Die Generation Gold und der Rest der Gesellschaft

3. Januar 2014 • Qualität & Ethik • von

Die Gesellschaft altert, aber in der Berichterstattung der Medien tauchen ältere Menschen so gut wie nie auf. Die Medienberichte von heute werden aber zweifellos beeinflussen, wie die verschiedenen Altersgruppen in Zukunft übereinander denken.

Ältere Menschen „gehen nicht oft aus dem Haus“, „kauen seltsam“, „sind voller Runzeln und klein“ oder „kriegen einen Herzinfarkt und sterben“. Diese unbeholfenen spontanen Antworten veröffentlichten der Erziehungswissenschaftler Richard K. Jantz und seine Forscherkollegen 1976 in einer Studie, für die sie Vorschulkinder um die Beschreibung älterer Menschen gebeten hatten.

Solche Ansichten sind jedoch nicht nur bei Kindern zu finden. In den Medien ist die Darstellung der Menschen ab 65 Jahren auffallend ähnlich – wenn auch nicht ganz so unverblümt. Obwohl es in der Gesellschaft immer mehr ältere Menschen gibt, werden sie in den Medien nicht adäquat repräsentiert.

Medien berichten nur selten über ältere Menschen und falls doch, ist die Berichterstattung oft klischeehaft und negativ. Diese Art der Berichterstattung kann verhindern, dass sich eine ausgewogene öffentliche Meinung über ältere Menschen bildet. Denn wie Medien ältere Menschen darstellen, ist ausschlaggebend dafür, wie die verschiedenen Altersgruppen übereinander denken – und wie sie künftig miteinander umgehen werden.

Die Medien diktieren, was wichtig ist

Die Art und Weise, wie Medienmacher Themen auswählen und darstellen, ist nicht einfach eine Reflektion der Realität. Stattdessen ist dies das Ergebnis eines Gestaltungsprozesses (Framing), bei dem Journalisten und Redaktionen einige Aspekte auswählen und stärker hervorheben, um die Geschichte dem Publikum zu vermitteln. Mit diesem Framing offerieren die Medien ihren Nutzern eine bestimmte Sichtweise des Themas. Sie suggerieren, welche Aspekte als wichtig und berichtenswert gelten – und welche nicht.

Scheinbar werden Themen rund um das Leben älterer Menschen nur selten als berichtenswert angesehen. Wie mehrere Studien gezeigt haben (z.B. von Lauzen & Dozier 2005; Fealy & McNamara 2009), werden ältere Menschen in den Medien oft nicht ausreichend repräsentiert oder klischeehaft dargestellt. Diese Klischees sind mitunter positiv, wie zum Beispiel jenes von ‚den perfekten Großeltern‘ oder das der sogenannten ‚Generation Gold‘, die als konsumfreudig und qualitätsbewusst gilt. Doch die meisten sind negativ, mit einer Fixierung auf ‚Opfer‘, ‚Behinderte‘ und ‚Depressive‘ (Ergebnisse von Studien von Martin 2009; Fealy & McNamara 2009).

Diese Form der Berichterstattung kann problematische Folgen haben, denn sie beeinflusst die Art und Weise, in der Menschen verschiedener Generationen miteinander in Kontakt treten. Wenn jüngere Menschen ein positives, wohlwollendes Bild von älteren Menschen haben, neigen sie eher dazu, mit ihnen zu interagieren, zeigt eine Studie von McCann aus dem Jahr 2005. Eine positive Darstellung älterer Menschen fördert somit den Dialog zwischen den Generationen.

„Ich bin nicht alt”

Jüngere Menschen identifizieren sich nicht gerne mit älteren Menschen oder empfinden gegenüber dem Alterungsprozess sogar Abneigung. Auch der amerikanischen Autorin Betty Friedan ging es so, wie sie in ihrem Buch „The Fountain of Age“ erzählt, das  den Umgang der westlichen Gesellschaft mit dem Altern schildert: „Ich erlebte die Vierziger und Fünfziger. Ich vergaß, dass ich immer älter wurde. Alter betraf mich persönlich überhaupt nicht. Ich hatte keinerlei Bedürfnis, mich selbst der Trostlosigkeit des Alters hinzugeben. Diese alten Menschen, die längst ausgedient hatten, wollte ich weder sehen noch hören. Und das betraf sogar diejenigen unter ihnen, die eigentlich ganz ‚vital‘ waren. Ich wollte mich nicht anstecken. Aber warum neigen wir nur dazu, uns vom Alter umso stärker zu distanzieren, je mehr wir uns ihm nähern?“

