Facebook im Sinkflug?

18. März 2014 • Qualität & Ethik • von

Kurz vor der Übernahme von „WhatsApp“ zum astronomischen Preis von 17 Milliarden Dollar hat eine Forschungsarbeit weltweit Medienaufmerksamkeit erzielt, derzufolge Facebook bis zum Jahr 2017 kollabieren werde.

Zwei Forscher vom Department of Mechanical and Aerospace Engineering (!) der Princeton University prognostizierten dem sozialen Netzwerk ein ähnliches Schicksal wie MySpace, und zwar auf epidemiologischen (!) Modellrechnungen basierend.

Die Geschichte war so „juicy“, dass die Redaktionen sie begierig aufgriffen. Viele Medien, darunter sogar das Wall Street Journal in seinem Market Watch-Blog, verkündeten, es handle sich um eine Studie „der Princeton University“. Dienstbeflissen fügte der Tages-Anzeiger in Zürich hinzu, diese Universität sei „renommiert“. Und laut dem Manager Magazin belegte die Studie gar „hochwissenschaftlich“ den Niedergang von Facebook.

Die Story war einfach zu schön, um sie „kaputt“ zu recherchieren. Eigentlich müssten Journalisten ja schon hellhörig werden, wenn sich Forscher an einem Raumfahrt-Institut mit einem sozialen Netzwerk beschäftigen und sich dabei theoretischer Konzepte der Medizin bedienen. So viel Interdisziplinarität ist nämlich in der Wissenschaft ausgesprochen rar. Auch hatte die Forschungsarbeit noch nicht den „peer review“ überstanden, der Studie fehlte also das Prüfsiegel fachkompetenter Wissenschaftler, die das methodisch korrekte Vorgehen checken.

Die Autoren – zwei Doktoranden – haben sich vermutlich einen Jux gemacht. Auch dazu gibt es eine Vorgeschichte. Bereits vor Jahren hat der Publizistikwissenschaftler Walter Hömberg an den Altmeister solcher Falschmeldungen erinnert, an Arthur Schütz. Ihm gelang es zu Beginn des 20. Jahrhunderts, den Zeitungen immer groteskere Geschichten unterzujubeln – darunter feuerfeste Kohle sowie einen rechteckigen Kreis. Sein hübschestes Beispiel spielt in der Schweiz, wo „eine Dame mit ihrem fünf Monate alten Töchterchen“ auf der Reise von „plötzlichen Geburtswehen überrascht wurde.“

Immerhin: dem Aktienkurs von Facebook hat die zitierte Studie nichts anhaben können: Der schoss seither raketenartig in die Höhe. Und ein humorbegabter Facebook-Sprecher hat die Geschichte smart gekontert: Mit der „wissenschaftlichen“ Prognose, dass bis 2021 Princeton all seine Studenten abhanden kommen würden.

Erstveröffentlichung: Tagesspiegel vom 18. März 2014

Der Beitrag ist Teil einer Serie – alle 14 Tage präsentieren drei Medienforscher im Tagesspiegel Ergebnisse und Streitfragen ihres Fachs, die das EJO zweitveröffentlicht.

Teil 1: Lauter, bitte!

Teil 2: Das Publikum vergisst rasch

Teil 3: Politik – mit und ohne Etikett

Bildquelle: mkhmarketing / Flickr CC

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