetzt wurde. In der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen belegte Südafrika Anfang 2020 Platz 31 von 180.

Pandemie hat fatale Auswirkungen für die Medienhäuser

Im Zuge der Corona-Pandemie hat sich die Medienlandschaft in Südafrika allergings gravierend verändert und vor allem deutlich reduziert. Laut Reporter ohne Grenzen traf die Wirtschaftskrise im Land den Mediensektor mit am härtesten. Zwar hätten die Medien, die bei den Konsumentinnen und Konsumenten ein hohes Vertrauen genießen würden, neue Rezipientinnen und Rezipienten dazugewonnen, gleichzeitig hätten sie jedoch Anzeigekundinnen und -kunden verloren, heißt es in der „Analysis of COVID-19 Media Coverage” von Media Monitoring Africa. Gerade kleinere private Medien seien dadurch in Schieflage geraten oder hätten sogar zumachen müssen. Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen mussten etwa 80 Medienhäuser schließen, knapp 700 Reporterinnen und Reporter mussten ihren Job aufgeben. Die noch bestehenden Medienhäuser und Journalistinnen und Journalisten vor Ort mussten sich Falschinformationen in den sozialen Netzwerken entgegenstellen, die von Journalistinnen und Journalisten aufgegriffen und richtiggestellt wurden. Medienhäuser fragten dafür bei Behörden inhaltlich korrekte Informationen an. So stellte die Daily Sun nach der ersten Welle und den Lockerungen der Maßnahmen klar, dass die Regierung in der nächsten Zeit erstmal keinen neuen harten Lockdown plane, dass jetzt niemand in die Geschäfte stürmen müsse, um sich Alkohol zu besorgen und dass Knoblauch kein Allheilmittel gegen Corona sei. Auch der Regierung waren die Falschinformationen ein Dorn im Auge, weshalb Präsident Cyril Ramaphosa Mitte März ein Gesetz zum Katastrophenmanagement erließ, das die Verbreitung von Fake News unter Strafe stellte.

Diese neuen Regeln wirken sich laut Reporter ohne Grenzen wiederum aber auch auf die Medienfreiheit aus: denn auch Journalistinnen und Journalisten drohen damit bis zu 6 Monate Haft, sofern sie Falschinformationen über das Coronavirus und die Pandemie verbreiten. Wie genau Falschinformationen definiert werden, bestimmt demnach die Regierung selbst, was Kritiker als einen Angriff auf den Journalismus in Südafrika sehen.

Journalistinnen und Journalisten in seltenen Fällen auch bedroht

Darüber hinaus gibt es im Zuge der Pandemie – vereinzelte Berichte über Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten. So berichteten mehrere Medien vom Fall des Fotojournalisten Jacques Marais, der über den Lockdown im Township Masiphumelele und die Angriffe von Sicherheitskräften auf Zivilisten habe berichten wollen. Vermummte Sicherheitskräfte hätten ihm damit gedroht, ihn umzubringen, wenn er den Ort nicht verlassen würde. In einem anderen Fall berichtet das South African National Editors‘ Forum von einem Journalisten, der Opfer von Polizeigewalt geworden sein soll. Demnach wollte Paul Nthoba, der Herausgeber der lokalen Wochenzeitung „Mohokare News“, darüber berichten, wie die Polizei die von der Regierung festgelegten Lockdown-Regeln durchsetzt. Dabei wurde er laut Bericht körperlich misshandelt. Weil er Angst um sein Leben gehabt habe, sei er in das Büro der UN in Lesotho geflohen, um dort Zuflucht zu suchen. Die Deutsche Welle berichtet von der Journalistin Azarrah Karrim, auf die laut ihrer eigenen Aussage grundlos geschossen wurde.

