Was Medien zurzeit so mit Frauen machen – von Wedding TV bis Carla Bruni
Der «Schweizer Journalist» widmet Frauen eine ganze Ausgabe, der «Spiegel» veröffentlicht ein Sonderheft «Das starke Geschlecht». Eine neue F-Klasse blüht: Frauen kommen an – auf Hochglanz, im Chatroom, am Altar… Der Reihe nach.
Der Alltag sieht anders aus. Düster. Das International Global Media Monitoring ermittelte aus einer Stichtag-Messung weltweit einen Frauenanteil von 21 Prozent (2005) in der Medienberichterstattung.
Forscher der Donau-Universität Krems und des Frauennetzwerks im Oberösterreichischen Presseclub knüpften daran weitere Studien, deren Ergebnisse nun im «Standard» aufgegriffen wurden. In niederösterreichischen Regionalmedien lag demnach im Jahr 2006 der Anteil der Frauen in der Berichterstattung mit 19 Prozent unter dem internationalen, aber über dem nationalen Schnitt von 12 Prozent.
Am liebsten die Winzerkönigin
Verglichen wurde das Verhältnis der namentlich und nicht namentlich erwähnten, zitierten und abgebildeten Männer und Frauen. Der Frauenanteil bei Bildern liegt bei 27 Prozent. Besonders gerne fotografiert werden hübsche Frauen, die zur Winzerkönigin oder zum «Milchmädchen» gekürt wurden. Bei den Zitaten erreichen Frauen gerade mal einen Durchschnittswert von 17 Prozent, besonders selten kommen sie in den Ressorts Sport, in Politik und Wirtschaft vor.
Frauen haben einen speziellen Marktwert – und einen speziellen Markt. In den Kiosken brechen die Regale fast zusammen unter der Last der «Frauenpresse», und auch im Internet füllen sich gegenwärtig Seiten und Foren speziell für Frauen.
Yahoo launchte im März mit Shine (http://shine.yahoo.com/) einen Auftritt, wo speziell Frauen «zwischen 25 und 54» lästern, shoppen (80 Prozent der Verkaufsentscheide, so behaupten Marktforscher, fällen Frauen) und Ratschläge holen sollen. http://popsugar.com bietet Ähnliches, präsentiert sich aber sternchenübersät und mädchenhaft, www.ivillage.com distinguierter und lebenspraktischer.
Peeling, Shopping, Familie
Fast täglich öffnen sich weitere Plattformen. Sie wollen – in Varianten – fast alle nur das eine: Frauen, die gefallen und sich das was kosten lassen. Weibliche Menschen lernen aus den Medien, die eigens «für sie» gemacht sind, von Mädchenbeinen an: Wer bei Männern ankommen, wer eine erfolgreiche Frau werden und bleiben will, muss an sich arbeiten.
Männer dürfen sein wie sie sind, Frauen müssen Peeling, Shopping, Psychotests, Familie und Beruf unter einen Hut bringen. «Die Zeit» wunderte sich neulich in ihrem Wirtschaftsteil, weshalb Frauen zwar schneller studieren und bessere Noten haben, aber noch immer weniger verdienen. Wer die Masse der Frauenpresse kennt (nein, heute reden wir einmal nicht über die anderen leuchtenden Beispiele, die es zweifellos auch gibt!), dem dämmert, dass das auch zu tun hat mit den Komplexen, die einem dort eingeredet werden unter Überschriften wie «So werden Sie selbstbewusster»…
«Einmal im Leben»
Die österreichischen Forscher bestätigen das im Grunde: Selbst Frauen in Führungspositionen liessen bei Medienauftritten freiwillig Männern den Vortritt. Ganz neu ist ein Fernsehkanal für das, wovon Frauen dem Klischee nach die halbe Zeit träumen, nämlich Heiraten: Wedding TV auf Sky Channel 277, das weltweit offenbar erste seiner Art. Der britische Markt ist gut, erklärte Wedding- TV-CEO Marc Conneely gegenüber dem «Guardian», dieses Jahr heiraten geschätzt 335 000 Paare.
Die Bräute der Politiker
Doch der osteuropäische Markt sei noch viel besser. Dort gebe es eine finanzkräftige, wachsende Mittelschicht. Deshalb konzentriert er sich nun auf Polen, Rumänien und Russland. Das Wedding-TV-Programm umfasst einen Mix aus Shows, will Werbekunden für das Allerlei rund ums Heiraten anlocken sowie bevorzugt Frauen (und Bräute) – in Reality und Spiel Shows, auf Catwalks für Brautmoden…
Mediale Hoch-Zeiten erleben gegenwärtig die Bräute der Polit-Prominenz. Nicolas Sarkozy brachte Carla Bruni auf die Titelseiten. Christian Wulff, Regierungschef in Niedersachsen, hob Bettina Körner über die Schwelle der deutschen Klatschzeitschrift «Bunte», wo sie frisch getraut ihren Schwangerschaftsbauch streichelte und flüsterte: «Nun wird's ein Wulff». Der deutsche Ex-Kanzler Helmut Kohl brachte die 43jährige Maike Richter als seine Braut ins Rampenlicht – für die «Neue Zürcher Zeitung» ein Zeichen, wie jung sich der knapp 80jährige fühle. Der «Tages-Anzeiger» schildert einen Bräutigam, der sich von einem Sturz erholen muss, ehe die Hochzeitsglocken läuten.
Kremlchef Wladimir Putin hingegen mag all das nicht. Er zog seine mögliche Braut, die 24jährige Alina Kabajewa, aus dem Blickfeld und – zumindest vorübergehend – die Urheber der Mitteilung, die russische Tageszeitung «Moskowski Korrespondent» vom Markt.
«Die weibliche Perspektive»
«Die weibliche Perspektive wird das 21. Jahrhundert bestimmen», kündigt ein dreiköpfiges Team für diesen Herbst ein Nachrichtenmagazin aus weiblicher Sicht an, vorerst gibt es auf www.nouvelles.de nur das Konzept. Das wirkt beim näheren Hinschauen aufgesetzt – nicht nur, weil das Trio zwar vorwiegend Frauen einstellen will, aber nur aus Männern besteht.
Es stellen sich Grundsatzfragen: Wollen wir künftig neben dem Bericht des Afrikakorrespondenten den der Afrikakorrespondentin? Den Karrieretip für ihn neben dem für sie? Oder lieber den Fitnessplan für sie neben dem Reifen-Test für ihn? Ist es besser, wir widmen die linke Hemisphäre der Zeitung oder des Bildschirms der weiblichen und die rechte der männlichen Sicht? Oder umgekehrt? Oder die obere Hälfte? – das alles führt nach Absurdistan.
Wenn wir etwas brauchen, dann ein Konzept für eine neue M-Perspektive – M wie Menschen.