Auslandskorrespondent ist für viele Journalisten ein Traumjob, stellt Tim Kukral in seiner kürzlich erschienenen Studie „Arbeitsbedingungen freier Auslandskorrespondenten“ fest. Die qualitative Befragung von Mitgliedern des Journalistennetzwerks Weltreporter lenkt den Blick auf die Arbeit von freien Journalisten im Ausland und liefert dabei neue Betrachtungsweisen.
„Freie Auslandskorrespondenten nehmen sowohl die Schwierigkeiten auf sich, die sich aus der Freiberuflichkeit ergeben, als auch die Herausforderungen bezüglich des Arbeitens und Lebens unter anderen […] praktischen und kulturellen Rahmenbedingungen.“ Für Tim Kukral ist die Journalisten-Spezies der freien Auslandskorrespondenten eine besondere – über die bis dato wenig erforscht wurde. In eben diese Forschungslücke stößt der Autor mit seiner Studie, die als Master-Arbeit am Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaften der Universität Hamburg abgenommen und kürzlich im Herbert von Halem Verlag veröffentlicht wurde. Er hat in 15 qualitativen Leitfadeninterviews deutsche Journalisten, die unter anderem aus Australien, Ägypten, China, Kenia und Russland freiberuflich berichten, zu ihren Arbeitsbedingungen und ihrem Rollenverständnis befragt.
Dabei geht Kukrals Studie bereits auf den ersten Seiten über ein reines Abbilden soziodemografischer Merkmale und der Arbeits- und Lebensbedingungen hinaus und fokussiert das Rollenverständnis: Auslandskorrespondenten, so nimmt er an, seien „Überzeugungstäter“, die eine Befriedigung aus ihrer Tätigkeit ziehen; die Freude am Job haben in einem Berufsbild, das geprägt ist durch immer knappere Ressourcen und in Heimatredaktionen online verfügbare Informationen auch ohne Korrespondenten vor Ort. Dieses Motiv des Überzeugungstäters, so nimmt Kukral an, sei befeuert durch den Anspruch weniger Stereotypen zu bedienen und „einen kleinen Beitrag zur Völkerverständigung“ zu liefern.
Eine eindeutige Antwort auf diese Motiv-These kann Kukral mit seiner Studie leider nicht finden. Dafür stellt er fest, dass freie Auslandskorrespondenten durch Rückgänge der Aufträge und niedrigere Honorare für Beiträge die Senkung der Ausgaben für Auslandsberichterstattung zu spüren bekommen. Zudem stützen die Aussagen der Korrespondenten seine These, dass das Internet eine Gefahr für sie darstellt: „Die schnelle Verfügbarkeit von Nachrichten aus aller Welt, vor allem über das Internet, kann bei Redaktionen in der Heimat den Eindruck erwecken, bereits über genügend Informationen über das Geschehen in der Ferne zu verfügen.“ Hinzu komme ein Aktualitätsdruck, der oft kaum Zeit zur Reflektion lasse. „Der Kosten- und Aktualitätsdruck sorgt dafür, dass freie Auslandskorrespondenten mehr noch, als ohnehin schon nötig wäre, wirtschaftlich-strategisch handeln müssen.“ Das könne dazu führen, dass über einzelne Regionen kaum noch berichtet würde.
Die „Vereinheitlichung der internationalen Berichterstattung“ könnte eine mögliche Folge dieser Entwicklung sein, wie Horst Pöttker, Herausgeber der Reihe „Journalismus International“, in der Kukrals Studie erschienen ist, in seinem Vorwort schreibt. Dieser Verlust der Vielfalt und Qualität könne letztlich auf eine Einschränkung der Informationsfreiheit des Publikums hinauslaufen.
Kukral, Tim (2016): Arbeitsbedingungen freier Auslandskorrespondenten. Eine qualitative Befragung von Mitgliedern des Journalistennetzwerks Weltreporter. Köln: Halem.
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