Georgien: Die Corona-Krise und die Medien

27. März 2020 • Aktuelle Beiträge, Internationales, Qualität & Ethik • von

In Georgien berichten Medien verschiedener politischer Ausrichtung divers über die Krise – aber auch die Kirchen und sozialen Medien tragen entscheidend zum Diskurs bei.

Der erste Covid-19-Fall in Georgien wurde am 26. Februar registriert, die Zahl der bestätigten Infektionen hat bis zum 21. März 47 erreicht. Nach offiziellen Angaben befinden sich ungefähr 2000 Menschen in verpflichtender Quarantäne, 300 sind zur Beobachtung in Krankenhäusern untergebracht. Diese Zahlen belegen zunächst eine gute Arbeit der Regierung bei der Eindämmung der Krankheit, es wird jedoch befürchtet, dass eine weitere Ausbreitung nicht verhindert werden kann. In den kommenden Tagen werden sich die Georgier in ihrer Bewegungsfreiheit einschränken und zu Hause bleiben müssen. Sollte dies nicht in ausreichendem Umfang geschehen, könnte die Regierung eine umfassende Ausgangssperre erlassen.

Die Mehrheit der Georgier entnimmt ihre Informationen dem Rundfunk. Die Fernsehberichterstattung ist jedoch politisch polarisiert – wer ein umfassendes Bild erhalten möchte, muss unterschiedliche Kanäle und Medienangebote verfolgen. Die Mediendatenbank mediamonitoring.ge stellt die Berichterstattung von über 40 georgischen Medien zur Verfügung, der Suchbegriff „Coronavirus“ liefert etwa 16.000 Berichte im Zeitraum vom 26. Februar bis zum 21. März.

Quellen der Berichterstattung sind häufig Mediziner, Regierungsangehörige, Oppositionspolitiker und religiöse Würdenträger. Menschen in Quarantäne oder Selbstisolation kommen seltener zu Wort, wobei auch derartige Interviews und Blogartikel existieren.

Scharlatane und Witze auf sozialen Medien

Unterschiede gibt es nach politischer Ausrichtung der Medien: Die Berichterstattung in regierungsnahen Angeboten fokussiert stark auf die umgesetzten Maßnahmen und ihre Erfolge. Oppositionsnahe und unabhängige Medien berichten dagegen über Bedrohungen und negative Folgen, vor allem mit Blick auf die Wirtschaft. Boulevard-Medien unterscheiden sich thematisch nur wenig, verbreiten jedoch auch Falschinformationen über Heilverfahren oder wissenschaftlich nicht haltbare Möglichkeiten der Vorbeugung gegen eine Infektion. Auch in den sozialen Medien kursieren derartige Inhalte, etwa in Foren und Messenger-Gruppen. Audio- und Videodateien über Wunderheilungen mit Knoblauch, heißem Wasser oder Zitronensaft kursieren praktisch täglich. Trotz der Schwere der Krankheit dominieren Witze die sozialen Medien – Memes und lustige Bilder über Quarantäne und Selbstisolierung machen die Runde.

Die Mehrheit der Medien bewertet das Regierungshandeln bisher positiv. Oppositionsparteien und unabhängige Experten versuchen, gemeinsam mit der Regierung Lösungen zu finden und erkennen die Maßnahmen der Regierung an, bemängeln jedoch das Fehlen ausreichender Testmöglichkeiten und Krankenhausausstattung. Der wichtigste Oppositionskanal Mtavari kritisiert zusammen mit anderen progressiven und unabhängigen Onlinemedien einen Mangel an Maßnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaft und der Währung. Die Regierung steht darüber hinaus in der Kritik, weil sie auch in der Krise Steuern von Fernsehunternehmen einzutreiben versucht. Berichte über panikartige Hamsterkäufe stehen im Kontrast zur Übertragung von Pressekonferenzen, in denen Behörden und Wirtschaftsvertreter die Stabilität der Nahrungsmittelversorgung versichern.

Eine Analyse der Berichterstattung ausgewählter Medien (je ein Regierungs- und Oppositionssender sowie eine Auswahl von Boulevardzeitungen) ergibt eine intensive, vielseitige Berichterstattung über das Coronavirus und seine Folgen, die sich jedoch vor allem auf Behördenangaben stützt. Das Themenspektrum reicht von religiösen Aspekten über die Wirtschaft bis hin zur Altenpflege. Die Medien liefern auch konstant Aktualisierungen zum Infektionsgeschehen, wobei sie sich nicht nur auf Regierungsquellen stützen, sondern auch die mit der Situation befassten Mediziner einbeziehen. Fehlverhalten der Bürger wie Quarantäneverstöße werden thematisiert, besonders wenn die Betreffenden enge Beziehungen zu Regierungs- oder Oppositionspolitikern unterhalten. Zweifel werden vor allem mit Blick auf die Kapazitäten zur Versorgung einer großen Zahl Infizierter auf Intensivstationen laut, aber auch an Maßnahmen gegen Inflation und steigende Arbeitslosigkeit als Folge der wirtschaftlichen Einschränkungen.

Diskussion über riskante Anweisung der orthodoxen Kirche

Ein wichtiges Thema ist die Weigerung der orthodoxen Kirche Georgiens, das Abendmahlsritual im Angesicht einer befürchteten Ausbreitung des Virus anzupassen. Die Minderheit der Muslime hat gemeinsame Gebete vorerst eingestellt, die meisten Georgier sind jedoch orthodoxe Christen und vertrauen der Kirche mehr als jeder anderen Institution im Land. Der Empfang der Kommunion von einem gemeinsamen Löffel wurde seitens der Heiligen Synode nicht ausgesetzt, allerdings empfiehlt sie den Einsatz von Lautsprechern zur Übertragung der Gottesdienste außerhalb der Kirchen, um so die Enge innerhalb der Gebäude zu reduzieren.

Nicht zuletzt wird auch über eine globale Geste in Zeiten der Corona-Pandemie berichtet, der sich viele Georgier angeschlossen haben: Sie applaudieren dem medizinischen Personal als Dank für den Kampf gegen die Erkrankung. Die Zeit wird zeigen, ob Ärzte und Pflegepersonal die wachsende Zahl von Infizierten bewältigen können, vor allem wenn die Georgier die lebensgefährliche Empfehlung ihrer Kirche beherzigen.

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