Fixer, unsichtbare Akteure des Auslandsjournalismus

7. Juli 2020 • Aktuelle Beiträge, Internationales, Qualität & Ethik • von

Als der erste schwarze US-Präsident Barack Obama 2015 Kenia besuchte, machte dies weltweit Schlagzeilen. Während Autorenzeilen und Fernsehbilder Reporter der großen internationalen Medien repräsentierten, agierten im Schatten auch hunderte kenianische Journalisten, die ihren ausländischen Kollegen assistierten, für sie übersetzten, organisierten und ihnen bei der Orientierung halfen. In Erscheinung treten sie allerdings fast nie, weder werden ihre Namen gedruckt noch sieht man ihre Gesichter im Fernsehen. In ihrem 2019 erschienenen Buch The Fixers. Local News Workers and the Underground Labor of International Reporting (Oxford University Press) untersucht die amerikanische Medienwissenschaftlerin Lindsay Palmer die Arbeitsbedingungen der Fixer.

Fixer sind lokale Medienakteure, die von Journalisten als Übersetzer, Guides und für diverse Hilfsarbeiten engagiert werden. Im Gegensatz zu Stringern, die gelegentlich auch namentlich erwähnt werden, als Co-Autoren oder -Produzenten fungieren, und teils bei Medienunternehmen unter Vertrag arbeiten, sind Fixer an der Vorbereitung eines journalistischen Beitrags beteiligt, aber nicht am Schreib- oder Produktionsprozess. In der Hierarchie der internationalen Nachrichtenwelt nehmen sie einen der untersten Ränge ein und ihre Rolle wurde von der Journalismusforschung bisher vernachlässigt, sagt Palmer. Sie konzentriert sich auf die Perspektiven der Fixer, deren Erfahrungen, trotz regionaler Unterschiede, weltweit Gemeinsamkeiten aufweisen. Ihre Studie beruht auf Interviews mit 75 Fixern aus 39 Ländern und nutzt Konzepte der Postcolonial Theory, der globalen Medienethik und der Critical Global Studies.

Der Fokus liegt dabei auf den Produktionsnarrativen der Fixer – ihren Arbeitsbedingungen, ihrer Rollenwahrnehmung und dem, was sie über die Strukturen der internationalen Nachrichtenindustrie und die Interdependenz des Lokalen und des Globalen verraten. Die Struktur des Buches folgt dem Arbeitsprozess der Fixer: Es beginnt mit der Definition ihrer Arbeit, geht auf verschiedene Rollen und Aufgaben der Fixer ein und findet dort ein Ende, wo auch die Arbeit der Fixer innerhalb der Nachrichtenproduktion endet, nämlich bei der Redaktion und Veröffentlichung journalistischer Beiträge.

Aus den Antworten ihrer Interviewten kristallisiert Palmer fünf Hauptaufgaben und -rollen der Fixer heraus:

  1. Das Konzeptualisieren der Story
  2. Die Logistik der Recherche
  3. Netzwerken mit Quellen
  4. Übersetzen
  5. Sorge für die Sicherheit der Journalisten

Auf jede dieser Aufgaben geht Palmer in einem Kapitel ein und beleuchtet dabei immer auch das Konfliktpotenzial der jeweiligen Rolle. Spannungen entstehen nach Aussagen der Fixer beispielsweise, wenn ein Journalist mit einer vorgefassten Story-Idee ins Feld kommt und sich von stereotypen Vorstellungen nicht abbringen lassen will; wenn der Journalist sich im Umgang mit Quellen unangemessen verhält; oder wenn ein Korrespondent sich nicht an Ratschläge des Fixers hält und damit möglicherweise beide in Gefahr bringt – wobei der Fixer in der Regel im Gegensatz zum Korrespondenten nicht wieder abreisen kann und damit einer größeren Gefahr ausgesetzt bleibt.

Machtstrukturen und Ambiguitäten

Auf den Machtstrukturen, in denen Fixer und Korrespondenten oder andere Journalisten zusammenarbeiten, liegt ein Hauptaugenmerk von Palmers Buch. Häufig, aber nicht immer arbeiten Fixer in postkolonialen Kontexten. Geopolitische oder marktpolitische Machtstrukturen, die sich in der Organisation der globalen Medienwelt widerspiegeln, wirken sich auf das Verhältnis zwischen Reportern und Fixern aus. So sind es häufig die Interessen der Reporter bzw. der großen Medienunternehmen, die über die Themenauswahl und das Framing einer Geschichte entscheiden. Zugleich aber gibt ihre lokale Expertise den Fixern eine Autorität, die sie für die Nachrichtenproduktion unabdingbar macht und ihnen Einfluss schenkt. Ein Fixer kann einem Reporter Zugang zu unterberichteten Aspekten eines Themas verschaffen, oder kann zur Vereinfachung der Darstellung beitragen, indem er oder sie sich an Trends und dem Mainstream orientiert.

Anhand der Befragungen lässt sich feststellen, dass Fixer ihre Rolle überwiegend als performativ wahrnehmen, als ein aktives „Übersetzen“, „Interpretieren“ im erweiterten Sinne zwischen Kulturen, Sprachen und lokalen Bedingungen. Sie arbeiten also an der Kontaktstelle zwischen Lokalem und Globalem und im Spannungsfeld von Verständnis und Missverständnis, Verbindendem und Trennendem. Sie tragen damit im Sinne Stuart Halls zur Produktion der Kultur und deren Mediatisierung bei. Palmer verweist hier auch auf historische Perspektiven bezüglich der Rollen von Übersetzern und Menschen an den Grenzen zwischen Kulturen, die in kolonialen Zeiten geprägt wurden.