Die deutsche Demografie-Expertin Elisabeth Niejahr stellt ein ähnliches ‚Vermeidungsverhalten‘ gegenüber dem Altern fest. Sie betont, dass Studien zu Rentnern immer wieder zeigen, dass sie sich jünger fühlen als sie sind. Niejahr zufolge ist dies entweder als Zeichen der Vitalität und Lebensfreude zu deuten – oder als kollektive Illusion und Verdrängung. „Alt sind immer nur die anderen“, sagt sie. „Jeder will alt werden, aber keiner will alt sein.“

Was wird sich für die Gesellschaft ändern?

Es lässt sich nicht leugnen: Wir werden alle älter. Und obwohl die zunehmende Alterung der europäischen Gesellschaft seit langem bekannt ist, scheint den meisten Menschen nicht wirklich bewusst zu sein, welche sozialen und finanziellen Veränderungen damit einhergehen. Auch auf dem Arbeitsmarkt sind Umwälzungen zu erwarten. Die Babyboomer der Nachkriegsjahre sind in ihren Sechzigern und  gehen in den Ruhestand. Somit wird die Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten über deutlich weniger Arbeitskräfte verfügen.

Dies könnte einen dramatischen Effekt haben, denn 40 Prozent der Gesamtbevölkerung werden der Gruppe der Älteren angehören, nicht mehr arbeiten und keine Beiträge mehr zahlen. Gleichzeitig wird dieser Teil der Gesellschaft weiterhin auf Renten- und Sozialleistungen angewiesen sein, die durch einen immer geringeren Anteil arbeitender Bürger finanziert werden müssen. Demografen gehen deshalb davon aus, dass die Menschen in Zukunft bis in ein höheres Alter arbeiten werden.

Die Rolle der Medien

Solange ältere Menschen nur selten in den Medien vorkommen, wird sich an dem Mangel an Bewusstsein innerhalb der Gesellschaft nichts ändern. Indem sie häufiger über ältere Menschen berichten und das Thema Altern differenzierter erörtern, könnten Medien einen ersten wichtigen Schritt leisten, um der Bevölkerung die Thematik der alternden Gesellschaft besser bewusst zu machen. Was heute über ältere Menschen gelesen, gesagt und gedacht wird, beeinflusst durchaus, wie gut die Gesellschaft für künftige demografische Herausforderungen gewappnet ist.

 

Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung des Beitrags „Wen kümmern schon die Medien?“, der im Sammelband Screening Age: Medienbilder – Stereotype – Altersdiskriminierung veröffentlicht wurde. 

 

Torben-Nielsen, Karen (2013): Wen kümmern schon die Medien? In: Schwender, C., Hoffmann, D. & Reißmann, W. (Hrsg.): Screening Age: Medienbilder – Stereotype – Altersdiskriminierung. Schriftenreihe Gesellschaft – Altern – Medien, Band 5, Kopaed: München, S. 55-64.

 

Literatur:

  • Fealy, G. & McNamara, M. (2009). Constructing ageing and age identity: a case study of newspaper discourses. Dublin: National Centre for the Protection of Older People
  • Friedan, B. (1993). The fountain of age. New York: Simon & Schuster.
  • Jantz, R. K., Seefeldt, C., Galper, A., &Serlock, K. (1976). Children’s attitudes toward the elderly: Report to the American Association of Retired Persons and the National Retired Teachers Association. College Park, MD: University of Maryland Press
  • Lauzen, M. M. & Dozier, D. M. (2005). Recognition and respect revisited: portrayals of age and gender in prime-time television. Mass Communication & Society 8(3), 241-256.
  • Martin, J. (2009).The portrayal of older people in Disney live action films from the 1990s and the 2000s. Provo, Utah (USA): Brigham Young University
  • McCann, R. M., Dailey, R. M., Giles, H., & Ota, H. (2005). Beliefs about intergenerational communication across the lifespan: Middle age and the roles of age stereotyping and filial piety. Communication Studies, 56, 293–311
  • Niejahr, Elisabeth (2004). Alt sind nur die anderen. So werden wir leben, lieben und arbeiten. Fischer Verlag: Frankfurt am Main

 

Bildquelle: Ilka Plassmeier / pixelio.de

 

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