Arbeitseindrücke eines Korrespondenten in Südafrika

Dass die Sicherheitskräfte vor allem in dieser ersten Phase in der Pandemie teilweise rabiat vorgegangen sind, entspricht auch den Beobachtungen von Adrian Kriesch, der in Südafrika für die Deutsche Welle berichtet und Fernsehbeiträge produziert. Seine Arbeit habe das allerdings nie betroffen, Gewalt habe sich nie gegen ihn als Journalisten gerichtet und es habe auch niemand versucht, ihn bei der Berichterstattung über die Pandemie zu beeinflussen: „Da wurden einem keine Steine in den Weg gelegt, sonst wären auch Sachen, die schiefgegangen sind, gar nicht an die Öffentlichkeit gelangt – wie die Prügelorgien“. Journalistinnen und Journalisten hätten auch während des Lockdowns einen Sonderstatus genossen – denn sie gehören zum sogenannten „essential service“ und durften damit weiterhin ihre Arbeit ausüben und sich beruflich frei bewegen.

Forscher untersuchen Berichterstattung zu Covid-19

Aller neuen Umstände für Journalistinnen und Journalisten zum Trotz: Die Erwartungen der südafrikanischen Gesellschaft an die Berichterstattung sind weiter hoch. Es werde nach wie vor angenommen, dass die Medien nicht nur als reine Informationsquelle fungieren und Daten wie Infektionszahlen wiedergeben würden, sondern darüber hinaus auch ihre öffentliche Aufgabe erfüllen, dabei helfen, dass sich die Menschen sicher fühlen, ihnen erklären, was in der Pandemie vor sich geht, was das für ihren Alltag konkret bedeutet und welchen Einfluss das auf sie hat, heißt es in der „Analysis of COVID-19 Media Coverage” von Media Monitoring Africa. Für ihre Analyse haben sich die Forscher insgesamt 7.540 Beiträge in über 50 verschiedenen Medien angesehen, die sich mit der Pandemie auseinandersetzen und untersucht, welche Themenfelder die Artikel konkret abdecken, wer darin zu Wort kommt,  welchem Geschlecht er sich zugehörig fühlt und ob er oder sie weiß oder schwarz ist.

Regierungsvertreter kommen besonders häufig zu Wort

Die Ergebnisse der Forscher: Thematisch ging es in den Artikeln hauptsächlich um die Verkündung neuer Infektionszahlen, so wie Maßnahmen der Regierung im Kampf gegen die Pandemie. Am häufigsten tauchten in den Berichten dadurch bedingt schwarze Männer auf, meist prominente, hochranginge Regierungspersönlichkeiten, wie der Präsident Südafrikas Cyril Ramaphosa, oder der Gesundheitsminister Zweli Mkhize. Frauen waren laut den Studienmachern in den Medien deutlich unterrepräsentiert – sie tauchten nur in 20 Prozent der Artikel auf.

Die Rückschlüsse der Forscher: Dass so häufig Regierungsvertreter zu Wort kommen, könnte daran liegen, dass die Regierung besonders offensiv aufgetreten ist und stetig versucht hat, die Bevölkerung über neue Zahlen und Maßnahmen zu informieren. Laut der Studie würde es den Medien guttun, wenn sie sich pro-aktiver verhielten und mehr Stimmen aus der Gesellschaft zu Wort kommen ließen, vor allem Frauen und Kinder, sowie Experten aus dem Medizinbereich und andere Wissenschaftler. Die Medien sollten sich demnach auch weniger auf offizielle Pressestatements berufen und diese vielmehr dazu nutzen, um Daten einzuordnen. Die Autoren schlagen stattdessen vor, Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Soziologie, Gesundheit und Wissenschaft zu befragen und darzustellen, wie sich die Pandemie auf das Leben der Menschen auswirkt. Journalistinnen und Journalisten müssten also darüber hinaus tiefergehende Recherche betreiben, vielleicht auch, so die Autoren, um die offiziellen Angaben der Regierung hinterfragen zu können.

Der Beitrag entstand im Rahmen des Seminars „Auslandsberichterstattung: Berichten in der Corona-Krise“ im Master-Studiengang Journalistik am Institut für Journalistik der TU Dortmund unter Leitung von Prof. Dr. Susanne Fengler und Isabella Kurkowski. 

Bildquelle: pixabay.com

 

 

 

 

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