Das Lokale und das Globale

Das Aufeinandertreffen und die Kooperation eines globalen Medienkonzerns mit den Realitäten des Lokalen birgt ein großes Potenzial für Produktivität, so Palmer. Rassistische oder ethnische Diskriminierungen und Reduzierungen, von denen die Fixer berichten, können andererseits nicht nur das Verhältnis zwischen Journalisten und Fixern, sondern auch die Medieninhalte maßgeblich beeinflussen.  Hier stellt sich Palmer auf die Seite der Critical Global Studies, die, anstatt von der Neutralität der Forschenden auszugehen, Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten anprangern. Sie kontrastiert das kapitalistische System der Medienunternehmen mit dem kreativen Potenzial der kulturellen Unterschiede.

Nicht nur im Globalen Süden, sondern auch in Europa und den USA nehmen Reporter die Dienste von Fixern in Anspruch, und teils passiert dies auch innerhalb eines einzigen Landes. Dennoch wird das Beziehungsverhältnis im Newsfixing oft als binäre Gegenüberstellung des Globalen und des Lokalen interpretiert – eine Annahme, die Palmer in Frage stellt. Sie weist wiederholt daraufhin, dass das Verständnis vom lokalen Fixer auf der einen Seite und dem globalen Medienunternehmen auf der anderen Seite die Komplexität der Zusammenarbeit nicht ausreichend beschreiben kann, da Fixer nicht immer nur lokal agieren, sondern oft selbst internationale Erfahrung haben, und Korrespondenten ebenfalls ihre eigene auf einer Lokalität beruhende Prägung in die Arbeit einbringen. Das Globale und das Lokale gehen ineinander über und konstituieren einander.

Rollenverständnisse – wem gehört der Text?

Da ein Fixer im Gegensatz zum Stringer nicht schreibt oder produziert, stellt sich die Frage, wo das „Newsfixing“ sein Ende findet? An welchem Punkt gibt der Fixer seine Verantwortung aus der Hand und überlässt die Geschichte, in die er oder sie Planung und Expertise gesteckt hat, jemand anderem? Laut Palmer arbeiten einige Fixer aktiv daran, sich selbst aus einer Story zu „löschen“, nachdem sie diese anrecherchiert haben. Wem „gehört“ die Geschichte? Einige Fixer gaben an, dass sie ihre Rolle mit der Bezahlung als abgeschlossen ansehen, dass sie sich selbst nicht als Journalist*innen verstünden oder gar erleichtert seien, für das Produkt weniger Verantwortung zu tragen als die Person, die als Autor*in auftritt. Andere hingegen betonten, wie wichtig sie es finden, in die Konstruktion der Geschichte einbezogen zu sein und entsprechend gewürdigt zu werden. Wie klar werden diese Rollen zuvor abgesteckt? Umstritten ist auch die Tatsache, dass Fixer selten in Autorenzeilen auftauchen: Was für einige Fixer unwichtig ist oder, vor allem in Kontexten mit eingeschränkter Pressefreiheit, sogar Sicherheit und eine geringere Verantwortungslast bedeutet, ist für andere ein Unsichtbarmachen, das es ihnen erschwert, ein berufliches Portfolio aufzubauen.

Der ökonomische Aspekt des Newsfixing birgt ebenfalls Konfliktpotenzial. Während einige Fixer angaben, mehr zu verdienen als lokale Journalist*innen, meldeten andere Probleme aufgrund der unterschiedlichen Finanzsysteme in den Ländern der Medienunternehmen und ihren eigenen, Unverständnis der Journalisten für die finanzielle Situation der Fixer oder unrealistische Vorstellungen von Kosten gepaart mit mangelnder Kommunikation.

Lindsay Palmers umfassende Studie bietet einen wichtigen Einblick in einen Bereich des internationalen Journalismus, der selten im Fokus steht, und gibt der Perspektive einer ebenso marginalisierten wie bedeutsamen Gruppe von Medienakteuren Raum. Sie tut dies mit einem soliden interdisziplinären Theorierahmen, der Konzepte der Journalistik und Medienwissenschaften mit Einordnungen und Forderungen aus den Kulturwissenschaften, besonders der postkolonialen Theorie, verbindet. Palmer stellt sehr überzeugend die Ambiguitäten, Grauzonen und Spannungen heraus, die das Thema Newsfixing vor allem in interkulturellen Kooperationen prägen und zeigt auf, welche Fragen und Handlungsmöglichkeiten sich daraus für die Praxis ergeben. Der Fokus des Buchs liegt auf dem Zuhören: auf den Geschichten und Erfahrungen der Fixer aus verschiedenen Regionen der Welt, wiedergegeben in deren eigenen Worten in zahlreichen Zitaten.

 

Palmer, Lindsay: The Fixers. Local News Workers and the Underground Labor of International Reporting. Oxford University Press, 2019 

Online verfügbar unter: https://www.oxfordscholarship.com/view/10.1093/oso/9780190680824.001.0001/oso-9780190680824

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