Freie Mitarbeiter*innen gelten für Lokalredaktionen von Tageszeitungen seit jeher als unverzichtbar. Doch wer sind diejenigen, die ohne Festanstellung in Lokalredaktionen mitarbeiten und mit dafür sorgen, dass Themen und Ereignisse aus dem Nahraum in der Zeitung und im lokalen Online-Angebot vorkommen? Und welche konkreten Aufgaben übernehmen sie in Lokalredaktionen? Eine Studie an der TU Dortmund hat sich diesen Akteuren in ihrer ganzen Vielfalt genähert.
Freie Journalist*innen mit ihren persönlichen und beruflichen Merkmalen und ihren Sichtweisen sind in den letzten Jahren durch eine Reihe von Studien ein wenig aus dem Schattendasein der Journalismusforschung getreten (Buckow 2011, Meyen & Springer 2009, Steindl et al. 2018). Auch Berufsverbände liefern immer wieder Daten, insbesondere zur wirtschaftlichen Situation der Freien. Zuletzt veröffentlichte der Deutsche Journalisten-Verband (DJV), der das Jahr 2020 zum „Jahr der Freien“ erklärt hat, Befunde zur Situation der Freien während Corona.
Trotzdem ist bis heute über eine Gruppe weiterhin nur wenig bekannt: freie Mitarbeiter*innen, die in Lokalredaktionen von Tageszeitungen und ihren Onlineablegern arbeiten. Sie standen in bisherigen Akteursstudien in der Regel nicht im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses, weil sich diese – auch im Falle von Freien – eher auf hauptberuflich journalistisch Tätige konzentrierten (z. B. Steindl et al. 2018). Moenikes (2001) dagegen identifizierte unter den Freien im Lokalen häufig „Hobby-Journalisten“, die nebenberuflich für die Zeitung arbeiteten (mit dieser Berufsgruppe befasst sich auch eine aktuelle Studie von Rinsdorf & Theiss 2020).
Breite Definition freier Mitarbeiter*innen
Ein Forschungsprojekt am Institut der Journalistik der TU Dortmund hat sich den Akteuren, die Tätigkeiten im Lokaljournalismus übernehmen, aber keine Festanstellung haben, in einer Befragungsstudie im Sommer 2020 in ihrer ganzen Bandbreite genähert. Ins Blickfeld genommen wurden alle lokalen Freien von Tageszeitungen und ihren Onlineablegern – unabhängig davon, ob sie haupt- oder nebenberuflich für die lokale Zeitung und den Onlineauftritt arbeiten, ob sie eine journalistische Ausbildung absolviert haben, wie häufig sie im Lokalen tätig sind und in welcher Form sie vergütet werden (z. B. auf Honorarbasis, als Minijob). Es gibt keine validen Zahlen, wie viele Freie tatsächlich in Lokalredaktionen mitarbeiten, wenn diese breite Definition angelegt wird – und keine Datenbank lokaler freier Mitarbeiter*innen. Deshalb wurde ein Online-Fragebogen mit Bitte um Weiterleitung an alle Chef- bzw. Lokalredaktionen von Tageszeitungen in Deutschland verschickt; zusätzlich wurde er in den sozialen Netzwerken und über Gewerkschaften und Berufsverbände verbreitet.
Die Freien wurden gebeten, den Fragebogen mit Blick auf die Lokalausgabe auszufüllen, für die sie am meisten tätig sind. In die Auswertung konnten so 512 vollständig ausgefüllte Fragebögen einbezogen werden. In der Stichprobe sind Freie aus Lokalredaktionen aus 15 Bundesländern vertreten, wobei die meisten in Bayern (31%), Nordrhein-Westfalen (18%) und Baden-Württemberg (17%) arbeiten. Die journalistischen Einsatzgebiete der Freien verteilen sich auf alle Stadt- und Gemeindetypen (Großstadt: 25%; Mittelstadt: 40%; Kleinstadt: 49%; Landgemeinde: 49%; Mehrfachantworten waren möglich). Damit können die Ergebnisse ein Bild lokaler freier Mitarbeit unter verschiedenen räumlich-strukturellen Rahmenbedingungen liefern.
Ein erster Blick auf die soziodemographischen Merkmale der lokalen Freien zeigt: Sie sind im Durchschnitt 52,4 Jahre alt; die deutlich größte Gruppe stellen Personen im mittleren Alter zwischen 46 und 65 Jahren dar (Abb. 1). Die jüngste befragte Person im Sample ist 18, die älteste 84 Jahre alt. Es finden sich etwas mehr Männer (53%) als Frauen; rund vier Prozent aller Befragten haben einen Migrationshintergrund. Mehr als jede*r zweite Freie im Lokalen ist verheiratet; 16 Prozent der Befragten haben Kinder unter 18 Jahren, die noch im Haushalt leben. Das durchschnittliche Einkommen des gesamten Haushalts der befragten Freien beträgt rund 2.800 Euro.
