Ihre Aufgaben sind vielfältig und bei den Journalisten nicht immer beliebt: Ombudsleute stellen ein Bindeglied dar zwischen Publikum und Redaktionen, vermitteln in beide Richtungen die jeweils andere Sicht der Dinge und achten auf die journalistische Qualität. Vor 40 Jahren wurde in den USA der erste Presse-Ombudsmann installiert.
Von der Öffentlichkeit wahr genommen werden sie vor allem in der angelsächsischen Welt und in Schweden. Es gibt sie aber auch in anderen europäischen Ländern und in Lateinamerika: Presse-Ombudsleute. Vor 40 Jahren nahm in den USA in Kentucky beim „Courier-Journal“ und bei „The Louisville Times“ der Erste von ihnen seine Arbeit auf. Ihre Hauptaufgabe ist es, auf Kritik von Leserinnen und Lesern zu reagieren und zwischen den Beschwerdeführern und der Redaktion zu vermitteln. Oftmals klären sie das Publikum über den Medienbetrieb auf und werden so zu einem „öffentlichen Gewissen“ des Journalismus.
Andererseits wirken sie in die Redaktionen hinein und arbeiten so als Coaches, die auf das Redaktionsmanagement Einfluss nehmen, einzelne Journalisten auf Fehler aufmerksam machen und so helfen, die redaktionelle Leistung zu steigern.
Neue Studie
Ombudsleute können somit einen wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung im Journalismus leisten, schöpfen jedoch dieses Potenzial nur partiell aus. Zu genaueren Ergebnissen gelangt eine noch unveröffentlichte Studie, die derzeit am European Journalism Observatory (EJO) der Universität Lugano erarbeitet wird. Schriftlich befragt wurden erstmals alle Ombudsleute, die in Europa sowie in Nord- und Südamerika ermittelt werden konnten. Geantwortet haben 50, was einem Rücklauf von 60 Prozent
entspricht. Einem Raster folgend, das die Kommunikationsforscher Daniel Hallin und Paolo Mancini entwickelt haben, vergleicht die Luganeser Studie die Ombudsleute in den drei Analyseregionen
angelsächsische Länder, Mittel- und Nordeuropa sowie im romanischen Sprachraum (West- und Süd- Europa sowie Lateinamerika, vgl. Kasten). Obgleich es diese Selbstregulierungs-Instanz seit nunmehr 40 Jahren gibt und Ombudsleute in zahlreichen Fällen nachweisbar erfolgreich vermittelt haben, sind sie auch in den Vereinigten Staaten nur wenig verbreitet. Gleichwohl haben sie Gewicht – aber nicht, weil sie so zahlreich wären, sondern weil die insgesamt 35 Ombudsleute vor allem für auflagenstarke Zeitungen wie „USA Today“, „New York Times“, „Washington Post“ und „Los Angeles Times“ tätig sind.
Insgesamt haben immerhin 38 Prozent der US-amerikanischen Zeitungsleser „ihren“ Ombudsmann – auch „readers’ representative“ oder, wie bei der „New York Times“, „public editor“ genannt. Mehrere Studien aus den USA zeigen, wie positiv sich diese Institution sowohl auf die Glaubwürdigkeit als auch auf die Qualität der Zeitungen auswirkt. Der Rest der Welt wurde in den amerikanischen Forschungsarbeiten allerdings kaum registriert. Es finden sich allenfalls Hinweise, dass es „auch in Europa und Südamerika“ jeweils eine Handvoll Ombudsleute gebe. Sind sie also außerhalb der USA wirklich nur eine Randerscheinung? Wie unterscheidet sich die Institution in den verschiedenen Journalismus-Kulturen?
