Glauben, was passt

14. Januar 2019 • Qualität & Ethik • von

Die Mediennutzer tun, die Journalisten tun es: Sie glauben und verbreiten Nachrichten, die ihre eigenen Sichtweisen bestätigen.

Zwei Aufreger der letzten Tage förderten einmal mehr zutage, was Psychologen und Verhaltensökonomen den „Bestätigungsfehler“ (Neudeutsch: „confirmation bias“) nennen: Dass wir alle, unter Einschluss von Profi-Journalisten, besonders leichtfertig Nachrichten glauben und weiterverbreiten, die unsere eigenen Sichtweisen bestätigen. Als der Bremer AfD-Chef Magnitz hinterrücks zusammengeschlagen wurde, kochte in der medialen Gerüchteküche der von seiner Partei geschürte Anfangsverdacht hoch, es handle sich um ein politisches Attentat. Vorschnell wurde daraus eine vermeintliche Gewissheit. Ähnlich waren sich nach dem großen Datenklau bei Hunderten von Prominenten viele Medienprofis, darunter Bild-Chefredakteur Julian Reichelt, erstaunlich sicher, dass dies nur das Werk gutorganisierter Krimineller sein könne. Nicht nur im Netz wurde gemunkelt, die Hacker hätten im Auftrag ausländischer Geheimdienste agiert.

Auch Profis in den Redaktionen posten in sozialen Netzwerken und auf Newssites leider oftmals schneller, als sie denken können. So geraten immer wieder Gerüchte in die Umlaufbahn, die das Klima vergiften, die Öffentlichkeit verunsichern und die von nachfolgenden Tatsachen-Ermittlungen der Polizei und Staatsanwaltschaft kaum noch einzuholen sind. Auch die Erregungszyklen, mit denen vergleichbare Fälle unter Einschluss des Fälschungsskandals beim Spiegel medial aufgearbeitet werden, ähneln sich seit Jahr und Tag: Prominente Journalisten ermahnen ihre Kollegen, gründlicher zu recherchieren. Die Ermahnungen werden durch die medialen Windmaschinen gepustet und dann schnell wieder vergessen.

Nahezu ungehört bleiben dagegen seit Jahren Medienforscher (darunter auch der Autor dieser Zeilen…), die mehr Transparenz im Mediengeschäft fordern: Schonungslose Fehlerberichtigung, nicht nur im Kleingedruckten; Ombudsleute, die unabhängig von den Redaktionen Beschwerden über fehlerhafte oder einseitige Berichterstattung nachspüren und öffentlich erklären, weshalb etwas schiefgelaufen ist. Und eine Berichterstattung über Medien und Journalismus, die nicht nur Ruhmestaten der „Vierten Gewalt“ anpreist, sondern den Journalismus und die Medien genauso gründlich, kritisch und kontinuierlich begleitet, wie das derzeit noch bei den anderen drei Gewalten, der Exekutive, der Legislative und der Judikative geschieht.

Das klingt nach bitterer, aber vielleicht ja doch hilfreicher Medizin. Beim Publikum ließe sich Vertrauen zurückgewinnen, mehr Qualitätsbewusstsein und vielleicht ja auch mehr Zahlungsbereitschaft für Journalismus generieren. Statt im eigenen Geschäft Fehler herunterzuspielen und den Eindruck zu erwecken, Journalisten seien gegen „Confirmation bias“ und Herdentrieb immun, gälte es, täglich neu den Medienbetrieb zu erklären, also Strukturen und Prozesse journalistisch auszuleuchten, die zu Journalismus-Versagen führen – und dabei eben auch wissenschaftliche Erkenntnisse verstärkt zu nutzen.

Eine gekürzte Version dieses Beitrags erschien am 13. Januar 2019 im Tagesspiegel.

Bildquelle: pixabay.com

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