Frauen sind an den Redaktionsspitzen noch immer unterrepräsentiert

16. März 2021 • Aktuelle Beiträge, Internationales, Qualität & Ethik • von

In elf von zwölf untersuchten Ländern ist die Mehrheit der Spitzenpositionen im Journalismus mit Männern besetzt. Das zeigen Forschungsergebnisse des Reuters Institute. Eine Ausnahme bildet Südafrika. Dort sind mehr als 60 Prozent der redaktionellen Führungskräfte weiblich.

Das Reuters Institute hat in 12 Ländern die Personalstruktur der jeweils 20 wichtigsten Nachrichtenmarken (10 online, 10 offline) betrachtet und festgestellt, dass nur 22 Prozent der insgesamt 180 Führungspositionen mit Frauen besetzt sind. Hingegen sind in diesen Ländern im Durchschnitt 40 Prozent der Journalisten weiblich. In die Analyse einbezogen wurden Kenia und Südafrika, Hongkong, Japan und Südkorea, Deutschland, Finnland, Großbritannien und Spanien, Mexiko und die USA sowie Brasilien.

Die Länder unterscheiden sich hinsichtlich des Gender Inequality Index der Vereinten Nationen, der unter anderem den Frauenanteil in Parlamenten sowie der Schulbildung und Erwerbsbeteiligung im Geschlechtervergleich abbildet. Zudem sind die Länder Teil des Samples der Worlds of Journalism-Studie sowie des Digital News Report 2020.

Mit ihrer Analyse Women and Leadership in the News Media 2021: Evidence from 12 Markets setzen Craig T. Robertson, Meera Selva und Rasmus Kleis Nielsen die 2020 vom Reuters Institute begonnene Arbeit fort. Im vergangenen Jahr hatte ein Team erstmalig den Anteil von Frauen in Führungspositionen in zehn Ländern analysiert. Neu hinzugekommen sind in diesem Jahr Kenia und Spanien.

In Spanien sind bei den untersuchten Nachrichtenmedien nur 8 Prozent der Top-Positionen mit Frauen besetzt. Nur Mexiko und Japan schneiden noch schlechter ab. Während in Mexiko noch 6 Prozent der Führungskräfte weiblich sind, gibt es bei den wichtigsten Nachrichtenmedien in Japan – wie auch schon im vergangenen Jahr – überhaupt keine Chefredakteurinnen.

In Kenia beträgt der Anteil 27 Prozent und ist damit fünf Prozentpunkte größer als der ermittelte Durchschnitt. Ein anderes afrikanisches Land sticht aber noch viel positiver heraus, nämlich Südafrika, wo laut diesjähriger Analyse 60 Prozent der Führungspositionen im Journalismus mit Frauen besetzt sind, das sind 13 Prozentpunkte mehr als im vergangenen Jahr. Auch in den USA sind Zuwächse zu verzeichnen – von 41 auf 47 Prozent. In Südkorea ist der Anteil noch eher gering, erhöhte sich aber im vergangenen Jahr um vier Prozentpunkte auf 15 Prozent.

In anderen Ländern aber sind Rückgänge zu verzeichnen, auch in Deutschland. Hier ist bei den untersuchten Nachrichtenmedien der Anteil der Chefredakteurinnen von 27 auf 19 Prozent gesunken. Wie eine Studie von ProQuote Medien zeigt, sind in Deutschland vor allem bei Regional- und Lokalzeitungen nur sehr wenige Frauen in Führungspositionen. In Finnland ging der Anteil von Journalistinnen in Führungspositionen von 33 auf 27 Prozent zurück, in Brasilien von 22 auf 12 Prozent.

Länder wie Japan, Südkorea und auch Deutschland veranschaulichen, dass ein höherer Rang im Gender Inequality Index der Vereinten Nationen nicht automatisch bedeutet, dass mehr Frauen in redaktionellen Spitzenpositionen sind, heißt es in der Studie. So belegt Südkorea in der Rangliste von 189 Ländern den 11., Deutschland den 20. und Japan den 24. Platz.

Wenn man ausschließlich die Redaktionen betrachtet, die sowohl im vergangenen als auch in diesem Jahr mit in die Analyse einbezogen wurden, ist der Anteil der Frauen, die Spitzenpositionen im Journalismus bekleiden, um zwei Prozentpunkte gestiegen.

Eine Zunahme, die kaum der Rede wert ist, aber auch wenn die Analyse des Reuters Institute weder Lösungsvorschläge noch Handlungsempfehlungen parat hat, bietet sie am Ende doch zumindest einen Hoffnungsschimmer. Wandel brauche Zeit, schreiben die Autorinnen und Autoren, außerdem habe die Corona-Pandemie schwerwiegende Auswirkungen auf die Medienbranche mit bis hin zu Kündigungen gehabt. Das vergangene Jahr sei deshalb in vielerlei Hinsicht „außergewöhnlich und ungewöhnlich schwierig gewesen“.

Sie betonen, dass viele Medienhäuser inzwischen öffentlich zugäben, dass das Thema Vielfalt in der Führung bei ihnen lange Zeit zu kurz gekommen sei und immer mehr Journalistinnen und Journalisten auf eben diese drängen. Zudem stünden bei vielen Medienhäusern im kommenden Jahr Wechsel an der Spitze an. „Perhaps there is more to come?“ – „vielleicht kommt da noch mehr?” liegt da als Frage nahe, der auch das Autorenteam gespannt entgegenblickt.

 

Bildquelle: Christina @ wocintechchat.com / Unsplash 

 

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