Finale Funktion
Die wenigen Ombudsleute, die es in Mittel- und Nordeuropa gibt, zeichnen sich meist durch langjährige journalistische Erfahrung aus. Mit einem Durchschnittsalter von 67 Jahren sind sie entweder bereits pensioniert oder zumindest auf der Zielgeraden ihrer beruflichen Laufbahn angelangt. In den angelsächsischen Ländern verhielt es sich zunächst kaum anders: Meist füllten alt gediente Journalisten die Rolle aus, die „nicht mehr das Potenzial hatten, in die Führungsetagen aufzusteigen“ und somit „die Aufgabe als letzten Schritt vor dem Ruhestand“ übernahmen, beobachtet Neil Nemeth, der 2003 die bislang um fangreichste Studie über US-Ombudsleute vorgelegt hat. Inzwischen ist vor allem in den USA ein Verjüngungsprozess zu beobachten: Die Position des Ombudsmannes wird immer häufiger zu einer Karriere-Sprosse, anstatt die letzte Etappe vor dem Ausscheiden aus dem Beruf zu sein. Nach einer Tätigkeit als Ombudsmann kann noch vieles kommen. Bei der „Washington Post“ – der bedeutendsten amerikanischen Zeitung, die schon seit vielen Jahren einen Ombudsmann mit jeweils befristetem Vertrag hat – sind aus den Mediatoren inzwischen Professoren geworden: Ben Bagdikian, Joann Byrd und Geneva Overholser haben ihre Erfahrungen im Anschluss an ihre Ombudsmann-Tätigkeit an erstklassigen Universitäten in der Journalisten-Ausbildung frucht bar machen können. Ein weiterer grundlegender Unterschied: In der Neuen Welt ist der Ombudsmann immer öfter eine Frau – was an der Bezeichnung allerdings nichts ändert: „Ombudswoman“ oder der geschlechtsneutrale Begriff „Ombudsperson“ haben sich bisher nicht durchgesetzt. Im angelsächsischen Kulturkreis macht der Frauenanteil fast 40 Prozent aus, während der romanische Sprachraum mit nur sechs Prozent und Mittel- und Nordeuropa mit null Prozent (soweit die Befragten geantwortet haben) ziemlich schlecht dastehen.
Frauensache
In puncto Chancengleichheit entspricht die Situation in Europa und Lateinamerika heute in etwa der, die Forscher vor gut 20 Jahren in den USA ausgemacht haben. Was auch deshalb bemerkenswert ist, weil in anderen Branchen gerade bei kniffligen Vermittlungsaufgaben, die diplomatisches Geschick erfordern, längst und gerne auf weibliches Engagement gesetzt wird.
Etwa 80 Prozent der Ombudsleute üben in den angelsächsischen Ländern ihre Tätigkeit als Vollzeitbeschäftigung aus. In den anderen untersuchten Regionen sinkt dieser Anteil auf rund 30 Prozent. Diese Zahlen deuten darauf hin, dass die Funktion in den angelsächsischen Ländern besonders ernst genommen wird und sich deshalb auch weiterentwickeln konnte. Dort sind nicht nur die Aufgaben der Ombudsleute klarer definiert, sie spielen auch im Verhältnis zu den Redaktionen eine bedeutendere Rolle. Neun von zehn Ombudsleuten kommunizieren direkt mit der Öffentlichkeit: Sie haben in ihrer Zeitung eine eigene Kolumne und tragen somit dazu bei, dass Leser Redaktionsabläufe besser verstehen und Einblick in journalistische Entscheidungsprozesse gewinnen. Ausgerechnet Mittel- und Nordeuropa bilden das Schlusslicht: Mehr als 20 Prozent der Ombudsleute haben hier keine eigene Kommunikationsplattform. Sie sind somit für die eigene Leserschaft weniger sichtbar.
E-Mail-Verkehr
Übereinstimmend berichten die Ombudsleute, wie sehr die neuen Technologien die Kommunikation verbessert haben. Beim Austausch mit den Lesern hat die E-Mail alle anderen Kanäle überholt: Über 98 Prozent der Befragten greifen darauf zurück. Vor allem in den angelsächsischen Länder dominiert dieses Kommunikationsmedium – mit einem Durchschnitt von 50 eingehenden Lesermails pro Tag.