Nebenberufliche Freie mit vielfältigen Haupttätigkeiten
Wie im Falle der festangestellten Journalisten hat auch die Gruppe der Freien mehrheitlich einen akademischen Bildungshintergrund (vgl. Abb. 2). Ein abgeschlossenes Volontariat weisen dagegen nur 17 Prozent der Freien in Lokalredaktionen auf. Viele von ihnen sind – wie auf Basis des Forschungsstandes zu erwarten war – nicht hauptberuflich journalistisch tätig: Nur etwas mehr als ein Viertel der Befragten gibt an, dass die journalistische Tätigkeit (bei der konkreten Zeitung und ggf. bei anderen Medien) mit Blick auf das persönliche Einkommen die berufliche Haupttätigkeit darstellt.
Die größte Gruppe stellen mit rund 28 Prozent der Befragten Rentner und Pensionärinnen dar, die nebenher für die Lokalredaktion arbeiten; elf Prozent sind Studierende. Mehr als jede*r Fünfte steht noch im Berufsleben und ist nebenberuflich für die Lokalredaktion aktiv. Diese Personen gehen im Hauptberuf ganz unterschiedlichen Tätigkeiten nach, wie Abbildung 3 veranschaulicht.
Es sind somit nicht nur typische Berufsgruppen wie Lehrer*innen, die nebenbei im Lokalteil schreiben – auf diese wird oftmals in der Berichterstattung von Regionalzeitungen über lokale Freie verwiesen, wie die Autorinnen in einer Studie zum Image freier Mitarbeiter*innen ermittelt haben (Wagner & Möhring 2020). Auffällig ist, dass rund 64 Prozent aller Befragten angeben, auch für andere journalistische Medien als die im Fokus stehende Lokalausgabe tätig zu sein.
Dass die journalistische Arbeit für viele freie Mitarbeiter*innen nicht das einzige Standbein ist, macht sich auch im Arbeitsumfang bemerkbar: Für die konkrete Lokalausgabe (Print/Online) arbeiteten die Freien vor Beginn der Corona-Pandemie im Durchschnitt 14,7 Stunden pro Woche; seitdem hat sich der durchschnittliche Arbeitsumfang mehr als halbiert (7,0). Hier wirken sich allerdings die hohen Umfänge der intensiv tätigen Freien aus; tatsächlich arbeitete vor Corona fast ein Viertel aller Freien weniger als fünf Stunden pro Woche; nur ein Fünftel kam auf mehr als 20 Stunden. Ähnliches zeigt sich mit Blick auf die Einkünfte, die die Freien aus ihren Tätigkeiten bei der konkreten Zeitung generieren: Vor der Corona-Pandemie verdienten sie im Schnitt 763 Euro, wobei der Wert durch einige Gutverdienende beeinflusst wird, die bis zu 3.000 Euro und mehr erwirtschafteten; der Median liegt bei 375 Euro. Während Corona haben sich auch die Einkünfte in etwa halbiert (Mittelwert: 388 Euro; Median: 175 Euro); besonders fällt ins Auge, dass rund 20 Prozent der Befragten angeben, keine monatlichen Einkünfte zu haben. Auf die schwierige Situation von Freien während der Corona-Pandemie wurde auch in der Medienberichterstattung bereits verstärkt hingewiesen.
Freie als Reporter*innen und lokale Informationsquellen
Die Freien wurden in der Online-Befragung auch um Auskunft zu ihren Tätigkeiten in der jeweiligen Lokalredaktion gebeten. Fast alle übernehmen klassische Reporter-Aufgaben: Sie besuchen Termine und berichten darüber für die Zeitung und/oder den lokalen Onlineauftritt (94%) und bebildern ihre Texte selbstständig (83%) – reine Fotografentätigkeiten erledigen 36 Prozent der Befragten. Mehr als acht von zehn geben an, für Beiträge auch eigene Themen zu recherchieren, die nicht auf eine Pressekonferenz, einen Termin oder eine Veranstaltung zurückgehen. Rund vier von zehn sind nach eigener Auskunft sogar für ein bestimmtes Gebiet oder Thema im lokalen Verbreitungsgebiet zuständig. Selten schlüpfen Freie dagegen in eine Editoren-Rolle: Nur jede*r Zehnte produziert eigenverantwortlich Zeitungsseiten; auch die Redigatur fällt weniger in den Aufgabenbereich (19%). Dienste, z. B. in der Print- oder Online-Redaktion oder im Redaktionssekretariat, übernimmt etwa jede*r siebte Befragte.
