Die SRG darf nur, was die Privaten nicht tun? Dann darf die SRG alles. Denn die Privaten tun nichts.
Kuppelshows macht unser Staatsfunk nicht. Wenn man SRF konkurrieren will, muss man darum eine Kuppelshow machen.
In den letzten Jahren gab es drei Sendeformate eines privaten Schweizer TV-Anbieters, die hübsche Einschaltquoten erreichten. Alle drei waren Kuppelshows des Kanals 3+. Sie hießen Bachelor, Bauer, ledig, sucht und Bachelorette.
Sonst ist es über fünfzehn Jahre her, dass die SRG von einem heimischen Konkurrenten unter Quotendruck kam. Damals gelang das dem Tamedia-Sender TV3 mit Formaten wie Big Brother und Wer wird Millionär?.
Im Juni erschien der lange erwartete Service-public-Bericht des Bundesrats zur SRG. Er war ungefähr so überraschend wie die Erkenntnis, dass es sich bei der Gravitationskraft um ein Naturgesetz handle.
Es bleibt beim Naturgesetz: Die SRG-Gebühren bleiben wie bisher, die Werbung wie bisher, das Programm wie bisher, das Strukturmodell wie bisher.
Das Einzige, was der Bericht des Bundesrats anregte, war ein zarter Hinweis auf das Programm: TV SRF könnte vielleicht unter Umständen ein bisschen überlegen, ob allenfalls die eine oder andere Sendung eventuell ein wenig zu prüfen wäre – aber bitte ohne Stress.
Der Bundesrat dachte bei seinem zarten Hinweis an Unterhaltungsformate wie The Voice of Switzerland. Die kostet pro Block fast zehn Millionen.
Die bürgerlichen Politiker um Natalie Rickli leierten nach dem Bundesratsbericht wieder einmal ihr altes Lied herunter. Sie postulierten, die SRG solle nur das tun, was die privaten Sender nicht können.
Diese Haltung ist so ziemlich die dümmste Haltung, die man gegenüber der SRG haben kann. Sie soll nur tun, was die Privaten nicht tun? Dann kann sie alles tun. Denn die Privaten tun bei uns gar nichts.
Es gibt in Europa kaum ein erfolgloseres Privatfernsehen als in der Schweiz. Nur Malta ist ähnlich unterentwickelt. Besonders enttäuschend sind die TV-Kanäle der Verlagshäuser. Selbst Marktleader wie Tele Züri bringen pro Tag gerade mal eine gute Stunde an Eigenleistung zustande, einen kurzen News-Block, etwas Wetter und Lifestyle, dazu eine Talkshow.
Die Privaten können einwenden, dass man ihnen nur ein regionales Einzugsgebiet zuweist, um so die nationale SRG zu protegieren. Das ist ein Argument für ihre Marktschwäche, aber kein Argument für ihre Programmschwäche. Sie produzieren nichts, was die Idee rechtfertigen würde, die SRG habe nur zu liefern, was die Privaten unterlassen. Denn die Privaten unterlassen alles – außer Kuppelshows.
SRF hat den großen Vorteil, dass es im Unterhaltungsbereich nur 3+ als ernsthaften Konkurrenten gibt. Der Konkurrent hat einen Marktanteil von 2,3 Prozent. Bei den sehr jungen Zuschauern sind es 3,2 Prozent.
So wenden SRG-Kritiker schon fast verzweifelt ein, das Schweizer Fernsehen habe nicht nur zu unterlassen, was Private in der Praxis bieten. Es habe auch zu unterlassen, was Private in der Theorie bieten könnten, wenn sie denn wollten.
Das ist dann eine reichlich absurde Vorstellung, die einen nicht existierenden Markt durch die Imagination eines Marktes ersetzt.
So wie ich SRG-Chef Roger de Weck kenne, überlegt er nun, auf den Service-public-Bericht mit einer symbolischen Geste zu reagieren. Er könnte zum Beispiel auf die Formel 1 verzichten oder die nächste Staffel des Bestatters aussetzen. Dann kann er gelassen auf das Geheule warten, dass diese Sendungen zum Auftrag der SRG gehörten.
Wir können also getrost davon ausgehen, dass alles beim Alten bleibt. SRF wird weiterhin tun und lassen, was es will.
Erstveröffentlichung: Schweizer Weltwoche vom 23. Juni 2016
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Schlagwörter:Bundesrat, Kanal 3+, Kuppelshow, Privatfernsehen, Roger de Weck, Schweiz, Service public, Service-public-Bericht, SRF, SRG