Berichterstattung über und mit Rechtspopulismus

10. April 2024 • Aktuelle Beiträge, Qualität & Ethik • von

Bildquelle: Wikimedia Commons

Rechtspopulistische Parteien gewinnen immer weiter an Wählerstimmen.  Der Blick auf das Wahljahr 2024 lässt vermuten, dass die AfD in immer mehr Stadträten und Regierungen an Einfluss gewinnt. Ein Faktor, der dabei häufig diskutiert wird, ist die mediale Sichtbarkeit der rechten Parteien und ihrer Agenda.

Der europaweite Rechtsruck kann auf eine Vielzahl an Ursachen zurückgeführt werden. Die mediale Aufmerksamkeit auf Parteien wie der AfD, aber auch das rechtspopulistische Framing politischer Debatten wie der Migration spielen jedoch eine größere Rolle bei diesem Erfolg. Dabei können zwei mediale Nutzungswege der Rechtspopulisten identifiziert werden: Zum einen verwendet die Rechte häufig eigene Medien und Kanäle, um ihre Inhalte zu verbreiten. Sie produzieren eigene Zeitungen oder nutzen Social-Media-Plattformen wie TikTok. Auf der anderen Seite ist erkennbar, wie Rechtspopulist:innen anerkannte Massenmedien für Aufmerksamkeitsgenerierung nutzen. Fest steht, die mediale Repräsentation rechtspopulistischer Parteien ist häufig kalkuliert und erzielt meist ihren gewünschten Effekt. Die Rolle des Journalismus in diesen Diskursen wird daher auch wissenschaftlich aufgearbeitet.

Welchen Einfluss haben reale Ereignisse auf die rechte Berichterstattung?

Die Studie „Real-World Developments Predict Immigration News in Right-Wing Media: Evidence from Germany” von Christian S. Czymara untersuchte den Zusammenhang realer Ereignisse und der Berichterstattung über Einwanderung in dem rechtspopulistischen Medium „Junge Freiheit“. Da eine rechte Haltung meist mit Kritik an der Migrationspolitik einhergeht, ist diese auch Hauptkomponente vieler rechter Medien. Dazu muss erwähnt werden, dass rechtspopulistische Nachrichten auch durch die Gruppenbedrohungstheorie beeinflusst sind: Je mehr Immigranten als Bedrohung für einen Großteil der Bevölkerung gelten, desto exklusiver die Positionen rechter Medien. Bedrohung ist somit ein Nachrichtenwert für Zeitungen wie die „Junge Freiheit“.

Die rechtspopulistische Haltung folgt meist der Erzählung, dass mehr Immigranten mit einer geringeren Verfügbarkeit von Ressourcen für die Gesamtbevölkerung einhergehen. So entsteht ein Bedrohungsszenario, und die Berichterstattung folgt. Auch bei Verbrechen durch Ausländer oder islamistischen Terror werden solche Zusammenhänge vermutet. Grundsätzlich ließ sich beobachten, dass die Anzahl an Berichten über Migration in der untersuchten rechtspopulistischen Presse stetig zugenommen hat. Waren es 1988 noch 2.37 Artikel pro Woche, liegt der Durchschnitt 2016 mit 15.1 Artikeln fast sechsfach so hoch. Dabei lässt sich ein klarer Zusammenhang mit der Immigrationswelle und der Silvesternacht 2015 erkennen. Aber auch 2019 liegt der Durchschnitt noch bei 10 Artikeln pro Woche zum Thema Migration. Verbrechen von Ausländern erhöhen die Chance auf einen Artikel über Immigration um 15 %. Hohe Immigrationszahlen erhöhen die Wahrscheinlichkeit um 13%. Dieser Effekt ist bei islamistischen Attacken mit 4% eher gering, dennoch verstärken alle diese Ereignisse die Berichterstattung über Migration. Zwei Themenbereiche, die dabei stark korrelieren, sind Asyl und deutsche Migrationspolitik – diese werden besonders häufig behandelt, wenn die Immigrationszahlen steigen. Rechte Medien bedienen sich zudem stärker der Themen Abschiebung oder der Schließung von Grenzen, und berichten seltener über kulturelle oder ökonomische Fragen. Auch wenn sich von einem Medium, der „Jungen Freiheit“, nicht auf alle Weiteren schließen lässt, kann man doch erkennen, dass rechtspopulistische Berichterstattung über Einwanderung auf die reale Immigration reagiert und mit ausgrenzender Rhetorik die Darstellung von Einwanderern als Bedrohung ermöglicht.