Darüber hinaus gibt es aber noch andere Aufgabenbereiche, in denen Freie – zumindest partiell – aktiv werden: So geben rund 60 Prozent der Befragten an, dass sie die Redaktion über Neuigkeiten im lokalen Verbreitungsgebiet (z. B. einen Verkehrsunfall) informieren; rund jede*r Dritte pflegt im Rahmen der freien Mitarbeit Kontakte (z. B. zur Polizei oder Feuerwehr); ähnlich viele sammeln Informationen und übermitteln sie stichpunktartig der Redaktion, ohne einen eigenen Beitrag zu verfassen. Sie übernehmen damit also die Rolle einer lokalen Informationsquelle für die Redaktion. Jede*r Fünfte stellt darüber hinaus im Rahmen der freien Mitarbeit Veranstaltungsübersichten zusammen. Auffällig ist, dass typische Online-Tätigkeiten bei Freien von eher geringer Bedeutung sind: Weniger als jede*r Dritte steuert Meldungen oder onlinespezifische Elemente wie Bildergalerien, Videos oder Live-Ticker für den lokalen Online-Auftritt oder einen Social-Media-Kanal bei. 46 Prozent der Befragten geben an, dass sie „live“ von einer Veranstaltung oder einem Ereignis einen kurzen Text, Fotos und/oder Videos an die Redaktion schicken.
Die Freien widmen sich in ihrer Tätigkeit vielfältigen gesellschaftlichen Themenfeldern (Abb. 4). Ist der Blick auf das Thema gerichtet, über das sie am meisten berichten, so ergeben sich drei zentrale Schwerpunkte: Rund ein Viertel der Freien kümmert sich am häufigsten um Vereine, Verbände und Feste, ähnlich viele nennen politische Themen als ihren Schwerpunkt (23%). Weitere 21 Prozent der freien Mitarbeiter*innen berichten am intensivsten über kulturelle Ereignisse.
Hinweise auf verschiedene Typen freier Mitarbeiter*innen
Die Ergebnisse liefern – durch die Anwendung einer breiten Definition freier Mitarbeiter*innen im Lokalen – einen aktuellen und umfassenden Überblick über die Merkmale und Tätigkeiten von Freien im Lokalen. Sie deuten zugleich darauf hin, dass es nicht die eine freie Mitarbeiterin oder den einen freien Mitarbeiter im Lokalen gibt: Es finden sich junge und alte Mitarbeiter*innen, haupt- und nebenberufliche Akteure, Gutverdienende und solche, für die die Einkünfte aus dem Lokaljournalismus nur ein kleines Taschengeld darstellen. Über die basalen Tätigkeiten der Terminberichterstattung und Fotografie hinaus übernehmen Teile der Mitarbeiter*innen auch weitere Aufgaben, etwa als Editoren und als Informationsquellen. In weiteren Analysen können auf dieser Basis Typen von Freien unterschieden werden.
Quellen:
Buckow, Isabelle (2011): Freie Journalisten und ihre berufliche Identität. Eine Umfrage unter den Mitgliedern des Journalistenverbands Freischreiber. Wiesbaden: VS.
Meyen, Michael; Springer, Nina (2009): Freie Journalisten in Deutschland. Ein Report. Konstanz: UVK.
Moenikes, Manuela (2001): Hobby: Journalist. Freie Mitarbeiter in lokalen Tageszeitungen. Wiesbaden: Westdt. Verl.
Rinsdorf, Lars; Theiss, Laura (2020): Leidenschaftliche Amateur*innen oder kühle Profis. Zum Integrationspotenzial freier Mitarbeiter*innen lokaler Tageszeitungen. In: Gehrau, Volker; Waldherr, Annie; Scholl, Armin (Hrsg.): Integration durch Kommunikation. Jahrbuch der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft 2019. Münster: Deutsche Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft e. V., S. 57-67. https://doi.org/10.21241/ssoar.66416
Steindl, Nina; Lauerer, Corinna; Hanitzsch, Thomas (2018): „Die Zukunft ist frei!“. Eine Bestandsaufnahme des freien Journalismus in Deutschland. In: Journalistik. Zeitschrift für Journalismusforschung 1(1), S. 47-59.
Wagner, Anna-Lena; Möhring, Wiebke (2020): Die „Feuerwehr der Redaktion“, die „nicht groß die Hand aufhält“. Eine Studie zum Image von freien Lokaljournalist*innen in Tageszeitungen. In: TU Dortmund, Institut für Journalistik (Hrsg.): Aufmacher 2020. Dortmund: TU Dortmund, Institut für Journalistik, S. 6-9.
Zum Thema auf EJO: Freie im Lokalen: Senior-Quereinsteiger sind größte Gruppe
Schlagwörter:freie Mitarbeiter, Institut für Journalistik der TU Dortmund, Lokaljournalismus, Lokalredaktionen, Tageszeitungen