In Europa und Lateinamerika sind es dagegen im Schnitt 15 bis 20 Mails pro Ombudsmann täglich. Darüber hinaus werden aber auch andere Kanäle in den angelsächsischen Ländern besser genutzt: Treffen mit Redaktionskollegen, Teilnahme an Redaktionskonferenzen, aber auch Tätigkeitsberichte gehören dort öfter zum Arbeitsalltag der Ombudsleute. Blogs und Chats werden ebenfalls häufiger für die interaktive Kommunikation mit der Leserschaft eingesetzt. Insbesondere erfreuen sich die angelsächsischen Mediatoren größerer Unabhängigkeit: Keiner der Befragten in den USA sieht ein Problem darin, wenn nötig auch das eigene Blatt zu kritisieren, während 16 Prozent der mittel- und nordeuropäischen Ombudsleute sowie knapp 18 Prozent aus dem romanischen Sprachraum zu Protokoll geben, dazu hätten sie nicht den erforderlichen Spielraum. In den angelsächsischen Ländern ist also die Funktion des Ombudsmanns stärker ausgereift. Dies hat vermutlich sowohl mit der längeren Tradition als auch mit der anderen journalistischen Kultur zu tun: Selbst für Ombudsleute gibt es so etwas wie einen „ProfessionalisierungsProzess“, und in den USA währt dieser eben schon 40 Jahre. Weil es aber seit langem auch andere „media watchdogs“ und darüber hinaus einen funktionierenden Medienjournalismus gibt, geht man in den Vereinigten Staaten insgesamt lockerer mit Kritik und Selbstkritik um. Dort wird der Ombudsmann auch zu einer Instanz, die Leserinnen und Lesern Qualitätsmaßstäbe vermittelt. In den angelsächsischen Länder füllen Ombudsleute diese Rolle eines „öffentlichen Gewissens“ des Journalismus aus, während sich Ombudsleute in Europa und Lateinamerika, wenn es sie überhaupt gibt, eher auf die Vermittlerrolle zwischen Beschwerdeführern und Redaktion reduzieren. Schade eigentlich. Denn wie auch gut informierte, kritische Patienten zwar Ärzten ihr Tagesgeschäft nicht immer erleichtern, aber sich wohl letztlich doch gesundheitsbewusster als unwissende Kranke verhalten, so wäre zu hoffen, dass Leserinnen und Leser, die über den Journalismus Bescheid wissen, auch höhere Ansprüche an die Medien richten.
Methodik der Studie
Im Blick auf die unterschiedlichen Journalismus-Kultuen wurden folgende drei Regionen analysiert:
- Mittel- und Nordeuropa (Dänemark, Deutschland, Norwegen, Niederlande, Schweden, Schweiz)
- Romanischer Sprachraum: West- und Südeuropa (Frankreich , Portugal, Spanien) sowie Lateinamerika (Brasilien, Ecuador, Kolumbien, Mexiko, Venezuela)
- Angelsächsische Länder (Grossbritannien, Irland, Kanada, USA)
In Deutschland gibt es einen Ombudsmann (bei der Main Post), in Österreich vier – doch deren Aufgabe ist es nicht, bei Beschwerden gegenüber der Redaktion zu vermitteln. Auch in Schweden spielt der Presse-Ombudsmann eine Sonderrolle, weil er dort eine staatliche Instanz ist.
Literaturhinweise:
- ETTEMA, JAMES E GLASSER, THEODORE (1987). Public Accountability or Public Relations? Newspaper Ombudsmen Define Their Role, Journalism Quarterly, Vol. 64, No. 1: 3-12
- NEMETH, NEIL (2003). News ombudsmen in North America: assessing an experiment in social responsibility, Westport, Praeger.
- Website ORGANIZATION OF NEWS OMSBUDSMEN http://www.newsombudsmen.org
Die Studie von Cristina Elia wird am European Journalism Observatory (www.ejo.ch) 2007 abgeschlossen.