Wie rechtsextreme Populisten Massenmedien instrumentalisieren

Nicht nur rechtsextreme Medien steigern die Aufmerksamkeit auf rechte Parteien und ihre Weltanschauung, auch Massenmedien nehmen immer wieder Einfluss auf die Repräsentation rechter Parteien. In den zwei Studien „How Right-Wing Populists Instrumentalize News Media: Deliberate Provocations, Scandalizing Media Coverage, and Public Awareness for the Alternative for Germany (Afd)“ untersuchten Marcus Maurer, Pablo Jost, Marlene Schaaf, Michael Sülflow, und Simon Kruschinski inwiefern bewusste Provokationen von AfD-Politiker:innen die Berichterstattung über sie verstärken und ob diese Berichterstattung sich vor allem bei prominenter Quelle und Provokationen gegen Minderheiten vermehrt. Diese Annahmen folgen der Medienlogik, dass Attacken Sichtbarkeit schaffen, da sie Nachrichtenwerte wie Negativität und Konflikt und häufig auch Persönlichkeit oder Prominenz bedienen. Generell wird vermutet und in Teilen auch nachgewiesen, dass Nachrichtenmedien besonders anfällig für populistische Kommunikationslogik sind. Außerdem werden die Hypothesen aufgestellt, dass die Berichterstattung über solche Provokationen besonders skandalierend ist und die Sichtbarkeit der Parteien und ihre Präsenz im öffentlichen Bewusstsein positiv beeinflusst.

Es lässt sich herausstellen, dass Quelle und Thema der Provokationen durchaus einen Einfluss auf die Berichterstattung haben. Je bekannter der AfD-Politiker, von dem die Provokation ausgeht, desto breiter die Berichterstattung darüber. Geht eine Provokation gegen politische Eliten, bekommt sie weniger Aufmerksamkeit als eine Provokation gegen Minderheiten oder die Vereinfachung des Holocausts. In drei Vierteln der untersuchten Artikel gibt es ein Skandalframing, also eine skandalöse Darstellung der getätigten Aussagen. Bei der Beobachtung, der Google Trends lässt sich erkennen, dass Provokationen einen Einfluss auf das Volumen der Berichterstattung über die AfD haben. Die Anzahl der Nachrichten während Wahlperioden ist jedoch um einiges höher. Es gibt aber durchaus einen Zusammenhang zwischen der Anzahl an Berichterstattung über die AfD und den erfolgten Suchanfragen. Das öffentliche Bewusstsein zu der Partei steigt also mit der Medienberichterstattung.

Insgesamt kann man festhalten, dass die AfD die deutschen Medien in Teilen erfolgreich für sich instrumentalisieren und damit an Aufmerksamkeit und Reichweite gewinnen konnte.

Die „richtige“ Art

Rechtspopulistische Medien von außen aufzuhalten und zu entkräften, bleibt schwierig. Doch gerade im Hinblick auf die Massenmedien ergibt sich aus den vorgestellten Ergebnissen folgende Frage: Wie geht man medial mit Rechtspopulisten, ihren Thematiken und Provokationen um?

Viele Journalist:innen versuchen mit ihrer Berichterstattung, die rechten Aussagen zu zerschlagen und aufzuzeigen, wo die Grenzen der Argumente liegen. Immer wieder ergibt sich das Dilemma, ob man über bestimmte Themen berichtet und ihnen somit mediale Aufmerksamkeit schenkt, oder nicht darüber berichtet und im schlechtesten Fall so als Befürworter der Aussage gilt. Meist seien Aussagen aber so hart, dass Journalist:innen die Kritik als notwendig ansehen. Aus diesem Verhalten ergibt sich häufig ein Doppelstandard: Medienschaffende kritisieren Rechte für ihren Populismus, während sie gleichzeitig mediale Attacken auf AfD-Politiker:innen befeuern. Da Journalismus durchaus Einfluss auf die politische Realität nimmt, wirkt eine ausufernde Berichterstattung über Rechts eher positiv für diese Seite. Es wird kritisiert, dass das eine Normalisierung des Rechtspopulismus mit sich ziehen könne. Betroffene Gruppen seien in der Berichterstattung eher unterrepräsentiert.

Benjamin Krämer und Klara Langmann sammelten in ihrer Analyse folgende Schlagworte für den „richtigen“ Umgang mit Rechtspopulismus: professionell, neutral und demokratisch. Journalistische Normen müssen sich selbst beweisen, gerade bei der Berichterstattung über Perspektiven, welche nicht den eigenen entsprechen. Die Berichterstattung soll versuchen, die wahre Relevanz der Populisten auch in dem Ausmaß der Berichterstattung widerzuspiegeln. Die Medien gewinnen nicht daran, Rechtspopulisten immer wieder negativ darzustellen. Kritischen Fragen, schnelle Reaktionen und das Aufzeigen der Komplexität von Themen, für welche die Rechte einfache Lösungen anbietet, können dabei helfen, dass sich die AfD beispielsweise selbst demaskiert und ihre Argumente an Haltbarkeit verlieren.

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